Beschreibung
Mit Ranjit Hoskoté, 1969 in Bombay geboren, wird in der Edition Lyrik Kabinett bei Hanser den deutschen Lesern zum ersten Mal ein Dichter vorgestellt, der der neuen Generation der postkolonialen Autoren angehört - und auf Englisch schreibt. Er verbindet die alten Traditionen seiner Kultur mit den westlichen Einflüssen Folklore, Geschichte, Mythologie und modernes Zeitbewusstsein. In den bilderreichen, freien Versen des indischen Dichters und Kunstkritikers Hoskoté kommen die aktuellen Fragen des indischen Subkontinents mit frischer Lebendigkeit und hoher Empfindung zur Sprache.
Autorenportrait
Ranjit Hoskoté, 1969 in Bombay geboren, ist Sekretär des indischen PEN-Clubs. Er hat vier Gedichtbände sowie mehrere Monographien über indische Maler publiziert.
Leseprobe
Auswirkungen der Distanz
Nenn es Vorsehung, wenn der Tag sich dreht
in seinen Scharnieren und das Zimmer mit Licht besiedelt,
dieses Reich der Gefäße und Fensterläden.
Ein Telegramm im Regal bedeutet Hände, die brennen,
weil du nicht geantwortet, nicht bemerkt hast,
daß manche Worte zu stolz sind, dich ihrer Ankunft zu erinnern.
Blau ist die Farbe der Luftpost, der Augen der Eroberer.
Blau, das aus deinem Füller tropft, löst dieses Wagnis aus.
Reise niemals fern von mir; und wenn du es mußt,
finde Treidelpfade, Fährten; folge Omen, von denen Flüchtlinge
hoffen, sie führen sie hin und zurück. Und beim Wegzwiesel
halte an; und wenn du in der Dämmerung kletterst,
irgendwo, wende dich an die Unruhe dieses Herzens,
die unbeantwortete Wildheit dieses Herzens.
Gewirr
In memoriam Francis Bacon (1909 - 1992)
Wer malt Gras als kannibalischen Schatten des Haars?
Wer malt Wasser, als wär es ein Aussätziger,
in Schwarz verhüllt? Wer kann sich zurücklehnen
und kalten Augs einen Tisch mit Säufern verdammen,
das Gesegnete und das Verfluchte ankreiden?
Wer, der in Torwegen schlurft, kann jedermanns,
Schachmeisters oder Lümmels, Schicksal erhaschen?
Er kann es, dessen Spielerhand das Leben
als eine Reihe von Stoppeln um eine Wunde betrachtet.
Er weiß, daß jeder Mund schreit, wenn die Plastiken
der Lust explodieren: Kardinal und Warzenschwein
sind in ein Brennen vernäht, dreck-befleckte Haut,
und selbst vergoldete Engel bäumen sich geröstet auf,
ein Gewirr raren Fleisches, vom Teller zu gabeln,
eine Wiege voller Knochen.
Alibi
Wisch deine Fingerabdrücke aus der Luft,
spül den Becher, aus dem du
letzte Nacht deinen Kaffee trankst.
Reinige den Fensterblick
mit einer vorgezogenen Plüschgardine,
die Wolke und Himmel und Berg entfernt.
Schneide das Foto aus dem Rahmen,
greif dir das rote Haarband vom Onyxkrug,
die Brillengläser vom Schreibtisch.
Bedecke deine Fußspuren.
Geh durch Wasser.
Du warst niemals hier.
Altamira
Der Morgen quillt wie Blut
in der Augenhöhle des Hirschs.
Priesterin, dein ist dieses Geweih-Vlies;
mir gehört jene Steinaxt.
Die Minotaurusmaske will ich nicht länger tragen.
Ich hab die ganze Nacht gebraucht,
diesen Knochenring für dich zu schnitzen:
drück deine Hand in Zinnober
auf diesen Fels und heute werden
Feuerfunken den brüllenden Wind wahn-
sinnig anstacheln. Dein Name schwillt
in meinem Mund. Halte mich
mit dem Blutschwall deines Haars,
mit den Riffeln deines langen Rückens.
Reliquienschrein
Dieser Altar sandte seit tausend Jahren
keinen Rauch mehr empor.
Wir klettern an Grasspritzern vorüber, Wiese für Möwen
über den Krypten des Knochenvolks.
Nichts hat die harten, steinalten Gesichter der Klippen
verändert: sie spucken noch immer in die Augen des Meeres.
Der türkisblaue Flügel, das peitschende Segel
brassen diese Insel gegen Sprühnebel
und Salze, welche die Haken und Fernrohre korrodieren,
die wir mitbrachten wie verspätete Einfälle.
Weberschiff und Egge verwurzeln den gerodeten Fels,
Netz und Nadel schließen ihn ein;
der Delphin taucht nach Sagas, der Rabe
ist ein schwarzer Instinkt. Gemeinsam werden wir
Sonne in die tosenden Ankerwunden des Riffs füllen;
gemeinsam werden wir hinaufsteigen
zum verkohlten Brachland
und unsere Nacktheit entfachen.
Leuchtturm
Leuchtturm, dei ... Leseprobe
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