Beschreibung
Rosa Steininger ist von der Unabwendbarkeit der Klimakatastrophe uberzeugt. Sie verzichtet seit vielen Jahren konsequent auf jeglichen Überkonsum. Fürs Baden in einem alten Weinfass muss sie das Wasser erst auf dem Herd erhitzen, den sie zuvor mit Holz befeuert, denn elektrischen Strom gibt es in Rosas Wohnung freilich nicht, ebenso wenig, wie ihr Zitrusfrüchte aus Übersee auf den Tisch kommen. Bei der Jobsuche wird sie vom Arbeitsmarktservice in einen Social-Media-Kurs gesteckt, wo sie auf die harte Tour eine neue Welt und ihre Möglichkeiten kennenlernt. Als sie dann auch noch Testimonial der Ökopartei werden soll, beginnt Rosa ihre Hoffnungslosigkeit zu hinterfragen. Gibt es vielleicht doch eine Chance, die Menschen aufzurütteln und den unvermeidlichen Crash aufzuhalten? Nadja Bucher entwirft mit viel Humor und harten Fakten eine sympathisch-schräge Heldin voller Prinzipien und Standhaftigkeit, die den Ernst der Lage längst erkannt hat.
Autorenportrait
Nadja Bucher, geboren 1976 in Wien. Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Wien und der University of Sussex (UK). Auszeichnungen (Auswahl): Staatsstipendium für Literatur, Förderungspreis der Stadt Wien, Buchprämie der Stadt Wien. Zuletzt erschien ihr Roman »Die Doderergasse oder Heimitos Menschwerdung« (Milena Verlag, 2020). www.nadjabucher.at
Leseprobe
Frau Hartman saß an Rosas Küchentisch und aß Brokkoli-Palatschinken. »Da schmeckt man die Qualität«, sagte sie. Ein plumper Versuch, ihre bisherige Nörgelei über Bertrams Lebensmittelpreise und Rosas »Biofraß« zu relativieren. Rosa stand vor dem Herd und legte Schupfnudeln in siedendes Wasser. Als die Nudeln an die Oberfläche stiegen, wurden sie von Rosa mit der Schaumkelle abgeschöpft und auf zwei Dessertteller verteilt. Sie streute gemahlenen Mohn darüber und übergoss alles mit zerlassener Butter. »Da fehlt der Staubzucker«, meldete Hartman. »Nein, ich süße mit Honig«, sagte Rosa und drehte sich kurz zu Hartman um, die skeptisch ihren Mund verzog. »Na, ob das schmecken kann? Mohnnudeln mit Honig?« »Frau Hartman!«, sagte Rosa. Es war immer das Gleiche, zuerst stänkerte sie, dann aß sie begeistert auf. Rosa hörte gar nicht mehr richtig hin. »Können wir nicht endlich das Licht andrehen?«, fragte Hartman. Sie spielte an der Stumpenkerze aus Bienenwachs herum, die sie von der Mitte des Tischs näher zu sich herangezogen hatte. »Sie wissen, dass es keine Glühbirnen in meiner Wohnung gibt. Nehmen Sie noch eine Kerze aus der Tischlade, wenn es Ihnen zu dunkel ist«, sagte Rosa. »Ihr Sparwahn ist extrem. Kein Strom, kein Licht, kein Radio. Das ist ja ärger als im Krieg!«, beschwerte sich Hartman, zog aber die Lade auf und stellte noch eine Kerze auf den Tisch. »Das ist nicht Krieg, das ist freiwillig«, sagte Rosa. Kurz verzog Hartman das Gesicht, dann wollte sie Rosa auf ein anderes Thema bringen. »Ein fescher Kerl, dieser Bertram, und so freundlich.« Rosa setzte sich mit den Mohnnudeltellern an den Tisch. »Haben Sie die jungen Dinger hinter der Budel gesehen?«, fragte Frau Hartman. »Sicher«, sagte Rosa. »Glauben Sie, er hat was mit denen?« »Sicher.« »Oder spart er sich für Sie auf?« Rosa prustete los. »Sicher nicht!« »Tun Sie nicht, als wären Sie nicht eifersüchtig«, sagte Hartman. Sie spießte eine Mohnnudel auf die Gabel, steckte sie in den Mund und schloss die Augen, um den Geschmack auszukosten. »Worauf sollte ich denn eifersüchtig sein? Bertram und ich sind Freunde. Sehr gute Freunde. Verstehen Sie? Und ich bin unabhängig und glücklich.«