Beschreibung
Die Wiedervereinigung: Was ging, was nicht? Weltweit gibt es kein Referenzbeispiel für das, was 1990 auf die Deutschen in Ost und West zukam: die Wiedervereinigung eines mehr als 40 Jahre geteilten Landes. Wie macht man das? Es beginnt ein Prozess des Aufbruchs - vital, energisch, voller Ideen, aber auch des Irrlichterns, der Widersprüchlichkeiten, Enttäuschungen. Was wird aus dem Eigentum im Osten, was mit den Arbeitsplätzen? Was heißt »Rückgabe vor Entschädigung«? Und - wer zahlt die Zeche? Außenpolitisch steigt der Druck, wird das Zeitfenster enger. Wie lange kann Gorbatschow, der sowjetische Partei- und Staatschef und Befürworter der deutschen Einheit, sich noch halten? Das Buch enthält Interviews mit den ostdeutschen Akteuren der damaligen Zeit. Basis sind Gespräche, die 25 Jahre nach der Wiedervereinigung mit Ministerinnen und Ministern sowie einigen Staatssekretären der letzten DDR-Regierung geführt wurden. Sie alle geben offen, kritisch - auch in Bezug auf sich selbst - und sehr persönlich Einblicke in ein zeithistorisches Kapitel, das zu den ungewöhnlichsten, spannendsten und emotionalsten der deutschen Geschichte gehört.
Autorenportrait
Olaf Jacobs, geb. 1972, Regisseur, Film- und Fernsehproduzent. 1993-1995 Redakteur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 1996 Mitgründung der Hoferichter & Jacobs GmbH, seit 1999 alleiniger Geschäftsführer. Zudem Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten und Hochschulen, seit 2014 Honorarprofessor am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Jacobs ist Mitglied der Deutschen und der Europäischen Filmakademie.
Leseprobe
Was war das für ein Moment, als Sie zum ersten Mal in Ihr Ministerium kamen? Wie ist man Ihnen da begegnet? Diese Leute waren doch die personifizierte Macht des alten Staates Ja. Aber diese Leute haben mir zugehört, haben nicht versucht, irgendwie Widerstand zu organisieren, weil sie vielleicht in ihren Familien auch Menschen hatten, die so gedacht haben wie ich. Man muss sich auch erinnern, dass die Polizei ja aus diesen Wendemonaten nicht ganz ungerupft herausgekommen ist. Mir ist dann Unmoral vorgeworfen worden, weil ich keine Generäle rausgeschmissen habe. Das konnte ich doch einfach gar nicht. Ich konnte doch nicht mit Eppelmann und den Pastoren und den Friseuren und den Tierärzten Sicherheit organisieren oder mit den durchgeknallten Weibern von Bündnis 90/Grüne, das ging einfach nicht. Auch Sicherheit zu organisieren ist ein Handwerk. Das muss man gelernt haben. Ich habe die Kampfgruppen entwaffnet, ich habe die Polizei, ich habe die Grenzgruppen entwaffnet und so weiter und so fort. Alle diese Waffen sind nie benutzt worden, nicht ein einziges Mal. (Gespräch mit Peter Michael Diestel, ehemaliger Innenminister)