Shenzhen - was bitte ist das?
Eine Stadt.
Okay. Und wo bitte liegt die?
In China, gegenüber von Hongkong.
Soso. Und warum ist Shenzhen so interessant, dass man gleich an ganzes Sachbuch darüber schreibt? Das waren zumindest meine ersten Fragen, als ich bei meinen Streifzügen durch die BUCHBOX das etwas futuristisch anmutende Cover entdeckte.
Shenzhen gilt als das chinesische Silicon Valley, als Petrischale der erfolgreichsten chinesischen Unternehmen, als Zukunftslabor der Welt. Hinter letzteres kann man vielleicht ein Fragezeichen setzen, doch Fakt ist, dass Shenzhen in Sachen Wirtschaft und technischer Fortschritt ganz vorn mit dabei ist. E-Mobilität? Längst Standard. Autonomes Fahren? Wird schon auf den Straßen getestet. Schnelles Internet und zwar überall? Selbstverständlich! Da kann man in Deutschland schon mal neidisch mit den Ohren schlackern. Mit großer Begeisterung und viel Detailreichtum stellt Frank Sieren verschiedene Aspekte der jungen Stadt vor. Die einzelnen Kapitel - Wohnen - Bewegen - Überwachen - Chillen - Vernetzen - Assistieren - Heilen und natürlich Essen - muss man nicht sklavisch der Reihe nach lesen. Je nach eigenem Interesse findet man seine Perlen. Ich persönlich war besonders vom Kapitel Bewegen rund um die Themen E-Autos und autonomes Fahren wie elektrisiert - zwei Bereiche, in denen China Deutschland schon längst abgehängt hat. Was solche Entwicklungen für die Weltpolitik bedeuten? Frank Sieren deutet ein paar mögliche Folgen an.
Obwohl auch ein ganzes Kapitel dem Thema Überwachung gewidmet ist, hätten andere Aspekte gerne noch kritischer betrachtet werden können. Um bei der Mobilität zu bleiben: Woher kommt der benötigte Strom? Wie klimaverträglich sind Produktion und Abbau der E-Autos, wenn sie schon als umweltfreundlicher Standard präsentiert werden? Die rosigen Seiten des Fortschritts werden deutlich ausführlicher besprochen als ihre Schattenseiten. Dafür glaubt man aber einen Hauch der shenzhener Aufbruchstimmung zu erhaschen.
Die Zahlendichte, die einen auf manchen Seiten entgegenschlägt, dürfte vor allem Leute vom Fach und echte Zahlenfans begeistern. Ansonsten lockern aber Interviews und eine gute Balance zwischen sachlichem Bericht und persönlichem Eindruck die Texte angenehm auf. Ich kann SHENZHEN daher allen empfehlen, die sich für China oder den rasanten technischen Fortschritt oder Weltpolitik oder Wirtschaft oder chinesische Subkulturen oder oder oder interessieren - denn so vielfältig sind die Themen.