1857 beschloss eine Gruppe seriöser Herren ein monumentales Projekt: The Oxford English Dictionary. Simon Winchester beschreibt elegant das Werden dieses siebzig Jahre dauernden Coups. Aber das ist es nicht. Man fiebert die 288 Seiten entlang, weil ein Mann darin auftaucht, der grandioser als jeder andere zum Gelingen dieses Geniestreichs beitrug: Ein gewisser W. C. Minor, Amerikaner, Mörder, Wahnsinniger, Insasse der berüchtigsten Irrenanstalt Englands. Aus seiner Zelle lieferte er Tausende von Beiträgen, die später alle in dem Jahrhundertwerk auftauchten. Ist das nicht herzbewegend? Dass Sprache – egal welche – jeden verzaubern kann: auch Närrische, auch Missetäter, auch die Einsamsten!

 

Das zweite Buch sind Gedichte von Jewgeni Jewtuschenko, einem russischen Schriftsteller. Ich liebe Gedichte, obwohl ich nie welche geschrieben habe. Wohl aus dem einfachen Grund, weil ich es nicht kann. Aber lieben kann ich sie. Warum ich Gedichte immer, nebenbei, lese? Weil ich mit ihrer Hilfe Deutsch lerne, sprich, ich lerne, mich so knapp und klug wie möglich auszudrücken. Umstandskramerische Schreiber machen mich wahnsinnig. Ich will zügig und intelligent als Leser bedient werden. Kein Firlefanz, kein Fett, keine Flechsen sollen wuchern. Sprache soll schlank sein, biegsam, elegant. Deshalb Gedichte.