Beschreibung
Der Arzt Jacob E. Polak (1818-1891), der aus einer jüdischen Familie in Böhmen stammte, gilt in Iran als Begründer der modernen Medizin. Er wurde 1851 vom persischen Hof eingeladen, am neu gegründeten Polytechnikum (Dar al-Funun) in Teheran zu lehren. Als Repräsentant der damals weltberühmten Wiener Schule der Medizin schuf Polak die Voraussetzung für die Übernahme und Einbindung des aktuellen medizinischen Wissens in Iran. In Briefen an österreichische Fachkollegen wiederum übermittelte er Beobachtungen und Erkenntnisse über Krankheiten in Iran und erweiterte so den Horizont des Wiener medizinischen Wissens. Nach dem Beispiel Alexander von Humboldts unternahm er mit naturkundlichen und anthropologischen Expeditionen eine ,Vermessung' des Landes. Sein zweibändiges Werk "Persien. Das Land und seine Bewohner" gilt noch heute als Standardwerk der Irankunde. Als Leibarzt des persischen Königs erwarb er in Iran soziales Ansehen und Einfluss. Zurück in Österreich wurde Polak zu einer Schlüsselfigur im Wissenstransfer zwischen Wien und Teheran. Die Autorin analysiert erstmals aus dem Blickwinkel der Transferforschung die kaum bekannten Briefe Polaks an seine Fachkollegen in Wien. Sie zeigt u.a., dass abseits gängiger Vorstellungen der postkolonialen Debatten zu ,Orientalismus' und ,Eurozentrismus' der Transfer von Wissen zwischen Europa und ,dem Orient' wechselseitig sein konnte. Wer sich mit Kulturkontakten zwischen Europa und Asien befasst, findet in ,Briefe aus Persien' einen spannenden Einblick in eine zwischen habsburgischem Österreich und qagarischem Iran gemeinsam geteilte Geschichte der Medizin im späten 19. Jahrhundert.
Autorenportrait
Afsaneh Gächter studierte an der Universität Wien Ethnologie, Soziologie und Geschichte. Ihre Forschungsschwerpunkte sind sozio-kulturelle Transformationen im modernen Iran und Wissens- und Kulturtransfer zwischen Europa und Asien.