Sternennebel

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453520448
Sprache: Deutsch
Umfang: 415 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 18.7 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

In seinem neuen Roman erzählt der gefeierte Autor von "Sternenstauba€oe von der Besiedlung des Planeten Nebel-2, die zunächst euphorisch, doch dann immer schwieriger verläuft: Denn unter den Kolonisten von der Erde bilden sich schon bald zwei Fraktionen, die sich mit allen nur erdenklichen Mitteln bekämpfen - und damit die Existenz ihrer neuen Welt gefährden.

Leseprobe

Reise

Petja

Salz ist kristallen, zusammengesetzt aus Natrium und Chlor; facettiert und klar. Einfach und rein. Welches Leben gäbe es ohne Salz? Bekannt ist es als Gottes Diamant, und es soll uns bewusst machen, wie unendlich variabel die Größenverhältnisse aus göttlicher Sicht sind. Dieses winzige Fragment Halit, es ist ein Pünktchen, ein Atom; aber verloren sein, übersehen werden oder ungezählt bleiben kann es für Gott niemals. Jedes Gran ist eine Landschaft, eine Welt. Es ist ein prächtiger Fels, ein Diamant, groß wie ein Berg, ein gewaltiger Würfel aus Eis. Darin eingeschlossen sind wollige Mammuts, grimassierende Männer in Fellen und Häuten, Gebäude, Autos, Bäume, und alles steht in einem bestimmten Winkel zueinander. Die Oberfläche der Welt ist ein Laken, plan wie polierter Kunststoff; glatt wie Glas.
Und Salz vereint das Gute und das Böse, Yin und Yang, Gott und Teufel. Nehmen Sie Natrium, die Würze des Lebens! Ohne Natrium könnte das Körpergewebe kein Wasser halten. Fehlendes Natrium würde zum Tode führen. Unser Blut ist eine Suppe aus Natrium. Und dann das Metall - so weich ist es, dass Sie es wie Wachs zwischen den Fingern kneten können; es ist weiß und perlig, wie der Mond in einer klaren Nacht. Werfen Sie es ins Wasser, und es nährt sich gierig von den Wellen; es verschlingt den Sauerstoff und befreit den Wasserstoff mit solcher Heftigkeit, dass es entflammt und verbrennt. Natrium ist der Stoff, aus dem die Sterne sind. Natrium ist das Metall, das, in rokokohaften Schnörkeln, Kopfstütze und Armlehnen von Gottes Thron überzieht.
Aber das Chlor! Chlor ist grün, gasförmig und giftig wie die Schwaden der Hölle. Es bleicht, es brennt, es erstickt, es tötet. Es ist schwerer als Luft und sinkt herab, wallt hinab in die Hölle, aus der es kam. Und dann wir, Sie und ich, die wir zwischen Himmel und Hölle schweben. Wir sind salzig.
Wir waren siebenunddreißig Jahre unterwegs gewesen. Nicht eingerechnet die achtzehn Monate, die wir benötigten, uns im Erdorbit zu sammeln und langsam mit den Steuertriebwerken zu beschleunigen, bis wir in eine elliptische Bahn um unseren Kometen eingeschwenkt waren. Auch nicht die beiden Wochen, die wir damit verbrachten, uns an jener dampfende Eiswelt zu verankern; unser Kabel zu befestigen (mein ursprüngliches Spezialgebiet); die Brenner, die zwölf Haupttriebwerke in einem Zodiakalring um das Zentralkabel zu montieren und uns dann mit den Steuertriebwerken endgültig auszurichten.
Unser Komet, Brennstoff und Prellbock zugleich, nahm langsam Geschwindigkeit auf. Dahinter wir, am Kabel angehängt, elf kleine Heimstätten, wie Muscheln an der Halskette eines Kindes. Wissen Sie, wie lange wir brauchten, bis wir Reisegeschwindigkeit erreicht hatten? Über ein Jahr lang beschleunigten wir mit 1,1 ge. Ein Jahr unter Schwerkraft, in dem keine Hibernation möglich war; ein Jahr im Wachzustand, zusammengedrängt mit unseren Schwestern und Brüdern, unseren Kindern, unseren Freunden und Feinden, unseren Geliebten und Verflossenen. Ein Jahr, in dem wir uns eingesperrt und schwer vorkamen, nach Schweiß stanken und nach Scheiße; ein Jahr, in dem wir wiederaufbereitete Nahrung zu uns nahmen. Ein Jahr der Spiele, der Gespräche und der Meditation, ein Jahr, in dem wir nichts taten und in dem es nichts zu tun gab, außer darauf zu hoffen, dass unser Komet uns zu der schönen neuen Welt führen würde.
Und sich natürlich Sorgen zu machen, weil schließlich viel schiefgehen kann. Ein Komet kann Risse bekommen, wie ein Juwel unter einem Hammer auseinanderbrechen. Wie gekonnt das Kabel auch befestigt ist, es könnte schadhafte Stellen aufweisen, was zu Materialermüdung führen und es schließlich unter dem Zug der Beschleunigung losrütteln könnte. Und in diesem Fall (ich habe Aufzeichnungen gesehen) explodiert der ganze Eisweltling schlicht und einfach und fliegt auseinander wie ein Schneesturm aus Papier, wie ein Sturm aus - nun ja, Salz. Wenn dann die B ...