Der Anfang des Romans könnte so auch aus den 30ern von Thomas Mann stammen: ein Schriftsteller mit Liebeskummer, von dem der Lack schon ein bisschen ab ist, trifft ein in einem Grand Hotel, von dem der Lack mehr als nur ein bisschen ab ist. Vor der Tür stößt er auf den altmodisch beflissenen Pagen Abdul, mit dem er eine Zigarette raucht. Vom ebenfalls sehr beflissenen Majordomus wird er durchs Hotel auf seine Suite geführt und erhält gleichzeitig einen kurzen Einblick in die vergangene Grandezza des Hauses. Wähnt man sich bis dahin tatsächlich zeitlich irgendwo in den 30er oder 40er Jahren, wird man, als der Schriftsteller seinen Arbeitsplatz mit Notizheft und parallel ausgerichteten Stiften einrichtet, durch ein urplötzlich auftauchendes MacBook sehr abrupt in die heutige Zeit zurückgeholt. Von hier springt Pfeijffer zusammen mit seinem Alter Ego Ilja munter durch die Zeiten, von Genua nach Venedig und zurück ins Grand Hotel, raucht täglich genau eine Zigarette mit Abdul und erzählt dabei von den ganz großen, immer gültigen Themen wie Liebe, Verfall, Krieg und Vertreibung, chinesische Investoren, Heimat und den Verlust derselben. Währenddessen versucht er, seine große Liebe Clio zu vergessen oder aber zurückzugewinnen.
Man muss es an dieser Stelle dem Protagonisten nachmachen und die ganz großen Worte bemühen: Ilja Leonard Pfeijffer ist ein Meisterwerk gelungen! Völlig größenwahnsinnig hat er sich ungefähr ALLES vorgenommen – und alles gelingt! Ganz ganz selten verliert er sich in den Passagen mit Clio ein wenig ins sehr platt Obszöne, aber ansonsten ist es ein großartiger Roman, der einen wunderbar in zauberhaft altmodische Welten entführt!
Wer dieses Erlebnis noch vervollkommnen möchte, dem sei der ebenfalls zauberhafte Bildband "Accidentally Wes Anderson" (erschienen bei Dumont) ans Herz gelegt, denn mehr als einmal, und sicher nicht zufällig, hat mich der Roman an "Grand Budapest Hotel" von 2014 erinnert.
Eine Besprechung von Verena.