Beschreibung
»Ein wichtiges, ja wegweisendes Buch. So einfühlsam und verständnisvoll, wie das hier geschieht, sind die bedrückenden Erfahrungen, welche die Vertriebenen im Nachkriegsdeutschland machen mussten, noch nie erzählt worden. Dadurch erhält die mit so viel Rechthaberei und gegenseitiger Bezichtigung belastete Debatte um das richtige Gedenken an Flucht und Vertreibung eine neue Wendung.« Die Zeit "Es gibt mittlerweile zahlreiche neuere Arbeiten zur Vorgeschichte, zum Verlauf und den Folgen der Vertreibung von 14 Millionen Deutschen und zu deren Aufnahme in Deutschland. Kosserts Buch unterscheidet sich von ihnen durch den Versuch, das Schlusskapitel der deutschen Katastrophe aus der Perspektive der Vertriebenen von der ersten bis zur dritten Generation zu erzählen und zugleich deutlich zu machen, wie radikal Flucht und Vertreibung die deutsche Geschichte veränderten." FAZ "Vor allem sind die Vertriebenen Hüter eines kulturellen Reichtums, des ostdeutschen Sprach- und Kulturerbes, das es für alle Deutschen zu bewahren gilt; Andreas Kossert präsentiert es in einer eindrucksvollen Bilanz." Der Tagesspiegel
Autorenportrait
Andreas Kossert, geboren 1970, studierte in Deutschland, Schottland und Polen Geschichte, Slawistik und Politik. Der promovierte Historiker arbeitet am Deutschen Historischen Institut in Warschau und ist ein ausgewiesener Kenner des östlichen Mitteleuropa. Auf seine historischen Darstellungen Masurens (2001) und Ostpreußens (2005) erhielt er begeisterte Reaktionen. Zuletzt erschienen von ihm der Bestseller »Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945« (2008) sowie »Damals in Ostpreußen. Untergang einer deutschen Provinz« (2008). Für seine Arbeit wurde ihm der Georg Dehio-Buchpreis verliehen.
Leseprobe
Am 29. Mai 1999 bekannte Bundesinnenminister Otto Schily auf einer Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen (BdV): "Die politische Linke hat in der Vergangenheit, das l? sich leider nicht bestreiten, zeitweise ?ber die Vertreibungsverbrechen, ?ber das millionenfache Leid, das den Vertriebenen zugef?gt wurde, hinweggesehen, sei es aus Desinteresse, sei es aus ?gstlichkeit vor dem Vorwurf, als Revanchist gescholten zu werden, oder sei es in dem Irrglauben, durch Verschweigen und Verdr?en eher den Weg zu einem Ausgleich mit unseren Nachbarn im Osten zu erreichen. Dieses Verhalten war Ausdruck von Mutlosigkeit und Zaghaftigkeit." Das war eine sp? Einsicht. Viele der 14 Millionen Deutschen, die nach dem Krieg ihre Heimat verloren, hat sie nicht mehr erreicht. Damals kamen 2 Millionen Menschen bei Flucht und Vertreibung um, Deutschland verlor ein Viertel seines Territoriums. Abgesehen von der Vertreibung und Ermordung der europ?chen Juden hat nichts, was auf die NS-Wahnherrschaft zur?ckzuf?hren ist, der deutschen Gesellschaft so schwere Wunden geschlagen und das Land so versehrt. Doch die meisten Deutschen wollten das nicht sehen, nicht h?ren, nicht wissen. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Krieges hat G?nter Grass in der Novelle Im Krebsgang betroffen bekannt: "Niemals, sagt er, h?e man ?ber so viel Leid, nur weil die eigene Schuld ?berm?tig und bekennende Reue in all den Jahren vordringlich gewesen sei, schweigen, das gemiedene Thema den Rechtsgestrickten ?berlassen d?rfen. Dieses Vers?nis sei bodenlos." Da?mit dem Osten nicht nur die Vertriebenen, sondern alle Deutschen viel verloren hatten, dieses Bewu?sein schwand bald nach dem Krieg. Schon der materielle Wert der deutschen Ostgebiete l? sich kaum bemessen. Schlimmer jedoch wiegt der kulturelle Verlust. Es ist schwer, das Geschehen in angemessene Worte zu fassen und Pseudologiken, Abstraktionen sowie eine Rhetorik der Zwangsl?igkeit zu vermeiden. Die Geschichtsschreibung zur Vertreibung ist aus vielerlei Gr?nden besonders anf?ig f?r Rechthaberei, oberlehrerhaftes Moralisieren und politische Instrumentalisierung, denn alle sind Betroffene, jeder hat seine eigene Wahrheit. Obwohl ?erlich kein Unterschied mehr feststellbar ist, so Karl Schl?gel, besteht die mentale Kluft zwischen den Deutschen, die ihre Heimat verloren, und denen, die dieses Schicksal nicht erlitten haben, nach wie vor. In Millionen deutschen Wohnzimmern wurde nach dem Krieg geweint um den Verlust der Heimat. Man mu?diese Trauer und diesen Schmerz benennen, das geh?rt zur geistigen Hygiene, sagt R?diger Safranski: "Es gibt eine deutsche Neurose. Alles, was deutsches Schicksal ist, steht unter Verdacht, das sitzt tief. Deutsche Vergangenheit hat die Vergangenheit des deutschen Gro?erbrechens zu sein, basta." 14 Millionen Deutsche waren nach 1945 ohne Heimat. Im allgemeinen Chaos des Zusammenbruchs trafen sie in den Besatzungszonen ein, und die Beh?rden wu?en nicht, wie und wo sie diese Massen unterbringen und verwaltungsm?g einordnen sollten. Vor 1953 findet man f?r die Heimatlosen Bezeichnungen von gr??er Beliebigkeit. Man sprach von Aussiedlern und Vertriebenen, von Fl?chtlingen, Ostvertriebenen, Heimatvertriebenen, Ausgewiesenen und Heimatverwiesenen. 1947 setzte sich dann allm?ich "Vertriebene" - expellees - durch, auch weil die amerikanische Besatzungsmacht das anordnete. Der Begriff sollte zum Ausdruck bringen, da?die Vertreibung endg?ltig war und keine Hoffnung auf R?ckkehr bestand. Nach Gr?ndung der Bundesrepublik wurde "Vertriebener" aus semantischen Gr?nden dem Begriff "Fl?chtling" vorgezogen. Fl?chtling oder Vertriebener? Unterschiedliche Wahrnehmungen lassen erkennen, da?es eine gemeinsame Geschichte aller Vertriebenen nicht gibt; zu verschieden sind deren Schicksale und Erfahrungen. Hier sollen dennoch alle der Einfachheit halber als "Vertriebene" bezeichnet werden. Im Bundesvertriebenengesetz (BVFG) ist das Wort "Fl?chtling" f?r diejenigen reserviert, die aus der Sowjetischen Bes Leseprobe