Beschreibung
Gideon Böss schaut sich zwischen Alpen und Nordsee um, ob auch etwas für seine bislang unerlöste Seele dabei ist. Die Auswahl ist groß, vielfältig - und sehr unterhaltsam. 'Ein ungewöhnlicher Deutschlandführer und ein wichtiges Buch zum Verständnis unseres Landes. Man liest und staunt und fühlt sich bestens unterhalten. Unbedingt lesen!' Feridun Zaimoglu Längst haben wir in Deutschland amerikanische Verhältnisse. Zumindest was die religiöse Vielfalt angeht. Neben den Platzhirschen katholische und evangelische Kirche gibt es längst ein multikulturelles Durcheinander der verschiedensten Gottheiten. Magische Wölfe, verheiratete Hexen, gutmütige Aliens, fernöstliche Buddhas und ein lebendiger Johannes der Täufer. Egal welche Art der Seelenrettung dem Einzelnen zusagt, er wird für jede einen Anbieter finden. Gideon Böss reist durch das ganze Land, um sich mit Mitgliedern der verschiedensten Gruppen zu treffen und sich ihre Weltsicht erläutern zu lassen. Dabei entsteht eine kurzweilige und doch informative Momentaufnahme darüber, wie knapp fünfhundert Jahre nach Luther im Land der Reformation geglaubt, gebetet und gehofft wird.
Autorenportrait
Gideon Böss publiziert seit seinem Studium in verschiedenen Zeitungen, u. a. in Cicero und Focus. Seit 2008 schreibt er für DIE WELT die Online-Kolumne »Böss in Berlin«. Im Jahr 2014 erschien sein Roman »Die Nachhaltigen«. Er glaubt an keinen Gott, würde ihn aber trotzdem gerne mal kennenlernen. Seine Homepage finden Sie unter: www.gideonboess.de
Leseprobe
Wicca Wer durch dieses Wohnzimmerfenster schauen würde, jetzt, um kurz vor Mitternacht würde nicht nur eine Frau in grüner Robe sowie fünf Altäre bemerken, auf denen Tierfiguren, Knochen, Kessel und Kerzen liegen, sondern vor allem einen Mann, der ein Schwert in die Höhe reckt. Was der Schwertkämpfer aber sagt, kann nur ich hören. Denn ich sitze vor ihm, eingeklemmt zwischen Vogelfedern und drei Tonfiguren mit aufgemalten Gesichtern. Er hat einen Vollbart und Bauchansatz, ist etwa vierzig Jahre alt, heißt Thomas und arbeitet als Informatiker in einem kleinen Unternehmen. Außerdem ist er Hexe. In letzterer Funktion erläutert er mir gerade, welche Schutzschilder jeder Mensch gegen böse Zauber hat. 'Wenn du nicht an Hexerei glaubst, ist ein Schadenszauber wirkungslos. Wenn du nicht weißt, dass jemand einen Schadenszauber gegen dich ausgesprochen hat, ist er auch wirkungslos und wenn du nicht findest, dass er berechtigt ist, ist er ebenfalls wirkungslos!' Thomas sitzt auf dem Sofa und spricht mit einer beruhigenden Stimme, wie wenn ein Chefarzt eine Diagnose erläutert. Er wollte mir damit die Aufregung nehmen. Wobei mich die Auswirkungen von Schadenszauber ohnehin weniger nervös macht als sein Schwert. Ein echtes Schwert. Schwerter unterscheidet ganz erheblich von Zaubern, dass es Eisen egal ist, ob man an Eisen glaubt oder nicht. 'Und noch etwas', fährt er fort, 'willst du, dass wir auch Göttin und Gott in unseren Kreis rufen oder ist dir das zu viel?' 'Was machen die beiden?' 'Ganz kurz gesagt: Die Göttin hat das Universum erschaffen und Gott ist ihr Begleiter.' 'Ja, dann absolut, sie sollen auch kommen!' Thomas nickt und Nina, seine Frau, nickt auch. Sie trägt zur grünen Robe noch ein auffälliges Pentagramm als Halsschmuck. Sie ist etwas jünger als ihr Mann, dafür aber stilsicherer gekleidet. Thomas hat sich für Jeans und rotes Hemd entschieden und sieht genau so zivil aus wie ich mit Jeans und blauem Hemd. 'Eines noch', meint Thomas, 'es kann sehr gut sein, dass du nach der ersten so intensiven Begegnung mit Göttern und Elementen unruhig bist und nicht schlafen kannst. Iss und trinke dann noch etwas. Das hilft. Nicht dass du sonst am nächsten Morgen völlig erschöpft, mit Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen aufwachst.' 'Ist das dein Tipp gegen Götterkater?' 'So kann man es sehen', lacht Nina. Überhaupt ist die Stimmung erstaunlich locker. Beiden nehmen ihren Glauben ernst, was aber Kichern und Lachen weder während der Vorbereitungen noch während der Durchführung der Rituale ausschließt. Dann geht es los, mein erstes Hexenritual. Um einen besonderen Bezug zu mir herzustellen, hatten meine Gastgeber entschieden, dass mein Buch im Mittelpunkt des Rituals stehen soll. Es wird einen Zauber geben, der mir bei der Fertigstellung helfen soll. Meine Gastgeber sind Hexen und gehören der Glaubensrichtung Wicca an. Diese Unterscheidung ist in etwa die gleiche wie bei einem Christen, der auch einer speziellen Richtung angehört. Hexe zu Wicca ist wie Christ zu Katholik (zum Beispiel). Im Gegensatz zu den Christen sind die Hexen aber ein scheues Volk. Woran jedoch das Jahrhunderte lange Mobbing durch das Christentum einen erheblichen Anteil hat. Bevor ich den ersten Hexen gegenüberstand, gab es deswegen eine wesentliche Hürde zu nehmen: Finde ich überhaupt welche? Es gibt kein organisiertes Hexentum mit heiligen Tempeln und einer festen Organisationsform. Es gibt keinen Zentralrat der Hexen, keine Pressestelle und keine PR-hungrigen Vorzeigehexen. Es gibt eigentlich gar nichts. Also fast nichts. Deswegen führt der Weg ins Hexentum übers Internet. Bald fand ich mehrere Homepages, auf denen sich Menschen als Hexen vorstellten, aber wenig Bereitschaft zeigten, darüber zu sprechen oder sogar direkt vor dem ganzen Thema warnten, wie in dieser E-Mail: Über den neuheidnischen Hexenkult wollen Sie schreiben . Es wird nichts nützen, wenn ich Ihnen rate, die Finger von diesem teilweise wirklich gefährlichen Unsin Leseprobe
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Woran in Deutschland so alles geglaubt wird>