Dies ist kein Liebeslied

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442456031
Sprache: Deutsch
Umfang: 288 S.
Format (T/L/B): 2 x 18.4 x 11.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Die dreißigjährige, übergewichtige Anne Strelau hat einen Entschluss gefasst: Sie wird nicht länger von Peter Hemstedt träumen, in den sie seit zwölf Jahren unglücklich verliebt ist, sondern alles auf eine Karte setzen und ihre unerwiderte Jugendliebe ein letztes Mal treffen. Vielleicht kann sie dann endlich aufhören zu glauben, dass sie eine Andere werden muss ...

Autorenportrait

Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in der Märkischen Schweiz. Bereits ihr Debüt »Regenroman« war ein sensationeller Erfolg. Auch ihre folgenden Romane »Dies ist kein Liebeslied«, »Die entführte Prinzessin« und »Taxi« waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. Zudem veröffentlichte sie zwei erfolgreiche Sachbücher zu aktuellen Themen. Für ihre Arbeit ist Karen Duve bereits mehrfach ausgezeichnet worden, die Presse feiert sie als »Ausnahmetalent unter den Autoren ihrer Generation« (Stuttgarter Zeitung).

Leseprobe

Mit sieben Jahren schwor ich, niemals zu lieben. Mit achtzehn tat ich es trotzdem. Es war genauso schlimm, wie ich befürchtet hatte. Es war demütigend, schmerzhaft und völlig außerhalb meiner Kontrolle. Ich wurde nicht wiedergeliebt; es gab nichts, was ich tun konnte, um das zu ändern, und bei dem Versuch, selbst nicht mehr zu lieben, wurde ich beinahe verrückt. Wenn man erkennt, daß man den Verstand verliert, ist es das Klügste, die Sache für sich zu behalten und geistige Gesundheit vorzutäuschen, indem man sich wie alle anderen benimmt. Alle anderen hatten Freunde und Sex, sie hatten Berufe, gingen auf Parties und Reisen, und freuten sich fünf Tage lang aufs Wochenende. Also ging ich ebenfalls mit Männern ins Bett und mit Frauen in Bars, scheiterte in diversen Jobs, langweilte mich auf Festen und woanders und schnitzte mir sonntags mit einem Kartoffelschälmesser Muster in die Oberarme. Unterdessen wurde der FC Bayern München achtmal deutscher Meister. Alle Leute, die ich kannte, kauften sich Uhren mit Digitalanzeige und vertauschten ihre Schlaghosen gegen knöchelenge Jeans oder Karottenhosen. Der Iran erklärte die USA zum großen Satan, und MTV startete sein Programm mit >Video killed the Radio Star< von den Buggles. Englische Soldaten marschierten auf den Falklandinseln ein und sowjetische in Afghanistan und amerikanische auf Grenada. Alle Leute, die ich kannte, tauschten ihre Digitaluhren wieder gegen normale Uhren mit Zeiger und Zifferblatt und kauften sich Walkmen. Der Atomreaktor Nr. 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl verteilte seine Spaltprodukte über ganz Europa, und es wurde empfohlen, zwanzig Jahre lang keine Waldpilze mehr zu essen, und zwei Jahre lang aß man tatsächlich weniger Pilze. Die Sowjetunion zog sich wieder aus Afghanistan zurück, und der kalte Krieg ging vorüber; und als schon längst kein Mensch mehr daran geglaubt hatte, fiel die Berliner Mauer. Die Models wurden immer berühmter und immer dünner, die Computer kleiner und das Ozonloch größer, und die Jogger trabten im Sommer nur noch in den frühen Morgen- und späten Abendstunden, und der Mann, den ich liebte, zog nach London. Es gab den Golf-, den Balkan- und den Tschetschenienkrieg, und Amerika intervenierte in Somalia. In Uganda und Liberia und Georgien brachen Bürgerkriege aus, und Aserbaidschan kämpfte gegen Armenien. Und die Schlager handelten weiterhin von der Liebe. Und Männer und Frauen setzten weiterhin Kinder in die Welt und gingen zu Eheberatern und Therapeuten und ließen sich scheiden. Was auch um mich herum geschah, nie hatte ich das Gefühl, irgend etwas davon hätte mit mir zu tun. Die ganze Zeit über hielt ich gewissermaßen den Atem an und wartete auf meinen Einsatz, wartete auf die entscheidenden Worte, die fallen mußten, damit ich hinter dem Vorhang hervor auf die Bühne treten und mitspielen konnte. Aber das Leben ging weiter und weiter, die Worte fielen nicht, und die Jahre sammelten sich an wie Dreck und Laub in einer Regenrinne. Eines Tages, genauer gesagt am Donnerstag, den 20. Juni 1996, beschloß ich, daß die Sache ein Ende haben müßte, ein schlimmes oder eines, das ich mir nicht vorstellen konnte. Und ich ging in ein Reisebüro und kaufte mir einen Flugschein nach London, wie sich andere Leute einen Strick kaufen. Leseprobe