Letzten Juni ist die Wiener Dichterin Friederike Mayröcker im Alter von 96 Jahren verstorben. "da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete" ist meine erste Lektüre von ihr gewesen und lässt anhand der Titelgebung bereits erahnen, dass der Modus gegen eine lineare Erzähltradition gerichtet ist. Der Band versammelt ihre Aufzeichnungen aus den Jahren 2017-19 und lässt sich vielleicht am ehesten als eine Art literarisches Tagebuch oder eine Lebensverschriftlichung verstehen. Thematisch geht es um Nature Writing, um den Verfall und die Leibhaftigkeit des eigenen Körpers, Malerei, Kunst und Natur, die zauberhafte Wirkung der Sprache ganz allgemein, in ihrer Dekonstruktion und der erneuten Zusammensetzung in „Wortwucherungen“. Für mich ist das Buch nichts weniger als eine Offenbarung gewesen. Sicher, ihr Stil ist nicht einfach zugänglich, eher sprachlich radikal und blickt neugierig und voller beeindruckender Euphorie auf unsere Welt.
Das Buch ist aber vor allem auch eines über das Alter, ihre steten Lektüren, die Bewunderung ihrer Lieblingsautor:innen und natürlich dem Schreiben selbst, welches untrennbar für sie mit dem Leben verbunden war. Nebst dem tragischen Verlust einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autorinnen des deutschen Sprachraums freue ich mich dennoch sehr, ihre anderen Bücher kennenzulernen.