Beschreibung
London, Sommer 2012. Die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele laufen auf Hochtouren. Abel, ein vielversprechender junger Trader und Vater einer kleinen Tochter, irrt durch die Stadt. Er hat gerade alles verloren. Lizzie, mit der er zusammenlebt, hat ihn aus der Wohnung geworfen, sein Freund und Mentor Firouz ihm die Stelle in der Bank gekündigt, die er ihm zuvor verschafft hatte. In einem schäbigen Hotel, mitten unter Randständigen, Flüchtlingen und Migranten, versucht Abel, sich wieder zu fangen. Abel verändert sich, baut sich wieder auf. Er will sein Schicksal in die Hand nehmen. Mit einem Sprengsatz nähert er sich dem Gelände der Olympischen Spiele. Welchen Preis muss Abel zahlen, um wieder der zu werden, der er war? 'Allegra' von Philippe Rahmy ist ein frenetisches Werk, in dem die Gewalttaten unserer Zeit vor der Kulisse eines düsteren und harten Londons aufeinandertreffen. Hochfinanz, Macht, soziale Unsicherheit, verhinderte Identitäten, Radikalitäten, Terrorismus, Liebe, Trauer und Wahn. Die Hauptfigur Abel durchlebt diese Welten wie Zerreissproben. Das romanhafte Spiel gleicht einem vermeintlich ausweglosen Labyrinth und die intensiven, ungebändigten und ausdrucksstarken literarischen Bilder brennen sich dauerhaft ins Gedächtnis der Lesenden ein.' Eidgenössische Jury für Literatur 'Wer schreibt, will das Tier in sich zum Schweigen bringen', schreibt Rahmy im Reiseroman 'Die Panzerung'. In 'Allegra' wird Abel durch die Hölle gehen, bevor er wieder zum Menschen wird.
Autorenportrait
Philippe Rahmy ist 1965 in Genf geboren. Seine Mutter war Deutsche, sein Vater Franzose und Ägypter. Beeinträchtigt durch die Glasknochenkrankheit wurde das Schreiben zu seinem wichtigsten Rückgrat. 2005 veröffentlichte er einen ersten Gedichtband. Nach dem Reiseroman »Béton armé« (2013), in deutscher Übersetzung »Die Panzerung«, wandte er sich mit »Allegra« (2016) zum ersten Mal der Form des Romans zu. 2017 im Jahr, als er starb erschien »Monarques« und gerade erst sein letzter Roman »Pardon pour l'Amérique«. Alle drei Romane wurden im Verlag La Table Ronde veröffentlicht.
Leseprobe
Leseprobe. Der Löwe brüllt noch im Dunkeln. Bei Sonnenaufgang wird er auf einen Ast klettern und auf seine Nachkommenschaft hinabschauen. Auf ein krankes, halbtotes Löwenjunges. Dann wird Edgars müder Blick auf die Menschen fallen. Hinter dem Gitter wird er sie zwischen den Bäumen stolz auf der Strasse vorbeigehen und über die Stadt herrschen sehen, so wie er über die Natur geherrscht hat. Heute darf er mit seinem Schwanz noch die Fliegen verscheuchen. Wenn ich nicht schlafen kann, höre ich ihm zu mit dem Gefühl, ihm zu ähneln. Oft besuche ich ihn auf dem Weg ins Büro. Oslo Court schläft noch. Lizzie und ich wohnen auf zwei schönen Etagen in einer Liegenschaft für Golden Agers. Die Vorhänge des Schlafzimmers sind zugezogen. Im Lampenschein zeigt sich mir Lizzies Gesicht in seiner vollen Schönheit. Dann dreht sie sich zur Wand und seufzt, entblösst ihren Rücken mit den vorspringenden Wirbeln. Seit Allegras Geburt ist sie abgemagert. Draussen stösst Edgar sein Gebrüll aus. Ein heiseres Grollen, die dumpfe Klage eines gestürzten Königs. Es wird schwül werden. Am Mittag wird die Sonne in die Backsteinfassaden stechen. Gegen Abend wird ein Gewitter losbrechen und die dampfende Sonne danach wie ein ausgeschalteter Scheinwerfer untergehen. Bald wird ein Tierpfleger Edgars Käfig betreten. Er trägt einen Fleischkessel, zeigt ihn den vor dem Gitter zusammengedrängten Kindern. Wenn der Löwe sich gereizt rührt, bebt der ganze Käfig. Dann erscheinen das Junge und die Löwenmutter. Das Junge schleppt sich auf seinen verkümmerten Läufen dahin. Oh wie schlimm, sagen die Kinder. und laufen weg zum Affengehege. Im Käfig stellt sich Löwin Nghala zwischen Edgar und den kleinen Simba, der zu fressen versucht.