Beschreibung
Eine Frau bekommt eine Nachricht auf Facebook. Sie ist Radiomoderatorin und Denis ein Bewunderer, dessen Freundschaftsanfrage sie angenommen hat. Zögerlich lässt sie sich auf den Austausch ein und es beginnt eine Eskalation, uber die sie von Anfang an keine Gewalt hat: Seine erst anbiedernd verehrenden Nachrichten werden immer aufdringlicher, schließlich offen sexistisch und rassistisch. Als sie sich von ihm distanziert, beginnt Denis, sie zu demutigen, ihr bei der Arbeit nachzustellen und Geruchte uber sie zu verbreiten. Freunde und Kolleginnen, Polizei und Anwälte reagieren hilflos oder mit Unverständnis, während das Leben der Erzählerin langsam zerstört wird. Schließlich nimmt sie Rache - und wird selbst zur Täterin erklärt. 'Rote Augen' ist ein Roman, der einen nicht mehr loslässt: Mit dem Kunstgriff einer Erzählerin, die durchgehend in indirekter Rede berichtet und somit nur daruber charakterisiert wird, was andere uber sie sagen, macht Myriam Leroy die Machtlosigkeit und Isolation spurbar, der Opfer digitaler Gewalt ausgesetzt sind und die sie selbst erlebt hat. Sie zeigt: Der Frauenhass, der sich in den sozialen Netzwerken Bahn bricht, ist kein Online-Phänomen - sondern ein höchst realer Albtraum.
Autorenportrait
Myriam Leroy, geboren 1982, ist eine belgische Journalistin, Regisseurin und Schriftstellerin. In ihrer Arte-Dokumentation #salepute/#dreckshure (2021, mit Florence Hainaut) hat sie Opfer von Cybermobbing interviewt. 'Rote Augen' ist ihr zweiter Roman, er stand auf der Shortlist des Prix Médicis 2019, des Prix Blù Jean-Marc Roberts und des Prix Révélation SGDL. Ihr Debutroman 'Ariane' (2018) war fur den Prix Goncourt du premier roman nominiert; zuletzt erschien 'Le mystère de la femme sans tête' (2022). Myriam Leroy lebt in Brussel. Daniela Högerle, geboren 1975, studierte Romanistik, Kunstgeschichte und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. Sie hat in Frankreich und in Belgien gelebt, seit ihrem Studium arbeitet sie freiberuflich als Fachübersetzerin. 'Rote Augen' ist ihre erste literarische Übersetzung.
Leseprobe
Er heiße Denis und freue sich sehr, meine Bekanntschaft zu machen. Wir wurden uns nicht kennen. Also, ich wurde ihn offensichtlich nicht kennen, aber er wisse ziemlich gut, wer ich sei. Er sei ein Hörer meiner Radiosendung, der meine Arbeit sehr schätze, sie genau verfolge und fur die er sich sogar als Experte aufspielen könne, LOL, deswegen erlaube er sich dieses Eindringen auf Facebook (und hoffe, dass es mich nicht störe). Er finde mich sehr charmant, ehrlich. Und nicht einfach bloß hubsch. In meinem Blick sei so etwas wie ein Sprung, eine Bruchstelle, er wisse nicht, wie er es ausdrucken solle, aber tief in meinen Pupillen sei etwas, etwas Trauriges, das seine Neugierde geweckt habe. Ich solle ihn auf keinen Fall falsch verstehen, er habe nicht vor, mich anzubaggern. Er sei in einer Beziehung, schon immer und ewig, verheiratet, ja, Zwinker-Emoji, und stolzer Papa eines siebenjährigen Sohnemanns.