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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552053472
Sprache: Deutsch
Umfang: 400 S.
Format (T/L/B): 3.4 x 22 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Als die Archäologin Louise Cantor von ihrer Ausgrabung in Griechenland zu einem Vortrag nach Schweden reist, will sie auch ihren 25-jährigen Sohn wiedersehen. Doch als sie die Wohnung in Stockholm betritt, liegt Henrik tot im Bett. Louise glaubt nicht an einen Selbstmord. In Henriks Kleiderschrank findet sie eine Menge Material zu der Frage, warum Kennedys Hirn nach der Obduktion spurlos verschwand. War dieser junge Idealist einem kriminellen Geheimnis auf der Spur? In Louise Cantors spannender Recherche, die sie von Australien über Barcelona nach Maputo in Mosambik zu den Ärmsten der Aids-Kranken führt, finden die Hauptthemen in Henning Mankells Schreiben zusammen: die Aufdeckung aktueller Verbrechen in unserer Gesellschaft und die sozialen Probleme auf dem schwarzen Kontinent.

Autorenportrait

Facebookseite von Henning Mankell (englisch)

Leseprobe

Als sie ihren Koffer bei einer der morgenmüden Lufthansaangestellten eingecheckt hatte und auf dem Weg zur Sicherheitskontrolle war, geschah etwas, was einen tiefen Eindruck bei ihr hinterließ. Später sollte sie denken, daß sie es als Omen hätte auffassen müssen, als Warnung. Doch sie tat es nicht, sie entdeckte nur eine einsame Frau, die mit ihren Bündeln und altmodischen, mit Schnüren zugebundenen Kleidertaschen auf dem Steinfußboden saß. Die Frau weinte. Sie war vollkommen reglos, ihr Gesicht nach innen gekehrt, sie war alt, ihre eingesunkenen Wangen erzählten von vielen fehlenden Zähnen. Vielleicht war sie aus Albanien, dachte Louise Cantor. Viele albanische Frauen suchen Arbeit hier in Griechenland, sie nehmen jede Arbeit an, weil wenig besser ist als nichts und weil Albanien ein erbarmungslos armes Land ist. Sie trug einen Schal um den Kopf, den Schal der ehrbaren älteren Frau, sie war keine Moslime, und sie saß auf dem Boden und weinte. Die Frau war allein, es war, als wäre sie hier auf dem Flughafen an Land getrieben, umgeben von ihren Bündeln, ihr Leben war zerschlagen, ein Haufen wertloses Strandgut war alles, was übrig war. Louise Cantor blieb stehen, eilige Menschen stießen sie an, doch sie blieb stehen, als stemmte sie sich gegen einen starken Wind. Das Gesicht der Frau zwischen den Bündeln auf dem Boden war braun und zerfurcht, ihre Haut war wie eine erstarrte Lavalandschaft. Es gab eine besondere Art von Schönheit in den Gesichtern alter Frauen, wo alles bis auf eine dünne Haut über den Knochen abgeschliffen ist, wo alle Geschehnisse des Lebens eingeschrieben sind. Zwei eingekerbte, ausgetrocknete Furchen zogen sich von den Augen die Wangen hinab, jetzt füllten sie sich mit den Tränen der Frau. Sie begießt einen mir unbekannten Schmerz, dachte Louise Cantor. Aber etwas von ihr habe ich auch in mir. Die Frau hob plötzlich den Kopf, ihre Blicke begegneten sich für einen kurzen Augenblick, und sie schüttelte langsam den Kopf. Louise Cantor nahm dies als ein Zeichen, daß ihre Hilfe, worin sie auch hätte bestehen können, nicht benötigt wurde. Sie hastete weiter zur Sicherheitskontrolle, drängte sich durch die schubsenden Menschen, jagte durch Duftwolken von Knoblauch und Oliven. Als sie sich umwandte, war es, als wäre ein Vorhang von Menschen zwischen sie gezogen worden, die Frau war nicht mehr zu sehen. Louise Cantor hatte ein Tagebuch, in dem sie seit ihrer frühen Jugend Ereignisse aufschrieb, von denen sie meinte, sie würde sie nie vergessen. Dies war ein solcher Moment. In Gedanken formulierte sie schon, was sie schreiben würde, während sie ihre Handtasche auf das Rollband der Sicherheitskontrolle und ihr Telefon in eine kleine blaue Plastikbox legte und anschließend durch die magische Sperre schritt, die böse Menschen von guten trennte. Sie kaufte eine Flasche Tullamore Dew für sich und zwei Flaschen Retsina für Henrik. Dann setzte sie sich in die Nähe des Ausgangs und entdeckte zu ihrem Ärger, daß sie ihr Tagebuch in der Argolis vergessen hatte. Sie sah es vor sich, es lag am Tischende neben der grünen Lampe. Sie holte das Seminarprogramm und notierte auf der Rückseite: "Weinende alte Frau auf dem Flugplatz von Athen. Ein Gesicht, als wäre sie eigentlich eine menschliche Ruine, nach Jahrtausenden von einem neugierigen und aufdringlichen Archäologen ausgegraben. Warum weinte sie? Diese universelle Frage. Warum weint ein Mensch?" Sie schloß die Augen und versuchte sich vorzustellen, was sich in den Bündeln und kaputten Taschen befunden haben konnte. Leere, dachte sie. Taschen, gefüllt mit Leere oder mit der Asche vergangener niedergebrannter Feuer. Als ihr Flug aufgerufen wurde, wachte sie mit einem Ruck auf. Sie saß auf einem Gangplatz, der Mann neben ihr schien Flugangst zu haben. Sie beschloß, bis Frankfurt zu schlafen, erst auf der Strecke nach Stockholm würde sie frühstücken. Als sie in Arlanda gelandet war und ihren Koffer gefunden hatte, war sie immer noch müde. Sie liebte es, eine Reise v Leseprobe

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