Beschreibung
Ein Rückblick auf den X. Internationalen Bonhoeffer Kongress in Prag Vom 22. bis 27. Juli 2008 fand in Prag der X. Internationale Bonhoeffer Kongress statt. Unter dem Thema 'Dietrich Bonhoeffers Theologie in unserer heutigen Welt - ein Weg zwischen Fundamentalismus und Säkularismus?' beschäftigten sich die Bonhoefferforscherinnen und -forscher aus der ganzen Welt mit der Relevanz von Bonhoeffers Theologie im Spannungsfeld zwischen (religiösem) Fundamentalismus einerseits und dem völligen Fehlen jeglicher Religiosität als Kennzeichen der Gegenwart andererseits. Der Band umfasst die Hauptvorträge des Kongresses, u.a. von Jürgen Moltmann, Reinhold Mokrosch, Clifford Green und John W. de Gruchy, sowie ausgewählte weitere Vorträge des Kongresses.
Autorenportrait
John W. de Gruchy ist Professor em. für Christian Studies an der Universität Kapstadt, Südafrika. Er ist Mitherausgeber der amerikanischen Ausgabe der Dietrich Bonhoeffer Werke.
Leseprobe
Theologie mit Dietrich Bonhoeffer Die Gefängnisbriefe Dietrich Bonhoeffer ist zweifellos der bekannteste deutsche Theologe des 20. Jahrhunderts. Er ist ein Vorbild für viele im aktiven Widerstand gegen Diktatur und Unterdrückung in Korea, in Südafrika, in Nicaragua und vielen anderen Orten des Leidens. Durch sein Martyrium im KZ Flossenbürg am 9. April 1945 wurde er zu einem glaubwürdigen Theologen, der lebte, was er verkündete. Wir wollen heute nach der Bedeutung seiner Theologie fragen, denn seine Schriften werden in Deutschland nach 50 Jahren immer wieder aufgelegt. Sie sind in viele Sprachen übersetzt und begeistern Theologiestudenten - und nicht nur sie - immer aufs Neue. Sie sprechen offensichtlich zahllose Menschen über die verschiedenen Räume und Zeiten hinweg an. Worin besteht das faszinierende Geheimnis seiner Theologie? Ich beginne mit persönlichen Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit Bonhoeffers Theologie. Ich will auch beschreiben, wo er mich angeregt hat und was ich ihm verdanke, und nicht verschweigen, wo ich andere Wege gegangen bin. Ich spreche nicht über "Theology after Bonhoeffer" oder "beyond Bonhoeffer", sondern über: Theologie mit Dietrich Bonhoeffer, denn ich halte seine Einsichten in den Gefängnisbriefen 1943/44 nicht für überholt, sondern im Gegenteil für höchst aktuell und von der gegenwärtigen Theologie durchaus noch nicht eingeholt. 1. Erste Begegnungen mit Bonhoeffers Theologie Ich kam mit 18 Jahren für drei Jahre in englische Kriegsgefangenschaft. 1946 hatte ich das Glück, nach Norton Camp, Nottinghamshire, gebracht zu werden. Das war ein Ausbildungslager für Lehrer und evangelische Pfarrer für das Nachkriegsdeutschland. Es gab eine "Theologische Schule hinter Stacheldraht". Ich habe dort das Abitur nachgemacht, Hebräisch gelernt und ein Semester Theologie studiert. Theologie war mir gänzlich neu, denn die Tradition meiner säkularen Hamburger Familie waren die Freimaurer und die 1. Eröffnungsvortrag des X. Internationalen Bonhoeffer Kongresses 2008. Der Vortragsstil wurde beibehalten. Jugendbewegung. Im April 1948 wurde ich repatriiert. In jenem Lager kam mir zuerst Bonhoeffers Nachfolge in die Hände, 1945 "nachgedruckt auf Veranlassung der Kriegsgefangenenhilfe des Weltbundes der Christlichen Vereine junger Männer" und ein "Geschenk der ökumenischen Kommission für die Pastoration der Kriegsgefangenen" in Genf. Ich habe das Buch heute noch. Dann kam Gemeinsames Leben auf demselben Weg in unser Lager. Ich gestehe, dass ich nicht beeindruckt war. Die Sprache war sehr kirchlich, mir als Fremdling also schwer zugänglich. Das "Gemeinsame Leben" war mir zu eng, denn ich hatte vom Gemeinschaftsleben in Kasernen, Schützengräben und Gefangenenlagern die Nase voll. Ich suchte viel mehr die Einsamkeit und wollte endlich die Freiheit zum eigenen Leben. Darum überzeugten mich diese Schriften des kirchlichen Bonhoeffer nicht. Ich war in meiner existentialistischen Phase und lebte geistig mit Kierkegaard mehr "verzweifelt" als "dennoch getrost". Ich fand aber in meiner Bibliothek einen noch früheren Hinweis auf Bonhoeffer, den ich nach Bleistiftunterstreichungen durchgearbeitet haben muss. Im Dezember 1945 veröffentlichte Willem Visser't Hooft in jener "Pastoration der Kriegsgefangenen" eine kleine Schrift: "Das Zeugnis eines Boten. Zum Gedächtnis von Dietrich Bonhoeffer". Sie enthält seinen Lebenslauf, Erinnerungen von Visser't Hooft und Fabian von Schlabrendorff, Auszüge aus Nachfolge und Gemeinsames Leben, Gedichte und am Schluss jenen Brief vom 21. August 1944 über die "Diesseitigkeit des Christentums". "Später erfuhr ich und erfahre es bis zur Stunde, daß man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt". Dieser Satz muss mich dort im Gefangenenlager berührt haben, denn wir existierten dort etwas "excluded from time and world", wie mein Freund Gerhard Noller schrieb. Wir hungerten nach der vollen Diesseitigkeit des Lebens. Während meines anschließenden Studiums i Leseprobe