Beschreibung
Wie ist es möglich, dass Pfarrer und andere ausgebildete Theologen/innen für Predigten und Vorträge keine fachexegetischen Kommentare mehr in die Hand nehmen, geschweige denn eine wissenschaftliche Exegese anfertigen? Der Hauptgrund: Sie haben erlebt, dass dadurch Vorträge eher schlechter werden. Das fachwissenschaftliche Zurückgehen und Verharren in der Vergangenheit und das historische Rekonstruieren von Theorien versucht Fragen zu beantworten, die der Text nicht stellt und den Hörer und Leser nicht interessieren. Der Text, der in das Heute einbrechen will, wird in die Vergangenheit gebannt. Das Wort, das den Hörer des Wortes ergreifen will, gefriert zur lebensfernen Hypothese. Christen aller Zeiten ist es aber selbstverständlich, dass das Wort der Schrift dem Heute koexistiert. Es wird als lebensnahes Gotteswirken erfahren, dass sich als Christusereignis in der kirchlichen Gemeinschaft selbst auslegt. Diese Grunderfahrung wurde im Zuge des neuzeitlich gebildeten Methodenbewusstseins historisch-kritisch forschender Wissenschaftsdisziplinen als Vorurteil abgelehnt. Die biblische Fachexegese wurde in ihren Arbeitsvollzügen und Veröffentlichungen zu einer theologiefernen Disziplin und für den persönlichen Glauben und die kirchliche Gemeinschaft irrelevant. Pastorale Einwände und lehramtliche Beanstandungen gegen diese Entwicklung verhallten weitgehend ungehört. Es waren vor allem außertheologische, hermeneutische Forschungen, Entwicklungen in den Literaturwissenschaften, kanongeschichtliche Studien, Forschungen zu geistlichen Rezeptionen des Christentums und jüdisch-christliche Arbeiten, die der biblischen Exegese und der Theologie ihre eigenen Voraussetzungen nahebrachten und zu einer christusbezogenen Gesamtschau verhalfen. Schon Origenes (* 185 n. Chr.) wusste von ihr. Sie kann auch heute bedeutungsvoll und gewichtig entdeckt werden.