Nach den Diskotheken

Gedichte, Reihe Lyrik 17

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783937445410
Sprache: Deutsch
Umfang: 80 S.
Format (T/L/B): 0.8 x 21 x 13.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

'Wenn ich tanze, gelange ich intuitiv von einer Bewegung zur nächsten. Während ich noch überlege, wie ich aus dieser Position, jener Haltung, aus dem und dem Schritt wieder herauskomme, ist der Körper von alleine draufgekommen. Er hat sich orientiert, während ich >Orientierung< dachte, oder sie definierte. Tanzen ist, als redete man in einer Fremdsprache, die gleichzeitig die Muttersprache ist. Man hört sich selbst beim Reden zu, korrigiert noch vor dem Aussprechen die Grammatik und sucht manchmal nach der richtigen Vokabel, ähm, ähm, aber gleichzeitig redet man unkontrolliert und ungebändigt, wie einem die Sprache eben gewachsen ist. Wörtersturzfluss und wohlüberlegtes Geschreibsel, meine mir angeborene, dritte Fremdsprache. Beim Tanzen wie beim Schreiben bin ich auf Autokorrektur geschaltet, ein sinnvolles Prinzip. Jede Veränderung, jedes Weitermachen, ist zugleich gewachsene Entwicklung und Ausmerzen eines unguten Ansatzes. Man denkt die Sprache, während man in der Sprache denkt. Man tanzt die Bewegung, während man in der Bewegung tanzt. Was tue ich, wenn ich schreibe? Vielleicht, dachte ich, während ich mit dem Oberkörper einen Kreis in der Horizontalen beschrieb und anschließend mich selbst durch diesen Kreis, als wäre es ein Reif, zu Boden stürzen ließ, ist das alles nur ein gigantischer Selbstversuch. Das Tanzen, das Schreiben, ein Versuch in, ja! physischer Reaktion. Ich untersuche Masse, Beschleunigung, Bremsweg, Haftreibungszahl der Wörter und des Körpers.' Martina Hefter Nach drei erfolgreichen Romanen erscheint mit 'Nach den Diskotheken' endlich Martina Hefters lange erwarteter erster Gedichtband.

Autorenportrait

Martina Hefter, geboren 1965 in Pfronten/Allgäu, absolvierte eine Ausbildung in klassischem und zeitgenössischem Tanz in München und Berlin und studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Neben der literarischen Arbeit Beschäftigung mit tänzerischen/choreographischen Projekten an der Schnittstelle von Text und Bewegung. Sie zeigte und konzipierte zusammen mit dem Autor Mathias Traxler die Performance 'Martina Hefter und Mathias Traxler' und entwickelt den fortlaufenden, getanzten 'Vortrag über Schreiben'. Im Herbst/Wintersemester 2009/10 ist sie Gastdozentin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Martina Hefter wurde unter anderem mit dem London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds und dem Hermann-Lenz-Stipendium ausgezeichnet. Für eine Auswahl ihrer Gedichte erhielt sie 2008 den Lyrikpreis Meran. Nach den Romanen 'Junge Hunde', Alexander Fest-Verlag 2001, 'Zurück auf Los', Wallstein 2005, und 'Die Küsten der Berge', Wallstein 2008, ist 'Nach den Diskotheken' Martina Hefters erster Gedichtband.

Leseprobe

'Werden wir durchsichtig sein füreinander?' Man spürt sich überall gegen den Abend. Der Zustand ist Zelt, ein Gartenzelt, blauweiß gestreift, darin eine Sommergesellschaft auf Stühlen, zierlich, Menschen und Blumen, Blumen und hingestreut im Winter silbrige Blättchen, werden wir durchsichtig sein? Kranich Meine Freunde, Tänzchen, ihr lieben Verschwender von Geld, Gefüge, Gelenk, verehrte, grünschillernd, Verbieger, habe lang nachgedacht, ob ich schlecht denke von euch. Tanzende denken kein Denken, und Kraniche können nicht tanzen, o Lord. Ich denke mir lieber das Denken als Fluss, im Ufergestrüpp ein 'darum' tanzender Kranich. Rangezoomt in den dösigen Augenspalt: Labyrinth, Minotaurus, Theseus' Staksgang am Faden. Nehmt, Tänze, was euch gehört, mein Wiegen, den Binsenschwung, die Schilfähnlichkeit, wenn zwischen Stoppelgrasufern und Halmengrab das Denken in Einsamkeit schlingert. Platon sagte, Tanz ahme menschliches Sprechen nur nach. Wer nicht gut sprach, tanzte sich eben den Kranich.