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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593424941
Sprache: Deutsch
Umfang: 200 S., 10.44 MB
Auflage: 1. Auflage 2014
E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

Innovation geht anders!Das Buch von Pay-Pal-Gründer und Facebook-Investor Peter Thiel weist den Weg aus der technologischen Sackgasse.Wir leben in einer technologischen Sackgasse, sagt Silicon-Valley-Insider Peter Thiel. Zwar suggeriert die Globalisierung technischen Fortschritt, doch die vermeintlichen Neuerungen sind vor allem Kopien des Bestehenden - und damit alles andere als Innovationen!Peter Thiel zeigt, wie wahre Innovation entstehtPeter Thiel, in der Wirtschaftscommunity bestens bekannter Innovationstreiber, ist überzeugt: Globalisierung ist kein Fortschritt, Konkurrenz ist schädlich und nur Monopole sind nachhaltig erfolgreich. Er zeigt:- Wahre Innovation entsteht nicht horizontal, sondern sprunghaft - from zero to one.- Die Zukunft zu erobert man nicht als Bester von vielen, sondern als einzig Innovativer.- Gründer müssen aus dem Wettkampf des Immergleichen heraustreten und völlig neue Märkte erobern.Eine Vision für QuerdenkerWie erfindet man wirklich Neues? Das enthüllt Peter Thiel in seiner beeindruckenden Anleitung zum visionären Querdenken. Dieses Buch ist:- ein Appell für einen Start-up der gesamten Gesellschaft- ein radikaler Aufruf gegen den Stillstand- ein Plädoyer für mehr Mut zum Risiko- ein Wegweiser in eine innovative Zukunft

Autorenportrait

Peter Thiel ist bekannt als "schräges Superhirn aus dem Internet". Mit Sicherheit ist er einer der innovativsten Unternehmer im Silicon Valley - einer der reichsten dazu. Der erste Coup gelang Thiel mit dem Start-up PayPal. Er gründete einen Hedgefonds, war der erste Investor bei Facebook und fördert Gründer im Technologiebereich. Kurz: ein "Geschäftsmann mit Tiefgang" (SZ). Blake Masters ist Mitgründer des Technologie-Start-ups Judicata, hat in Stanford studiert und dort Thiels Vorlesungen gehört.

Leseprobe

Vorwort
Zero to One - von Null auf Eins

Alles passiert nur einmal, auch in der Wirtschaft. Der nächste Bill Gates programmiert kein Betriebssystem. Die nächsten Larry Page und Sergey Brin entwickeln keine Suchmaschine. Der nächste Mark Zuckerberg erfindet kein soziales Netzwerk. Wenn Sie diese Menschen kopieren, lernen Sie nichts von ihnen.
Natürlich ist es einfacher, Vorbilder zu imitieren als Neues zu schaffen. Wenn wir uns an Vertrautes halten, führen wir die Welt von eins zu n und vermehren Altbekanntes. Aber wenn wir etwas Neues schaffen, machen wir einen Sprung von null auf eins. Der Akt der Schöpfung ist so einmalig wie sein historischer Kontext, und das Ergebnis ist etwas Frisches und Fremdes.
Wenn Unternehmen nicht in die schwierige Entwicklung von wirklich Neuem investieren, dann werden sie bedeutungslos, egal welche Gewinne sie heute erzielen. Was passiert, wenn wir unsere ererbten Unternehmen so lange weiter optimieren, bis wir sie restlos ausgeschöpft haben? So unglaublich das klingen mag, die Folge wäre eine schlimmere Krise als die des Jahres 2008. Die Best Practices von heute führen morgen in die Sackgasse. Die besten Wege sind neu und unbekannt.
In unserer Welt mit ihren gigantischen Verwaltungsapparaten in Staat und Wirtschaft mag die Suche nach neuen Wegen wie das Hoffen auf ein Wunder anmuten. Aber wenn unsere Unternehmen erfolgreich bleiben sollen, benötigen wir Hunderte und Tausende solcher Wunder. Das wären triste Aussichten, wäre da nicht eine entscheidende Tatsache: Was uns Menschen von anderen Tieren unterscheidet, ist unsere Fähigkeit, Wunder zu vollbringen. Diese Wunder nennen wir Technologie.
Technologie ist ein Wunder, denn sie erlaubt uns, mehr mit weniger zu schaffen und unsere Fähigkeiten auf die nächste Stufe zu heben. Andere Tiere werden von Instinkten gesteuert und bauen Dämme oder Waben, doch wir sind die Einzigen, die Neues erfinden und Bestehendes verbessern können. Dabei folgen wir keinem vorgegebenen kosmischen Programm - im Gegenteil, mit unseren Erfindungen schreiben wir den Plan der Welt ständig neu. Das sind grundlegende Fakten, die wir unseren Kindern schon in der Grundschule beibringen - die wir jedoch allzu leicht vergessen, weil wir uns lieber an Vertrautes halten.
In diesem Buch möchte ich zeigen, wie Unternehmen Neues in die Welt bringen können. Dabei schöpfe ich aus meinen Erfahrungen als Mitgründer von PayPal und Palantir und als Investor von Hunderten Start-ups, darunter Facebook und SpaceX. Doch obwohl ich viele Muster erkannt habe und hier beschreibe, bietet dieses Buch keine einfache Erfolgsformel. Das Paradoxe in der Unternehmenslehre ist ja gerade, dass es keine Patentrezepte geben kann: Jede Erfindung ist neu und einmalig, und niemand kann konkrete Schritte zur Innovationsfähigkeit vorgeben. Eine der wichtigsten Regeln, die ich gelernt habe, ist gerade, dass erfolgreiche Menschen ihre Goldgrube an unerwarteten Orten finden und dass sie Unternehmen nicht von Erfolgsrezepten her denken, sondern von Grundprinzipien.
Dieses Buch entstand aus einem Seminar über Start-ups, das ich im Jahr 2012 an der Stanford University gehalten habe. Studenten erwerben hoch spezialisiertes Fachwissen, doch viele haben keine Vorstellung, was sie außerhalb der Universität mit diesem Wissen anfangen sollen. Dieses Seminar sollte ihnen helfen, über den Tellerrand ihrer Fachgebiete hinaus und in die Zukunft zu blicken, die sie selbst in der Hand haben. Einer der Teilnehmer, Blake Masters, fertigte ausführliche Aufzeichnungen an, die weit über den Campus hinaus Verbreitung fanden; diese Aufzeichnungen habe ich überarbeitet, um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Es gibt keinen Grund, weshalb die Zukunft nur in Stanford, an Universitäten oder in Silicon Valley stattfinden sollte.


1. Die Zukunft als Aufgabe


In Vorstellungsgesprächen stelle ich den Bewerbern gern eine Frage: "Welche Ihrer Überzeugungen würden nur wenige Menschen mit Ihnen teilen?"
So einfach diese Frage klingt, so schwer ist sie zu beantworten. Intellektuell, weil das an Universitäten vermittelte Wissen definitionsgemäß Konsenswissen ist. Und psychologisch, weil von den Bewerbern in diesem Moment eine Aussage erwartet wird, mit der sie sich in die Nesseln setzen könnten. Genialität ist rar, aber Mut ist noch rarer.
Auf diese Frage erhalte ich oft Antworten wie diese:
"Unser Bildungswesen ist am Ende und muss dringend reformiert werden."
"Amerika ist eine Ausnahmeerscheinung."
"Es gibt keinen Gott."
Das sind schlechte Antworten. Die ersten beiden Aussagen mögen zutreffen, doch wahrscheinlich würden die meisten Menschen zustimmen. Die dritte bezieht lediglich Stellung in einer bekannten Debatte. Eine gute Antwort hätte die Form "Die meisten Menschen glauben x, doch das Gegenteil davon ist wahr." Im Laufe des Kapitels verrate ich Ihnen, was ich antworten würde.
Was hat diese Querdenker-Frage mit der Zukunft zu tun? Vereinfacht gesagt ist die Zukunft die Summe aller künftigen Momente. Was diese Zukunft so interessant macht, ist die Tatsache, dass sie noch nicht eingetreten ist und dass die Welt der Zukunft anders aussehen wird als die Welt der Gegenwart. Wenn sich in unserer Gesellschaft ein Jahrhundert lang nichts verändern würde, dann wäre die so verstandene Zukunft ein Jahrhundert entfernt. Und wenn sich im kommenden Jahrzehnt dramatische Veränderungen einstellen, dann steht sie unmittelbar bevor. Niemand kann die Zukunft vorhersehen, doch wir wissen zweierlei: Sie unterscheidet sich von der Gegenwart, und sie geht gleichzeitig von ihr aus. Die meisten Antworten auf unsere Querdenker-Frage sind nichts als verschiedene Sichtweisen auf die Gegenwart; gute Antworten versuchen, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Zero to One: Die Zukunft des Fortschritts

Beim Gedanken an die Zukunft hoffen wir auf Fortschritt. Dieser Fortschritt kann zwei Formen annehmen. Horizontaler oder extensiver Fortschritt bedeutet, Bewährtes nachzuahmen und von eins auf n zu gehen. Horizontaler Fortschritt ist leicht vorstellbar, weil wir schon wissen, wie er aussieht. Vertikaler oder intensiver Fortschritt bedeutete dagegen, Neues zu beginnen und von null auf eins zu springen. Vertikaler Fortschritt ist schwerer vorstellbar, weil man dazu Dinge tun muss, die noch nie jemand getan hat. Horizontaler Fortschritt heißt, von einer Schreibmaschine auszugehen und sie hundertfach weiterzuentwickeln. Vertikaler Fortschritt heißt, von einer Schreibmaschine auszugehen und einen Computer zu erfinden.
Auf der Makroebene lässt sich horizontaler Fortschritt mit dem Begriff "Globalisierung" zusammenfassen: Was sich an einem Ort bewährt hat, wird auf einen anderen übertragen. China ist das Paradebeispiel der Globalisierung: Das Land strebt danach, in zwanzig Jahren da zu sein, wo die Vereinigten Staaten heute stehen. Die Chinesen haben eins zu eins alles übernommen, was sich in der entwickelten Welt bewährt hat: Im 19. Jahrhundert waren es die Eisenbahnen, im 20. Klimaanlagen und ganze Städte. Auch wenn sie unterwegs den einen oder anderen Schritt überspringen und zum Beispiel Kabelnetze auslassen und gleich zu drahtlosen Verbindungen übergehen, bleiben sie trotzdem Nachahmer.
Vertikaler Fortschritt lässt sich mit dem Begriff "Technologie" zusammenfassen. Dank der rasanten Entwicklung der Informationstechnologie wurde Silicon Valley zur Technologiehauptstadt der Welt. Es gibt jedoch keinen Grund, warum der Fortschritt auf Computer beschränkt sein sollte. Vereinfacht gesagt ist jedes neue und bessere Verfahren nichts anderes als Technologie.
Da Globalisierung und Technologie verschiedene Formen des Fortschritts sind, kann man beide, eine von beiden oder keine von beiden gleichzeitig haben. Das Jahrhundert von 1815 bis 1914 war beispielsweise eine Zeit rascher technologischer Entwicklung und Globalisierung. Die Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Öffnung Chinas im Jahr 1971 zeichnete sich durch rasche technische Entwicklung und eingeschränkte Globalisierung aus. Seither beschleunigt sich die Globalisierung, während sich die technische Entwicklung verlangsamt und vor allem auf den IT-Bereich beschränkt.
Im Zeitalter der Globalisierung können wir uns leicht vorstellen, dass die unterschiedlichen Teile der Welt in den kommenden Jahrzehnten immer weiter zusammenrücken und einander immer ähnlicher werden. Selbst in unserer Alltagssprache kommt der Glaube an eine Art technologisches "Ende der Geschichte" zum Ausdruck: Die Unterscheidung zwischen einer entwickelten Welt einerseits, einer unterentwickelten andererseits und den Schwellenländern dazwischen vermittelt den Eindruck, dass die entwickelte Welt bereits alles erreicht hat und die ärmeren Länder nur noch aufholen müssen.
Dem möchte ich widersprechen. Auf die Querdenker-Frage würde ich folgende Antwort geben: Die meisten Menschen sind der Ansicht, dass die Zukunft durch die Globalisierung bestimmt wird, während in Wirklichkeit die Technologie viel wichtiger ist. Ohne technischen Fortschritt verdoppelt China in den kommenden beiden Jahrzehnten seine Energieproduktion, aber auch seinen Kohlendioxidausstoß. Wenn jeder der vielen Hundert Millionen Haushalte Indiens so lebt, wie die Menschen in den westlichen Industrienationen dies heute tun, wäre das Ergebnis eine Katastrophe für die Umwelt. Wenn sich die alten Methoden der Wertschöpfung in alle Welt ausbreiten, wäre das Ergebnisnicht Reichtum, sondern das Ende. In einer Welt mit begrenzten Ressourcen ließe sich Globalisierung ohne neue Technologie niemals aufrechterhalten.
Neue Technologien sind nie automatisch in die Welt gekommen. Unsere Vorfahren lebten in statischen Nullsummen-Gesellschaften, in denen der Erfolg des einen bedeutete, dem anderen etwas wegzunehmen. Nur selten erschlossen die Menschen neue Quellen des Wohlstands, und auf lange Sicht konnten sie nie genug produzieren, um sich ihr ausgesprochen hartes Leben zu erleichtern. Nach 10000 Jahren des sprunghaften Fortschritts von der primitiven Landwirtschaft zu den Windmühlen des Mittelalters und den Astrolabien des 16. Jahrhunderts setzte mit der Erfindung der Dampfmaschine mit einem Mal ein rasanter Fortschritt ein, der von den 1760er Jahren bis etwa 1970 anhielt. Ihm ist es zu verdanken, dass unsere Welt heute reicher ist als alles, was sich frühere Generationen vorstellen konnten.
Ausgenommen die Generationen unserer Eltern und Großeltern. Ende der 1960er Jahre ging man noch davon aus, dass der Fortschritt immer weitergehen würde. Damals erwartete man das Heraufkommen der Vier-Tage-Woche, kostenlose Energie und Mondreisen. Das blieb jedoch aus. Die Smartphones, die uns daran hindern, unsere Umgebung wahrzunehmen, lenken uns auch von der Tatsache ab, dass diese Umgebung sonderbar alt ist. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben nur Computer und Kommunikation nennenswerte Fortschritte gemacht. Was nicht heißt, dass sich unsere Eltern keine bessere Zukunft hätten vorstellen sollen. Sie hätten allerdings nicht erwarten sollen, dass sie sich von allein einstellt. Heute stehen wir vor der großen Herausforderung, neue Technologien zu erfinden und zu entwickeln, die das 21. Jahrhundert friedlicher und reicher machen als das 20.


Die Start-up-Mentalität

Neue Technologien werden in der Regel von neuen Unternehmen entwickelt - den Start-ups. Von den Gründervätern in der Politik über die Royal Society in den Wissenschaften bis hin zu den "verräterischen acht", den Gründern des Halbleiterherstellers Fairchild Semiconductor, in der Wirtschaft waren es immer kleine Gruppen von Menschen, die mit einer gemeinsamen Vision die Welt verändert haben. Die einfachste Erklärung für dieses Phänomen ist eine negative: In großen Organisationen lässt sich kaum Neues schaffen, und allein ist es noch schwerer. Bürokratische Apparate sind träge und etablierte Interessen risikoscheu. In besonders dysfunktionalen Unternehmen ist es besser für die Karriere, Arbeit vorzutäuschen als tatsächlich zu arbeiten (wenn das auf Ihren Arbeitgeber zutrifft, sollten Sie noch heute kündigen). Auf der anderen Seite kann ein einsames Genie zwar ein Kunstwerk schaffen, aber keine neue Branche aufbauen. Start-ups gehen davon aus, dass Erfolg nur in Zusammenarbeit mit anderen Menschen möglich ist, dass die Gruppe jedoch klein genug sein muss, um handlungsfähig zu bleiben.
Positiv definiert ist ein Start-up die größte noch mögliche Gruppe von Menschen, die Sie von Ihrem Plan für eine bessere Zukunft überzeugen können. Die wichtigste Stärke eines neuen Unternehmens ist ihr neues Denken: Die überschaubare Größe bietet mehr Flexibilität, vor allem aber Denkfreiheit. In diesem Buch geht es um die Fragen, die Sie stellen und beantworten müssen, wenn Sie Neues in die Welt bringen wollen: Es ist kein Handbuch und kein Leitfaden, sondern eine Denkübung. Denn genau das muss ein Start-up leisten: Es muss Gemeinplätze infrage stellen und das Unternehmen von Grund auf neu erfinden.


2.Party like it's 1999

Unsere Querdenker-Frage - "Welche Ihrer Überzeugungen würden nur wenige Menschen mit Ihnen teilen?" - lässt sich kaum direkt beantworten. Vielleicht ist es daher einfacher, mit einer anderen Frage zu beginnen: Worauf können sich alle einigen? "Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes - aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel", schrieb Nietzsche (bevor er selbst den Verstand verlor). Wenn Sie einen verbreiteten Irrglauben erkennen, können Sie auf das stoßen, was sich dahinter verbirgt: die schmerzhafte Wahrheit.
Nehmen wir eine grundlegende Überzeugung: Unternehmen müssen Geld verdienen und nicht verlieren. Das scheint für jeden vernünftigen Menschen auf der Hand zu liegen. Ende der 1990er Jahre sahen das jedoch viele Leute anders und schrieben selbst große Verluste als Investition in eine strahlende Zukunft ab. In der New Economy hielt man Seitenaufrufe für einen geeigneteren Erfolgsmaßstab als langweilige schwarze Zahlen.
Verbreitete Überzeugungen werden immer erst im Nachhinein hinterfragt: Wenn sich eine als Irrglaube erweist, bezeichnen wir sie als Blase. Doch die Verzerrungen, die durch die Blase bewirkt wurden, verschwinden nicht einfach mit deren Platzen. Die Dotcom-Blase der 1990er war die größte der vergangenen beiden Jahrzehnte, und die Lektionen, die wir aus ihr gelernt haben, bestimmen und verzerren unsere Einstellung zur Technologie bis heute. Um klarer zu sehen, müssen wir daher zuerst unser Verständnis der Vergangenheit hinterfragen.
Eine kurze Geschichte der Neunziger
Die 1990er haben ein gutes Image. Wir erinnern uns an ein Jahrzehnt des Wohlstands und des Optimismus, das mit dem Internetboom und der Dotcom-Blase endete. Doch für viele war das Jahrzehnt bei Weitem nicht so rosig, wie es im Rückblick erscheint. Wir haben längst vergessen, was weltweit vor und während des 18-monatigen Internet-Hypes passierte.
Die Neunziger begannen mit einem Moment der Euphorie, dem Fall der Berliner Mauer im November 1989. Die Freude hielt nicht lange vor. Mitte 1990 befanden sich die Vereinigten Staaten in einer Rezession. Rein rechnerisch war die Talsohle im März 1991 durchschritten, doch die Wirtschaft erholte sich nur langsam, und bis Juli 1992 stieg die Arbeitslosigkeit weiter an. Die Fertigungsindustrie sollte sich nicht mehr erholen. Der Umbau zu einer Dienstleistungsökonomie verlief schleppend und schmerzhaft.
Die Jahre 1992 bis 1994 waren generell eine Zeit der Krisen. Aus Somalia gingen Bilder getöteter amerikanischer Soldaten um die Welt. Globalisierungsängste und die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft verstärkten sich, als Fabriken nach Mexiko verlegt wurden. In dieser pessimistischen Stimmung wurde bei den Wahlen des Jahres 1992 Präsident George Bush Sen. abgewählt und Ross Perot gewann fast 20 Prozent der Wählerstimmen - mehr als jeder andere unabhängige Kandidat seit Theodore Roosevelt im Jahr 1912. Und die Begeisterung für Nirvana, Grunge und Heroin spiegelte alles Mögliche wider, nur nicht Hoffnung oder Zuversicht.
Auch Silicon Valley steckte in der Krise. Japan schien den Halbleiterkrieg zu gewinnen. Das Internet dümpelte vor sich hin, zum einen, weil die kommerzielle Nutzung bis Ende 1992 noch begrenzt war, und zum anderen, weil es noch keine bedienerfreundlichen Browser gab. Als ich 1985 nach Stanford kam, war bezeichnenderweise nicht Informatik das beliebteste Studienfach, sondern Wirtschaft. Technische Fächer kamen den meisten Studenten abseitig oder gar weltfremd vor.
Mit dem Internet änderte sich das alles. Im November 1993 kam der Mosaic-Browser offiziell auf den Markt und eröffnete normalen Nutzern den Zugang zum World Wide Web. Aus Mosaic ging das Unternehmen Netscape hervor, das Ende 1994 seinen Browser Navigator vorstellte. Der Navigator setzte sich rasch durch (der Marktanteil stieg von 20 Prozent im Januar 1995 auf knapp 80 Prozent ein Jahr später), weshalb Netscape im August 1995 an die Börse ging, obwohl das Unternehmen noch keine Gewinne erwirtschaftete. Innerhalb von fünf Monaten stieg der Aktienkurs von 28 auf 174 Dollar. Auch andere Internet-Unternehmen boomten. Yahoo ging im April 1996 an die Börse und wurde auf 848 Millionen Dollar geschätzt. Amazon folgte im Mai 1997 mit einem geschätzten Unternehmenswert von 438 Millionen Dollar. Bis zum Frühjahr 1998 hatte sich der Börsenwert beider Unternehmen vervierfacht. Angesichts der realen Umsätze und Gewinne meldeten Skeptiker Zweifel an diesen Werten an. Man konnte leicht zu dem Schluss kommen, dass die Börse verrückt spielte.
So nahe diese Schlussfolgerung lag, so falsch war sie. Im Dezember 1996 - mehr als drei Jahre vor dem Platzen der Dotcom-Blase - warnte Notenbankchef Alan Greenspan, die Aktienkurse würden von einem "irrationalen Überschwang" in die Höhe getrieben. Tatsächlich waren die Technologie-Investoren überschwänglich, aber irrational handelten sie vermutlich nicht. Wir sollten nicht vergessen, dass die Lage im Rest der Welt weit weniger rosig aussah.
Im Juli 1997 stürzten die asiatischen Tigerstaaten in die Krise. Vetternwirtschaft und Verschuldung zwangen die thailändische, indonesische und südkoreanische Wirtschaft in die Knie. Im August 1998 folgte die Rubelkrise, als Russland unter dem Druck seiner chronischen Haushaltsdefizite seine Währung abwertete und seine Kredite nicht mehr bediente. Die amerikanischen Investoren erbebten vor dieser bankrotten Nation mit ihren 10000 Atomsprengköpfen, und innerhalb von wenigen Tagen brach der Dow Jones um 10 Prozent ein.
Die Sorge war berechtigt. Die Rubelkrise setzte eine Kettenreaktion in Gang, die den Hedge-Fonds Long Term Capital Management zu Fall brachte. In der zweiten Jahreshälfte 1998 brachte es LTCM fertig, 4,6 Milliarden Dollar zu verlieren; der Hedge-Fonds saß noch auf Verpflichtungen in Höhe von 100 Milliarden Dollar, als die Notenbank mit einer bis dahin beispiellosen Rettungsaktion eingriff und die Leitzinsen senkte, um zu verhindern, dass das gesamte System in den Abgrund gerissen wurde. In Europa sah die Situation kaum besser aus. Im Januar 1999 wurde unter einer Mischung aus Skepsis und Apathie der Euro eingeführt. Am ersten Handelstag stieg der Kurs noch auf 1,19 Dollar, um in den folgenden zwei Jahren bis auf 0,83 Dollar zu sinken. Mitte 2000 mussten die Notenbanken der G7-Staaten intervenieren und den Kurs mit einer Milliardenspritze stützen.
Der Hintergrund des kurzlebigen Internet-Hypes, der im September 1998 begann, war also eine Welt, in der kaum etwas anderes zu funktionieren schien. Die Old Economy war den Herausforderungen der Globalisierung nicht gewachsen. Irgendetwas musste durchschlagenden Erfolg bringen, wenn die Zukunft besser werden sollte. Der neue Hoffnungsträger waren die New Economy und das Internet.

Der Hype: September 1998 bis März 2000
Der Internet-Hype war so kurz wie heftig - 18 Monate des Wahnsinns, die im September 1998 begannen und im März 2000 endeten. Im Silicon Valley herrschte Goldgräberstimmung: Das Geld floss in Strömen, und es herrschte kein Mangel an überschwänglichen und oftmals zweifelhaften Gestalten, die es abschöpften. Woche für Woche konkurrierten Dutzende neue Start-ups darum, ihren Börsengang mit der wildesten Party zu feiern. Aktienmillionäre verprassten bei Abendessen Tausende Dollar und versuchten, ihre Rechnung mit den Aktien ihrer Start-ups zu begleichen - hin und wieder sogar mit Erfolg. Horden von Angestellten verließen ihre gut bezahlten Jobs, um zu Start-ups zu wechseln. Ein Mittvierziger und Dauerstudent aus meinem Bekanntenkreis hatte 1999 sechs Unternehmen. (Unter normalen Umständen ist ein Student über 40 verdächtig, und es gilt als Irrsinn, ein halbes Dutzend Unternehmen aufzuziehen. Aber Ende der Neunziger konnte das als Erfolgsformel durchgehen.) Es war absehbar, dass der Hype früher oder später enden würde. Die "erfolgreichsten" Unternehmer schienen eine Art Anti-Geschäftsmodell zu verfolgen und es darauf anzulegen, Verluste zu machen. Aber man kann ihnen kaum vorwerfen, dass sie tanzten, während die Musik spielte. In einer Zeit, in der man den Wert seines Unternehmens über Nacht verdoppeln konnte, indem man dem Namen ein ".com" anhängte, war Irrationalität rational.


Der PayPal-Hype

Als einer der Mitgründer von PayPal bekam ich es Ende 1999 mit der Angst zu tun - nicht, weil ich nicht an unser Unternehmen glaubte, sondern weil in Silicon Valley alle bereit schienen, fraglos alles zu glauben. Wohin ich auch sah, gründeten Leute mit erschreckender Lässigkeit Unternehmen. Ein Bekannter erzählte mir, wie er im heimischen Wohnzimmer den Börsengang plante, bevor er überhaupt sein Unternehmen gegründet hatte. Das kam ihm nicht einmal komisch vor. In diesem Umfeld wirkte vernünftiges Geschäftsgebaren allmählich exzentrisch.
PayPal hatte sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, das Skeptiker später als größenwahnsinnig bezeichnen sollten: Wir wollten eine Internetwährung schaffen, die den Dollar ablöste. Mit unserer ersten Anwendung konnten die Nutzer Geld von einem PalmPilot zum anderen überweisen. Allerdings hatte kaum jemand Verwendung für dieses Produkt, mit Ausnahme von Journalisten, die PayPal prompt zu einer der zehn schlechtesten Geschäftsideen des Jahres 1999 wählten. Damals waren PalmPilots noch exotische Geräte; da E-Mail inzwischen verbreitet war, beschlossen wir, Anwendungen zu entwickeln, um Geld per Mail zu verschicken und zu empfangen.
Im Herbst 1999 war unser Programm zur Bezahlung per E-Mail so weit, und wer wollte, konnte sich auf unserer Website einloggen und Geld überweisen. Leider hatten wir nicht genug Kunden und wuchsen zu langsam, während gleichzeitig unsere Kosten explodierten. Um PayPal zum Erfolg zu machen, mussten wir eine kritische Masse von mindestens einer Million Nutzern erreichen. Werbung war zu teuer. Kooperationsverhandlungen mit Banken scheiterten. Also beschlossen wir, neuen Nutzern eine Prämie zu zahlen.
Neue Kunden erhielten 10 Dollar, und wer einen Freund warb, bekam dieselbe Summe. Auf diese Weise warben wir Hunderttausende neue Kunden und wuchsen exponentiell. Für sich genommen wäre diese Werbestrategie nicht tragbar gewesen - wenn man seinen Kunden Geld gibt, ist exponentielles Wachstum gleichbedeutend mit explodierenden Kosten. Das war damals in Silicon Valley allerdings normal. Wir hielten unsere Kosten für vernünftig: Bei so vielen Kunden kamen wir über Gebühren in absehbarer Zeit in die schwarzen Zahlen.
Dazu brauchten wir allerdings mehr Geld. Da der Crash absehbar war und wir nicht annehmen konnten, dass die Investoren weiter Vertrauen in unser Projekt haben würden, taten wir alles, um so schnell wie möglich Geld aufzutreiben. Am 16. Februar pries das Wall Street Journal unser virales Wachstum und schätzte den Wert von PayPal auf 500 Millionen Dollar. Investoren nahmen diese aus der Luft gegriffene Zahl für bare Münze und liehen uns im Laufe des nächsten Monats 100 Millionen Dollar. (Ein Investor hatte es besonders eilig. Ein südkoreanisches Unternehmen überwies uns 5 Millionen Dollar, ohne einen Vertrag auszuhandeln oder Dokumente zu unterzeichnen. Als ich versuchte, das Geld zurückzuüberweisen, weigerten sich die Mitarbeiter, mir eine Bankverbindung zu nennen.) In der Finanzierungsrunde vom März 2000 gewannen wir die Zeit, die wir brauchten, um PayPal zum Durchbruch zu verhelfen. Die Verträge waren kaum unterschrieben, als die Blase platzte.

Lektionen aus der Krise

'cause they say 2000 zero zero party over, oops! Out of time!
So tonight I'm gonna party like it's 1999!
Prince

Mitte März erreichte der Technologieindex Nasdaq seinen Höchststand bei 5048 Punkten, bis Mitte April stürzte er auf 3321 Punkte ab. Als im Oktober 2002 der Tiefststand bei 1114 Punkten erreicht war, hatte sich längst die Meinung durchgesetzt, dass dieser Absturz eine Art Gottesurteil über den Internet-Hype der Neunziger war. Die hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung wurde nun als Moment der ungezügelten Gier interpretiert und begraben.
Alle lernten, die Zukunft als etwas Unberechenbares zu begreifen und jeden als Extremisten abzutun, der weiter planen wollte als bis zum nächsten Quartalsende. Die Globalisierung löste die Technologie als Hoffnungsträger ab. Da die Verlagerung der Wirtschaft ins Internet unter dem Stichwort "from bricks to clicks" nicht so funktioniert hatte wie geplant, wandten sich die Investoren nun wieder "bricks" und BRICS - Immobilien und Globalisierung - zu. Das Resultat war eine neue Spekulationsblase, diesmal auf dem Immobiliensektor.
Die Unternehmer, die Silicon Valley treu blieben, leiteten aus dem Platzen der Dotcom-Blase vier Lektionen ab, die ihre Entscheidungen bis heute beeinflussen:

1. Gehe in kleinen Schritten vor
Große Visionen waren für die Blase verantwortlich und müssen verhindert werden. Wer behauptet, etwas Großes auf die Beine stellen zu wollen, gilt als verdächtig, und wer die Welt verändern will, muss auf den Boden der Tatsachen geholt werden. Fortschritt ist nur in Trippelschritten möglich.

2. Bleibe schlank und flexibel
Unternehmen müssen schlank sein, und das ist gleichbedeutend mit "ungeplant". Man sollte nicht wissen wollen, wohin das Unternehmen steuert, denn Planung gilt als überheblich und unflexibel. Stattdessen sollte man ausprobieren und das Unternehmertum als Experiment begreifen.

3. Wachse an der Konkurrenz
Man sollte nicht versuchen, voreilig neue Märkte zu schaffen. Ob es einen Markt tatsächlich gibt, weiß man nur, wenn man bereits vorhandene Kunden bedient. Daher sollte man als Unternehmer versuchen, erfolgreiche Produkte der Konkurrenz aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

4. Produkte sind wichtiger als ihr Vertrieb
Wenn Ihr Produkt erst von der Werbung oder von Vertretern erklärt werden muss, dann ist es nicht gut genug. In der Technologie geht es in erster Linie um Produktentwicklung, nicht um den Vertrieb. In der Zeit der Dotcom-Blase wurde Geld für Werbung aus dem Fenster geworfen, doch das einzig nachhaltige Wachstum ist virales Wachstum.

Diese vier Lektionen wurden zu Glaubenssätzen, an denen Startups bis heute festhalten - wer sie missachtet, ist selbst schuld, wenn ihn dasselbe Schicksal ereilt wie die Unternehmen der Dotcom-Blase des Jahres 2000.
Ich würde dagegen behaupten, dass das genaue Gegenteil stimmt:

Inhalt

Inhalt
Vorwort: Zero to one - von null auf eins 7
1 Die Zukunft als Aufgabe 11
2 Party Like It's 1999 17
3 Alle glücklichen Unternehmen sind einmalig 27
4 Die Ideologie des Wettbewerbs 39
5 Die Letzten werden die Ersten sein 47
6 Das Leben ist kein Glücksspiel 61
7 Die Spur des Geldes 83
8 Geheimnisse 93
9 Grundlagen 107
10 Mafiamethoden 117
11 Wo bleiben die Kunden? 125
12 Mensch und Maschine 139
13 Nationalfarbe Grün 151
14 Das Gründerparadox 171
Ausblick: Stagnation oder Singularität 187
Danksagung 191
Bildnachweis 193
Register 195

Schlagzeile

Die Zukunft ist keine Kopie. Sie ist radikal anders!>

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