Der frühe Wurm hat einen Vogel

Vermischte Schriften. Band I

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492302364
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 2.6 x 19.1 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Wenn alle anderen joggen, bleibt Österreichs erfolgreichster Kabarettist auf der Couch. Anstatt in Aktien zu investieren, gibt er sein Geld für gutes Esses aus, und wenn er viel Arbeit hat, geht er seinem Hobby nach. Nicht aus Faulheit. Nein: aus purer Angst davor, vom frühen Vogel gefressen zu werden - so wie es dem Wurm passiert ist.

Autorenportrait

www.niavarani.at

Leseprobe

Die erste Geschichte   Dies ist also die erste Geschichte. Diese erste Geschichte schreibe ich nur aus einem einzigen Grund: Man hat mir abgeraten, mit der zweiten Geschichte zu beginnen. Ich selbst hätte nichts dagegen gehabt, aber von Seiten des Verlages meinte man, es würde ein wenig Verwirrung stiften, mit der zweiten Geschichte zu beginnen und dann erst als zweite Geschichte die erste Geschichte zu bringen. Wobei ich ja gestehen muss, ich habe keine erste Geschichte. Ich leide nämlich seit einiger Zeit an einer offensichtlich unheilbaren Krankheit: Ich kann nichts schreiben. Ganz ehrlich: Ich habe überhaupt keine Geschichten. Also im Kopf habe ich sie sehr wohl, aber nicht im Computer. Noch nicht. Ich habe schon eine Kieferknochenentzündung vorgetäuscht, um den Abgabetermin verschieben zu können. Zu allem Überfluss habe ich dann wirklich eine Kieferentzündung bekommen. Psychosomatisch sozusagen. Die Vortäuschung der Krankheit hatte einen umgekehrten Placebo- Effekt und so litt ich acht Wochen lang an unbändigen Schmerzen in meinem rechten Oberkiefer. Umgekehrt hat das leider nicht so gut funktioniert. Die Kieferknochenentzündung ließ sich zwar her-, aber nicht wegdenken. Zwei Wochen Antibiotika und entzündungshemmende Medikamente waren die Folge. Was lernen wir daraus? Man soll nur schmerzfreie Krankheiten erfinden, um Termine zu verschieben. Schnupfen, Fieber, eine Nierenkolik. Wobei die wahrscheinlich auch zu schmerzhaft ist. Liebe LeserIn, ich befürchte, das Buch, das Sie gekauft haben, ist leer. Ich kann Ihnen das zum jetzigen Zeitpunkt nicht hundertprozentig sagen, aber wenn es mit mir und meiner Schreibblockade so weitergeht, dann gibt es für Sie nichts zu lesen. Ich habe schon überlegt, ob es nicht einen anderen Weg gäbe, die Geschichten in meinem Kopf unter die LeserInnen zu bringen, aber nachdem es noch sehr lange dauern kann, bis wir in der Lage sind, Gedanken zu lesen, scheint es keinen anderen Ausweg zu geben: Ich muss schreiben. Oder auf die Bühne gehen. Aber deswegen schreibe ich ja, damit ich nicht auf die Bühne muss. Sie können das Buch aber auch gleich weglegen, wenn Sie wollen. Und in drei Wochen wieder reinschauen, vielleicht hab ich bis dahin etwas zustande gebracht. Ich habe ohnehin schon die letzten Tage in Ihrer Handtasche verbracht. War ganz nett übrigens. Möchte mich noch bei Ihnen bedanken, dass Sie mich nicht in der Toilette abgelegt haben, sondern mit mir unterwegs sind. Können Sie sich noch erinnern, liebe LeserIn, wie wir uns das erste Mal getroffen haben? Sie sind in der Buchhandlung gestanden und haben mich durchgeblättert. Sie haben wunderschöne Hände. Wie sehr ich es in diesem Moment bereut habe, nichts geschrieben zu haben und Sie enttäuschen zu müssen. Ich schwöre Ihnen, ich werde schreiben. Ich werde alles versuchen, um Ihnen Freude zu bereiten. Also dann. Ich schreibe jetzt. Oder kann ich Ihnen vielleicht auf eine andere Art Freude bereiten? Wollen Sie einen Strauß Rosen oder eine Bonboniere? Ja, eine Bonboniere ist vielleicht gar keine so schlechte Idee. 'Der frühe Wurm hat einen Vogel' - lauter kleine Milchschokowürmer, die von Vögeln aus Bitterschokolade aufgepickt werden. Das wär doch was! Aber woher nehmen jetzt? Unglaubwürdig. Okay. Okay. Ich seh schon, Sie haben ein Buch gekauft und Sie wollen ein Buch. Aber Buch hin, Buch her, ich kann nicht schreiben. Keine Ahnung, woran das liegt. Intellektuelle Impotenz. Im Kopf funktioniert es wunderbar, aber kaum gehts um was, versagt mein primäres Schreiborgan und ich liege reglos auf der Couch. Und denke mir, ich sollte mich ein wenig bewegen, der Gesundheit zuliebe. Wobei das mit der Bewegung ist ja nur eine Sache des Bezugssystems. Bewegung ist nur relativ zu einem Bezugspunkt nachweisbar. Wenn ich auf der Couch liege, bewege ich mich sogar sehr schnell. Und zwar mit der Erde, die sich mit circa 1.240 km/h um ihre eigene Achse dreht. Wenn ich jetzt noch einen Sc

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