Beschreibung
Hanna spielt mit den Gefühlen anderer, bis die Liebe sie trifft wie der Blitz - leider für den falschen Mann: André ist ihr Psychotherapeut, und zugleich der Mann ihrer Freundin. Er befreit sie vom Trauma ihrer frühen Kindheit, er ist der einzige, von dem sie sich verstanden fühlt, er ist der Mann, den sie um jeden Preis will. André verliebt sich ebenfalls in Hanna, fürchtet aber um seine berufliche Existenz und bricht deshalb die Therapie ab. Das Schicksal (oder ein Gott mit 'bizarrem Sinn für Humor', wie Hanna mutmaßt), führt die beiden wieder zusammen, und sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre, in deren Verlauf nicht nur André alles zu verlieren droht, was ihm wichtig ist - Familie, Liebe und Freundschaft. Bei der Premiere von Shakespeares Komödie "Liebes Leid und Lust" erreicht die Spannung ihren Höhepunkt: Alle Beteiligten treffen zusammen, und während des Spiels erkennt Hanna, dass das Leben kein Theaterstück ist. Am Ende dieses Abends ist alles anders als erwartet.
Leseprobe
Noch nie im Leben habe ich daran gedacht, mich umzubringen. Na ja, jedenfalls nicht ernsthaft. Wäre ich sonst noch hier? Ich hatte deshalb auch keine Ahnung, warum nach der Sache in Los Angeles alle um mich herum verrückt spielten. Ich sei labil, befand meine Mutter, sei ja auch kein Wunder. Man müsse auf mich aufpassen, sagte Eddie. Das erstaunte mich, schließlich war ich fünfundzwanzig und hatte bisher ganz gut auf mich alleine aufgepasst. Natürlich war ich schon häufiger in prekäre Situationen geraten (ich habe eine gewisse Schwäche für die Gefahr), aber es sah so aus, als hätte der alte Mann da oben noch keine Verwendung für mich, also warum hätte ich mich ihm aufdrängen sollen? Welchen Grund hätte ich auch haben sollen, mich umzubringen? Ich war gesund, sah gut aus (jedenfalls behaupteten das die Männer, mit denen ich schlief), ich war dabei, als Schauspielerin Karriere zu machen, mein Leben war zugegebenermaßen ein bisschen chaotisch, aber weit davon entfernt, zu scheitern. Ob ich glücklich war? Also, bitte, wer könnte das von sich behaupten, ohne zu lügen? Wie könnte ich etwas sein, von dem ich nicht mal genau wusste, was es war? Vielleicht könnte man sagen, ich war auf der Suche. Wonach? Liebe, Anerkennung, Erfolg, spirituelle Erleuchtung? Ach was. Ich war schon zufrieden, wenn es nicht langweilig war. Ich hasste es, mich zu langweilen. Es kostete mich eine riesige Energie, jeden Morgen die gleichen Dinge zu tun, aufzustehen, Zähne zu putzen, zu duschen, zu frühstücken, Geschirr abzuwaschen - dabei befiel mich oft schon eine lähmende Langeweile, die ich nur überwand, wenn ich hoffen konnte, dass der Tag noch Abenteuer bereithielt. Wiederholungen nervten mich, sie gaben mir das Gefühl, meine Zeit zu verschwenden. Ich versuchte, auch bei Kleinigkeiten, möglichst wenig zu wiederholen. Ich aß nie die gleichen Gerichte, kaufte nie die gleichen Produkte, ging selten ein zweites Mal in dieselbe Kneipe, oder nur nach einer längeren Pause (so viele Kneipen gab es leider nicht in meiner Stadt). Ich zog jeden Tag etwas anderes an, verließ zu unterschiedlichen Zeiten das Haus, ging nach Möglichkeit nicht zweimal denselben Weg. Sicher könnte man meinen, das wäre eine ziemlich schwere Macke, aber bisher kam ich ganz gut damit zurecht. Das Einzige, was ich nicht aushielt, war das Alleinsein. Davor hatte ich wirklich Panik. Und davor, im Schlaf zu sterben. Ich glaube, es lag an diesem Spruch 'Der Schlaf ist der kleine Bruder des Todes'. Den hatte ich als Kind gehört und sofort gedacht, kleine Brüder werden irgendwann groß! Und seither hatte ich Angst. Deshalb schlief ich ziemlich wenig und meistens auch ziemlich schlecht. Früher hatte ich Ella gebeten, wach zu bleiben und aufzupassen, ob ich im Schlaf atme. Sie hatte es mir jedes Mal versprochen, aber heute glaube ich, sie schlief immer schon vor mir ein. Zurück zu der Geschichte in L.A. Ich weiß nicht mehr, wer eigentlich auf die Idee gekommen war, dass Jo und ich eine Reise machen sollten. Ich glaube, es war meine Mutter. Sie hatte ständig gute Ideen, mein Leben betreffend. Ich versuchte, nicht allzu viel Notiz davon zu nehmen, aber in diesem Fall hatte sie sich durchgesetzt, und so fand ich mich eines Tages in einem Flugzeug nach Amerika wieder, neben mir Jo, der traumverloren aus dem Fenster sah, während es verzerrt aus seinem Kopfhörer quäkte. Jo hörte eigentlich immer Musik, es schien, als müsste er das Grundrauschen der Welt übertönen. Jo war ein merkwürdiger Typ. Das Merkwürdigste an ihm war, dass er gleichzeitig mein Geliebter und mein Bruder war. Er war der Sohn von Eddie, und Eddie war der zweite Mann meiner Mutter, also mein Stiefvater. Ich war mit Jo zusammen, seit wir beide vierzehn waren. Damals zogen Eddie und Jo bei uns ein. Meine Mutter sagte zu mir, ist das nicht toll, Hannele, dass du jetzt einen Bruder hast? Und Eddie sagte, Jo, freust du dich, dass du jetzt eine Schwester hast? Dabei hegten Jo und ich von Anfang an alles andere als geschwisterli Leseprobe