Beschreibung
Frühe 1980er Jahre in Zürich. Ein Küchentisch in einem Abbruchhaus. An diesem Tisch beginnt die Freundschaft zwischen Donna und Leta. Die eine kommt aus den Bergen, die andere aus dem Mittelland. Beide sind auf der Suche nach einem zu ihnen passenden Leben. Die Schreigesänge von Meredith Monk und metallische Geräusche aus dem Hof, wo ein schrottreifer Bus über Mo- nate durch Zurechthämmern wieder zum Laufen gebracht werden soll, begleiten ihren Alltag. Eine Amour fou zieht Donna nach Paris, eine fast unmögliche Liebe. Donna wird Mutter von zehn Kindern, zwei, die sie selbst geboren hat. Als Leta von Donnas Krebsdiagnose erfährt, bietet sie an, ihr beizustehen. In Paris taucht sie in Donnas Welt ein und versucht, zwischen Bergen verkrusteter Pfannen und einem viel zu laut gestellten Anrufbeantworter, auf dem andauernd Stimmen fremder Menschen mit dringenden Anliegen das Wohnzimmer belagern, ein paar Tage für die Freundin da zu sein, kocht Hühnerbeine und spielt Arielle mit Donnas Kindern. Leta erinnert sich, erzählt in Fragmenten, lauscht Tonaufnahmen aus dem Jahr 2002 und webt einen Geschichtenteppich. 'Schwarzes': Das ist ein Kaffee aus Donnas Bergland, Urgrund, aus dem die Geschichten entstehen. 'Schwarzes öffnet das Herz, das Hirn, Schwarzes verbindet, Schwarzes heilt Heimwehkranke und Sehnsüchtige.'
Leseprobe
Vermutlich war es der Sturm, der Letas Inneres aufwirbelte und sie in diese trübe Stimmung versetzte. Wind hatte sie schon immer verstört, Wind konnte Ohren und Mandeln entzünden, Bronchien angreifen und sie in ein schwächliches Wrack verwandeln. Vielleicht hatte sie sich deshalb die Zeder gekauft. Sie war nachgiebig, tanzte mit dem Wind. Leta ging in die Küche. Heute war sie mit Aufräumen dran, ihr Mann hatte gekocht. Es gab Fisch mit Kartoffeln und Gemüse. Auf den leer gegessenen Tellern glänzten kleine Ölpfützen, die sie mit dem Mittelfinger der rechten Hand schnell aufputzte und dann den Finger ableckte. Eine Gewohnheit, die sie, ehrlich gesagt, von Donna übernommen hatte. Sie war es, die sowas tun konnte, ungeniert, ohne sich etwas dabei zu denken, darum tat Leta das auch und behielt diese Gewohnheit bei. Das Telefon klingelte. Sie nahm an, dass es ihre Schwester war. Wer sonst sollte sie um die Zeit auf dem Festnetz anrufen? Alle anderen Menschen, die sie kannte, hatten ihre Handynummer. Hier ist A. Sie erkannte ihn. Ob es ihr gut gehe? Seine Stimme hörte sich zerbrochen an, als würden Scherben in seinem Hals stecken. A war der Bruder von Donna, an die sie gerade so intensiv gedacht hatte. In Wirklichkeit hiess sie gar nicht Donna. Irgendwann hatte Leta ihr diesen Namen gegeben und gleich noch einen Buch- oder Filmtitel dazu: Das donnernde Leben der Donna Alba. Woher dieser Name kam, wusste sie nicht. Donna Alba. Albatros. Donna erinnerte an einen Vogel, der majestätisch über den Himmel zog und sich manchmal herabliess zu landen, zu bleiben. Nicht für lange. Losfliegen. Weiterfliegen, höherfliegen. Das war Donna. A ruft an? Warum? Mit dieser Stimme zum Fürchten. Sie hörte, wie er zögerte. Etwas Schlimmes war geschehen.