Beschreibung
"Ein literarischer Höhenflug, ... der einem Krimi an Spannung in nichts nachsteht. Majgull Axelsson fordert heraus, lässt keine Ruhe und beschert gleichzeitig einen großartigen Lesegenuss." Neue Zürcher Zeitung "Dieses tief berührende Buch über Mütter und Töchter betört durch eine magisch schöne, bildhafte Sprache. Und es ist zum Lachen und Weinen, ironisch und ehrlich." Nürnberger Nachrichten "Gut erzählt, spannend und hintergründig. Ein Roman, den man nur ungern aus der Hand legt, bevor man die Lektüre nicht beendet hat." Focus online
Autorenportrait
Majgull Axelsson, geboren 1947, ist eine der erfolgreichsten und beliebtesten Autorinnen Schwedens. Für ihre Romane erhielt sie die wichtigsten Literaturpreise des Landes. In Deutschland wurde sie mit ihrem Bestseller »Die Aprilhexe« einem breiten Lesepublikum bekannt. Zuletzt erschien von ihr bei C.Bertelsmann »Die ich nie war«.
Leseprobe
Wer bist du?« fragt meine Schwester. Sie ist empfindsamer als die anderen, nur sie erspürt meine Anwesenheit. Jetzt sieht sie aus wie ein Vogel, wie sie dasteht, mit gerecktem Hals, und in den Garten späht. Sie trägt nur einen grauen Morgenmantel über dem weißen Nachthemd, und anscheinend spürt sie nicht, daß der Nachtfrost noch anhält. Der Morgenmantel ist offen, der Gürtel hängt nur noch in einer Schlaufe. Er liegt wie eine dünne Schwanzfeder hinter ihr auf der Küchentreppe. Sie wendet den Kopf in einer ruckartigen Bewegung, lauscht in den Garten und wartet auf eine Antwort. Als die nicht kommt, wiederholt sie, jetzt ängstlich und mit schriller Stimme: »Wer bist du?« Ihr Atem bildet kleine weiße Federbüschel. Das steht ihr. Sie ist ein ätherischer Typ. Wie Nebel, dachte ich bereits beim ersten Mal, als ich sie sah. Das war an einem heißen Augusttag vor vielen Sommern, lange Zeit bevor ich ins Wohnheim gezogen bin. Hubertsson hatte dafür gesorgt, daß ich ins Freie gebracht und unter den Schatten eines großen Ahorns gestellt wurde, kurz bevor die Ärztekonferenz im Versammlungsraum des Krankenhauses beginnen sollte. Wie zufällig stieß er auf dem Parkplatz mit Christina Wulf zusammen, und wie ganz zufällig überredete er sie, die große Rasenfläche zu überqueren, auf der ich saß. Ihre Pumps sanken tief in das weiche Gras, und als sie auf den Kiesweg gelangte, blieb sie stehen, um zu kontrollieren, ob sich auch keine Erde unter den Sohlen festgesetzt hatte. Erst da bemerkte ich, daß sie Strümpfe trug, trotz der Hitze. Eine nette Bluse, einen halblangen Rock und eine Strumpfhose. Alles in verschiedenen Weiß- und Grautönen. »Deine große Schwester ist so eine Dame, die sich die Hände in Chloramin wäscht«, sagte Hubertsson, bevor er sie mir gezeigt hatte. Oberflächlich betrachtet war das eine gute Beschreibung. Aber nicht ausreichend. Als ich sie das erste Mal sah, erschien sie mir so verschwommen, was Farbe und Form betraf, daß es aussah, als würden die Gesetze der Materie nicht für sie gelten, als könne sie wie Rauch durch geschlossene Fenster und verschlossene Türen gleiten. Einen Augenblick glaubte ich, Hubertssons Hand würde direkt durch ihren Arm greifen, als er ihr sie entgegenstreckte, um sie zu stützen. Was an und für sich gar nicht so außergewöhnlich wäre. Wir vergessen immer wieder, daß das, was wir Naturgesetz nennen, nur unsere einfältigen Ansichten von der Wirklichkeit sind, die doch viel zu kompliziert ist, als daß wir sie verstehen könnten. Wie beispielsweise die Tatsache, daß wir in einer Wolke von Teilchen leben, denen die Masse fehlt, von Photonen und Neutronen. Und daß die gesamte Materie - auch die im menschlichen Körper - zum größten Teil aus einem Vakuum besteht. Der Abstand zwischen den Teilchen der Atome ist ebenso groß wie der Abstand zwischen einem Stern und seinen Planeten. Eine Oberfläche und Festigkeit entstehen also nicht durch die Teilchen an sich, sondern durch das elektromagnetische Feld, das sie zusammenhält. Die Quantenphysik hat uns außerdem gelehrt, daß das allerkleinste Element der Materie nicht nur ein Teilchen ist. Es ist außerdem eine Welle. Gleichzeitig. Und darüber hinaus haben einige davon die Fähigkeit, sich zur gleichen Zeit an verschiedenen Stellen zu befinden. In einer Mikrosekunde probiert das Elektron seine möglichen Positionen aus, und während dieses einen Augenblicks sind alle diese Möglichkeiten wirklich. Das heißt: Alles fließt. Wie bekannt. Vor diesem Hintergrund gesehen, ist es nicht weiter erstaunlich, daß einige von uns die Gesetze der Physik durchbrechen können. Aber als Hubertssons Hand Christina erreichte, während sie auf einem Bein stand und ihre Sohle begutachtete, zeigte es sich, daß sie feste Konturen hatte, wie alle anderen Menschen auch. Seine Hand ergriff ihren Arm und blieb dort. Sie ist im Laufe der Jahre nicht weniger durchsichtig geworden; immer noch sieht sie aus, als könnte sie sich jeden Augenblick auflösen und in einer einzigen Bewegung von Wellen Leseprobe
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