Kennt ihr das? Wenn ihr voll Fassungslosigkeit nach einem grandiosen Buch einfach aufstehen und applaudieren wollt? Falls dieses Gefühl nicht nur für mich absolut beflügelnd ist, dann möchte ich hiermit eine Liebeserklärung an "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl verfassen. Wir werden direkt ins Geschehen gezogen: Helene, Ehefrau und Mutter von 3 Kindern, steht während eines Abendessens auf und wirft sich, ohne noch einmal zurückzusehen, vom Balkon. Zurückgelassen im Chaos, müssen ihre Tochter Lola und Helenes beste Freundin Sarah eine Lücke schließen, die durch die Rollenbilder unserer Gesellschaft konzipiert wurde. Verloren in einer Welt, die nichts als Erwartungen an Frauen und deren Körper stellt, bleibt nur die wachsende Wut und Sprachlosigkeit über die Verantwortung, die der Tod zurücklässt. Schockierend tagesaktuell erfahren wir aus den wechselnden Perspektiven der tiefgehenden Protagonist-innen den Schmerz, der sich über uns legt und gehört werde muss, wenn wir der Realität ins Auge blicken müssen und unser bisheriges Dasein und Handeln im Angesicht der Trauer hinterfragen.
Fallwickl erschafft nicht nur eine ergreifende Atmosphäre, die lebendiger und echter nicht sein könnte! Sie zeigt Wut, die unendliche Wut über die Zustände dieser Welt. Wie keine Zweite beherrscht sie eine Wortgewalt, die Wörter wie Pfeile in unsere Herzen schießt, nur um uns zu zeigen, dass dort etwas in uns zum Aufbegehren ruft. Was soll ich sagen? Schon nach 30 Seiten wusste ich, dass hier eines der besten Bücher 2022 vor mir liegt. Vielleicht findet man hier zwischen den Seiten keine nette Abwechslung für diese brennende Welt, aber
einen Finger, der sich so lang in unsere Wunden legt, bis die Wut in uns eine Stimme findet.