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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446203440
Sprache: Deutsch
Format (T/L/B): 2 x 21.9 x 14.7 cm
Einband: Halbleinen

Beschreibung

Georg ist fünfzehn, als er einen Brief von seinem Vater findet, der starb, als Georg vier war. Der Brief, den er für seinen Sohn geschrieben hat, erzählt die Geschichte seiner großen Liebe. Dass er sie gefunden hat, machte ihm den Abschied vom Leben schwer, doch um so sicherer ist er, dass es sich gelohnt hat. Jostein Gaarders schönste Liebesgeschichte und eine Hommage an das Leben!

Autorenportrait

Jostein Gaarder, 1952 in Norwegen geboren, studierte Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaften. Er war lange Philosophielehrer und lebt heute als freier Schriftsteller in Oslo. Sein Roman Sofies Welt (1993) wurde in über 50 Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen von ihm Ein treuer Freund (Roman, 2017) und Genau richtig (2019). Im Herbst 2022 folgt die Graphic Novel Sofies Welt oder die Geschichte der Philosophie - Von den Anfängen (zusammen mit Vincent Zabus, Illustrationen: Nicoby).

Leseprobe

Mein Vater ist vor elf Jahren gestorben. Damals war ich erst vier. Ich hatte nie damit gerechnet, je wieder von ihm zu hören, aber jetzt schreiben wir zusammen ein Buch. Das hier sind die allerersten Zeilen in diesem Buch, und die schreibe ich, aber mein Vater wird auch noch zum Zug kommen. Er hat schließlich das meiste zu erzählen. Ich weiß nicht, wie gut ich mich wirklich an meinen Vater erinnern kann. Vermutlich glaube ich nur, dass ich mich an ihn erinnere, weil ich mir alle Fotos von ihm so oft angesehen habe. Nur bei einer Erinnerung bin ich mir ganz sicher; dass sie echt ist, meine ich. Es geht um etwas, das passiert ist, als wir einmal draußen auf der Terrasse saßen und uns die Sterne anschauten.

Auf einem Foto sitzen mein Vater und ich auf dem alten Ledersofa im Wohnzimmer. Er scheint etwas Lustiges zu erzählen. Das Sofa haben wir noch immer, aber mein Vater sitzt nicht mehr dort. Auf einem anderen Bild haben wir&8217;s uns in dem grünen Schaukelstuhl auf der Glasveranda gemütlich gemacht. Das Bild hängt seit dem Tod meines Vaters hier. Ich sitze jetzt in dem grünen Schaukelstuhl. Ich versuche, nicht zu schaukeln, weil ich meine Gedanken in ein dickes Schreibheft schreiben will. Und später werde ich alles in den alten Computer meines Vaters eingeben. Auch über diesen Computer gibt es etwas zu erzählen, darauf komme ich noch zurück.

Es war immer schon seltsam, diese vielen alten Bilder zu haben. Sie gehören in eine andere Zeit. In meinem Zimmer liegt ein ganzes Album mit Bildern meines Vaters. Es kommt mir ein bisschen unheimlich vor, so viele Fotos von einem Menschen zu besitzen, der nicht mehr lebt. Wir haben meinen Vater auch auf Video. Ich bekomme fast schon eine Gänsehaut, wenn ich ihn sprechen höre. Mein Vater hatte so eine richtig laute Dröhnstimme. Vielleicht sollten Videos von Menschen, die es nicht mehr gibt, oder die nicht mehr unter uns weilen, wie meine Großmutter das ausdrückt, verboten werden. Es kommt mir nicht richtig vor, den Toten hinterherzuspionieren. Auf einigen Videos kann ich auch meine eigene Stimme hören. Sie klingt dünn und hoch. Und erinnert mich an ein Vogeljunges. So war es damals: mein Vater war der Bass, ich lieferte den Diskant.

Auf einem Video sitze ich auf den Schultern meines Vaters und versuche, den Stern von der Weihnachtsbaumspitze zu zupfen. Ich bin zwar erst ein Jahr alt, aber fast hätte ich es trotzdem geschafft. Wenn Mama sich Videos von meinem Vater und mir anschaut, kommt es vor, dass sie sich im Sessel zurücksinken lässt und schallend lacht, obwohl sie doch damals hinter der Videokamera gestanden und gefilmt hat. Ich finde es nicht richtig, dass sie über Videos mit meinem Vater lacht. Ich glaube nicht, dass ihm diese Vorstellung gefallen hätte. Er hätte vielleicht gesagt, das sei gegen die Regeln. Auf einem anderen Video sitzen mein Vater und ich vor unserem Ferienhaus auf Fjellstølen in der Ostersonne und jeder hat eine halbe Orange in der Hand. Ich versuche, aus meiner den Saft herauszusaugen, ohne sie zu schälen. Mein Vater denkt wohl an ganz andere Orangen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Gleich nach diesen Osterferien merkte mein Vater, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er war über ein halbes Jahr lang krank und hatte Angst, dass er bald sterben müsste. Ich glaube, er wusste, dass das passieren würde. Mama hat mir oft erzählt, dass mein Vater besonders traurig war, weil er sterben musste, ehe er mich wirklich kennen gelernt hatte. Meine Oma sagt das auch, nur auf eine irgendwie mystische Weise. Oma hatte immer schon eine komische Stimme, wenn sie mit mir über meinen Vater sprach. Das ist vielleicht kein Wunder. Meine Großeltern haben einen erwachsenen Sohn verloren. Was das für ein Gefühl ist, weiß ich nicht. Zum Glück haben sie auch noch einen Sohn, der lebt. Aber Oma lacht nie ... Leseprobe