Beschreibung
"Freiheit" war für Emilie Paravicini-Blumer (1808-1885) das Losungswort, mit dem sie gegen ihre Verheiratung mit einem geistig beschränkten Mann protestierte, den Unabhängigkeitskampf der Polen unterstützte und das therapeutische Monopol der Ärzte zu Fall brachte. "Gleichheit" war der Ausgangspunkt von Josephine Stadlins (1806-1875) Forderung nach einem gesamtschweizerischen Lehrerinnenseminar, ihrer Einmischung in die öffentlichen Schuldebatten und ihrer Ansprüche als pädagogisch und historisch versierte Privatgelehrte. Ausgehend von einem reichen Fundus an persönlichen Briefen ermöglichen die zwei Biografien eine facettenreiche Annäherung an die Geschichte des liberalen Aufbruchs in Europa. Sie verknüpfen die Formierung des Schweizer Nationalstaats mit den Innenwelten und Handlungstaktiken von Bildungsbürgerinnen und weisen so über deren individuelle Erfahrungen hinaus. Das Verbindende ist das gesellschaftliche Milieu, in der Frage der Existenzsicherung von Frauen zeigen sich jedoch in den beiden Biografien grundlegende Unterschiede: Der Tradition der arrangierten Ehe steht die zukunftweisende berufliche Ausbildung und Erwerbstätigkeit gegenüber.
Inhalt
I Einleitung II Josephine Stadlin (1806-1875) Vom Aufbruch als bildungspolitische Mitkämpferin der Liberal-Radikalen zur Pestalozzi-Biografin 1. Familie und Verwandtschaft, Ausbildung und Erwerb 1.1 Familie und Gesellschaft: die Stellung der Familie Stadlin von Zug im Spannungsfeld von Ancien Regime, Französischer Revolution und Restauration 1.2 Geschlecht und Erwerb: Josephine Stadlins Verantwortung als ältestes Kind im familiären Gefüge und die Gestaltung der Erwerbsmöglichkeiten 1.3 Fazit: Bildung als Ressource von Frauen aus dem Bürgertum 2 Schule als politisches Konfliktfeld und Praxis 2.1 Die Kampfgefährtin: Josephine Stadlins Lehrtätigkeit im Kontext des Kampfes um die freisinnige Deutungshoheit 2.2 Das Stadlin¿sche Institut: pädagogische Ansprüche, republikanische Orientierung und familienbetriebliche Zwänge 2.3 Fazit: Mädchenbildung als Schnittstelle gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen, pädagogischer Konzepte und wirtschaftlicher Zwänge 3 Netzwerke zur Konsolidierung des Lehrerinnenseminars als öffentliche Institution und privates Unternehmen 3.1 Prolog: Öffentlichkeit als Argument - die Legitimation der Lehrerinnenbildung im Spannungsfeld von Öffentlichkeit und Privatheit 3.2 Das Netzwerk als Ressource: berufsspezifische und gesellschaftliche Verankerung durch den Ausbau und die Verdichtung der Beziehungen 3.3 Beschränkte Wirkungskraft des Netzwerks: hoher Mobilisierungsgrad und grosses Konfliktpotential, kurzfristiger Erfolg und langfristiges Scheitern 3.4 Fazit: verweigerte Institutionalisierung der Lehrerinnenbildung Exkurs: Das Lehrerinnenseminar als pädagogisches Experimentierfeld 4 Vielschichtige Beziehungen zu Gefährtinnen und Schülerinnen 4.1 Die Freundin: Asymmetrie und Reziprozität als Strukturelemente der Kooperation zwischen befreundeten Lehrerinnen 4.2 Die Lehrerin: bürgerliche Werte und kontrollierender Druck 4.3 Die Mentorin: Unterstützung der ehemaligen Schülerinnen in ihrer Laufbahn als Lehrerinnen und Erzieherinnen 4.4 Fazit: emotionale Beziehungen als Gemengelage persönlicher, erziehungs- und berufsspezifischer Erwartungen 5 Die Publizistin und Privatgelehrte 5.1 Autorin, Referentin und Expertin: öffentliche Interventionen zu allgemeinen und geschlechterrelevanten Bildungsfragen 5.2 Die Selbstermächtigung der Pestalozzianerin: Reisen ohne männliche Begleitung, Forschen ohne Segen der Akademie 5.3 Ein Platz in der Geschichte: Zeichen öffentlicher Anerkennung trotz widersprüchlicher Resonanz 5.4 Fazit: Positionierung zwischen professionellem Selbstverständnis und gesellschaftlicher Anerkennung III Emilie Paravicini-Blumer (1808-1885) Von familiärer Pflichterfüllung und gemeinnützigem Engagement zur eigenen Praxis als Homöopathin 1 Familie und Verwandtschaft, Heirat und Freundschaft als privates und gesellschaftliches Beziehungsgeflecht 1.1 Familie und Gesellschaft: die Stellung der Familie Blumer von Mollis im Spannungsfeld der eigenen Verwandtschaft und des wirtschaftlichen Wandels des Kantons Glarus 1.2 Abhängige Tochter: die Inszenierung der Väter als das Gute und das Böse 1.3 Handlungsmächtige Ehefrau und Schwester: Widersprüche der bürgerlichen Geschlechterordnung 1.4 Freundin und Bekannte: verwandtschaftsübergreifende Beziehungen und das Reden über Befindlichkeiten, Bildung, Gesellschaft und Politik 1.5 Fazit: familiale Gebundenheit und emotionaler Freiraum 2 Weiblichkeit und Männlichkeit im Zeichen romantischen Aufbruchs, liberaler Vernetzung und patriotischer Verortung 2.1 Mann und Frau: Politische Verortung und emotionale Einbindung im Bürgertum und in der Bildungselite 2.2 Heimat und Beheimatungen: Selbstentwurf als radikale Patriotin, liberale Europäerin und religiöse Moralistin 2.3 Solidarität und Engagement: politischer und persönlicher Einsatz für die Freiheit der Polen 2.4 Frauenpartizipation und Fra ...
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