Robin Wall Kimmerer ist Botanikerin und Mitglied der Potawatomi Nation. In „Geflochtenes Süßgras“ verbindet sie auf lehrreiche und unterhaltsame Weise wissenschaftliche Fakten über Pflanzen und Ökosysteme mit indigenen Traditionen eines respektvollen Umgangs mit der Natur. Bereits zu Beginn des Buches wird deutlich, dass der westliche wissenschaftliche Blick auf die Natur von einer vermeintlichen Objektivität geprägt ist, die den Menschen nicht als Teil der Natur sieht, sondern als ihr überlegen. Daraus resultieren Verhaltensweisen, die der Natur schaden und sie ausbeuten. Demgegenüber steht eine indigene Kosmovision, die den Menschen als Teil eines Ganzen sieht, als den Pflanzen und Tieren ebenbürtig. Während Kimmerers Botanikstudiums treffen diese beiden gegensätzlichen Sichtweisen aufeinander. „Die Botanik, die man mir beibrachte, war reduktionistisch, mechanistisch und strikt objektiv. Pflanzen wurden auf Gegenstände reduziert; sie waren keine Subjekte.“ Die indigenen Traditionen beruhen jedoch auf dem Verständnis, dass der Mensch eine Verantwortung trägt für die Gaben der Natur. So halten sie sich beispielsweise an die Tradition der ehrenhaften Ernte: man nimmt nur soviel, wie man braucht, und lässt dabei genug für andere übrig. Viele Praktiken haben nicht nur einen spirituellen Nutzen, sondern aus wissenschaftlicher Perspektive auch einen biologischen Nutzen für das Ökosystem. Ein Beispiel dafür ist das Lachsfischen. Die ersten drei Tage lang werden die Lachse durchgelassen ohne zu fischen. Damit wird ihnen gedankt, dass sie sich als Nahrung hergeben; gleichzeitig wird damit das Weiterbestehen der Art gesichert. „Die Liebes- und Dankfeiern waren nicht einfach nur Ausdruck innerer emotionaler Zustände, sondern unterstützten konkret die Flusswanderung der Fische, weil sie sie über einen entscheidenden Zeitraum vor dem Beutezugriff schützten. Und indem die Lachsgräten in die Flüsse zurück gelegt wurden [damit ihre Geister den anderen Lachsen folgen können], kehrten Nährstoffe ins System zurück.“ Anhand vieler verschiedener interessanter Beispiele zeigt Kimmerer die nahezu symbiotische Verbindung zwischen Mensch und Natur auf. Die Natur bietet ihre Gaben dar und tut dies dann besonders großzügig, wenn der Mensch seinen Teil erfüllt und sich respektvoll und dankbar um seine Umwelt kümmert. „Das moralische Bündnis der Reziprozität ruft uns auf, Verantwortung zu übernehmen für alles, was uns geschenkt wurde, für alles, was wir uns genommen haben.“ In einer Mischung aus gut verständlich erklärten wissenschaftlichen Fakten, Anekdoten aus ihrem persönlichen Leben und Geschichten und Mythen einer indigenen Kosmovision bringt uns Kimmerer eine Lebensweise näher, die uns als Vorbild dienen könnte in einer Welt, die von kapitalistischen Interessen und der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur geprägt ist. Das Buch hat mich an vielen Stellen traurig und wütend gemacht ob der Rücksichtslosigkeit, mit der wir unseren Planeten behandeln. Aber es ist auch ein hoffnungsvolles Buch, das von der Schönheit der Natur erzählt, zum Nachdenken anregt und alternative Lebensweisen aufzeigt. Ein interessantes und lehrreiches Buch, das ich sehr gern gelesen habe und absolut empfehlen kann!
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