Beschreibung
Siebenunddreißig Kilometer bis zum nächsten Supermarkt, sechzig Kilometer bis zum Videoverleih, und wo sollen die Kinder zur Schule gehen? Es gibt nur eine Gemeinschaftsschule, eine Zwergschule. Und überhaupt: Ist das Leben in der Natur - in der Wildnis - nicht gefährlich? Die Schriftstellerin Natsu Miyashita zieht auf Wunsch ihres naturverliebten Ehemannes mit den gemeinsamen Kindern von der Großstadt aufs Land, genauer gesagt in ein Dorf mitten in den Bergen. Bei der Schilderung der kleinen und großen Abenteuer, die die fünfköpfige Familie im Laufe des Jahres in Kamui Mintara, dem 'Spielplatz der Götter', erlebt, kommt natürlich auch all das zur Sprache, was das gewohnte Leben in der gewohnten Umgebung bestimmt - das Alltagsleben im großstädtischen Japan, das sich, wie der Leser bald feststellt, gar nicht so sehr von dem in Hamburg, Köln oder Berlin unterscheidet. Natsu Miyashita berichtet uns mehr vom heutigen Japan, als tausend Romane es könnten, mit viel Liebe und Witz. Und öffnet gleichzeitig den Blick für eine Frage, die uns alle angeht: Wie wollen wir unser Leben gestalten?
Autorenportrait
Natsu Miyashita, geboren 1967 in der Präfektur Fukui, verbrachte 2013/14 mit ihrem Mann und ihren drei Kindern ein Jahr in der kleinen Gemeinde Shintoku auf Hokkaido, 'fernab der Zivilisation'. Der in Tagebuchform gehaltene Bericht der Widrigkeiten und Abenteuer, die die Schriftstellerin auf dem Spielplatz der Götter (2015) erlebte, bildeten die Blaupause für ihren mit dem Japanischen Buchhändlerpreis ausgezeichneten Roman-Millionseller über einen jungen Klavierstimmer in der Provinz (Hitsuji to hagane no mori; >Stahldraht und Filz<, ebenfalls 2015).
Leseprobe
Die Mitteilung, dass wir nach Hokkaido in die Berge ziehen würden, rief verschiedene Reaktionen hervor. Habt ihr's gut, sagten die einen. Was für ein Abenteuer, beneideten uns andere. Ist das wirklich eine gute Idee, fragten wieder andere besorgt. Auch meine Lektorinnen reagierten verschieden. 'Ich besuche euch', sagte die eine und blätterte direkt in ihrem Kalender. 'Ich könnte das nicht', gestand mir die andere. 'Auch wenn ich wüsste, dass es nur einmal im Leben ist und nur für ein Jahr.' Die Meinungen unserer Eltern gingen ebenfalls auseinander. Während die eine Seite die Sache befürwortete - Wie aufregend. Und was für eine tolle Erfahrung für die Kinder!¬ -, lehnte die andere sie kategorisch ab. 'Da gibt's doch Bären. Und in Schluchten stürzen kann man auch überall', hieß es am Telefon. Dabei hatte ich nur den Namen des Dorfes am Fuße des Berges genannt. Wohnen würden wir de facto noch weiter oben. Doch das zu sagen, brachte ich nicht übers Herz. 'Und was soll aus den Kindern werden, wenn dir was zustößt? Die armen Dinger.' Ach so, dachte ich. Wenn einer vom Bären gefressen wird oder in eine Schlucht stürzt, dann ich. 'Also, Bären gibt es dort scheinbar nicht. Und die Straßen sollen so gut befestigt sein, dass man sich keine Sorgen machen muss, irgendwo.' 'Und was ist mit der Schule?' wurde ich unterbrochen. 'Wo sollen die Kinder zur Schule gehen?' 'Es gibt eine Schule' (wenn auch nur eine Zwergschule mit nur einem einzigen Mittelschüler). 'Und was ist mit der Prüfung für die Oberschule?!' Entschuldigung, hätte ich am liebsten gesagt, was soll eigentlich dieses Theater wegen der Eingangsprüfung. Stattdessen sagte ich, ohne nachzudenken: 'Wenn er sich anstrengt, klappt's ja vielleicht mit einer Oberschule in Obihiro.' 'In Obihiro?? Bist du wahnsinnig? Das ist tiefste Provinz!' Oh Gott. Wenn Obihiro tiefste Provinz ist, was ist dann Tomuraushi? Darüber wollte ich gar nicht erst nachdenken.