Beschreibung
Wie drei voneinander unabhängige Quellen im Elsass, in Schwaben und in Hessen zu Anfang der siebziger Jahre des 11. Jahrhunderts glaubhaft berichten, strömten wegen der Wundertaten eines Sebald(us) zahlreiche Wallfahrer an seinem Grab unterhalb der Nürnberger Kaiserburg zusammen, um den in den Berichten als heilig bezeichneten Mann zu verehren. Offenbar wurde Sebald in der damals gegenüber der päpstlichen Kanonisation noch überwiegend praktizierten und von einer Synode (vermutlich einer Bamberger Diözesansynode) approbierten Form der Heiligsprechung durch Verehrung (per viam cultus) zur Ehre der Altäre erhoben. Sein Gedächtnis wurde alljährlich an seinem Todestag (19. August) mit einem eigenen Messformular gefeiert. Über seinem Grab in der wahrscheinlich von ihm selbst gestifteten Peterskapelle errichtete die Bürgerschaft des zur Reichsstadt und zu einem Zentrum von Handel und Gewerbe aufsteigenden Nürnberger Gemeinwesens im 13. Jahrhundert die bald nach ihm benannte doppelchörige heutige Pfarrkirche, in welcher die seit Ende des 14. Jahrhunderts in einem silberbeschlagenen Sarkophag geborgenen sterblichen Überreste Sebalds zu Beginn des 16. Jahrhunderts in dem kunsthistorisch bedeutenden bronzenen Renaissancegrabmal von Peter Vischer d. Ä. und seinen Söhnen Aufnahme fanden. Politisch geschickt baute der Nürnberger Rat Sebald zum Stadtpatron auf, den die Bürger in ihren Nöten und Sorgen immer häufiger anriefen. Die aufblühende Sebaldusfrömmigkeit war seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert eng mit dem Entstehen einer Reihe von Legenden verbunden, welche - vielfach in Übernahme von Texten und Motiven aus dem Leben anderer Heiliger - den Bürgern vom Leben ihres Patrons erzählten. In den Legenden wurde Sebald nun überhaupt erst zum Eremiten, Pilger und dänischen Königssohn; die Erzählungen von Begegnungen Sebalds mit den Eichstätter Heiligen Willibald und Wunibald oder das Studium an der Pariser Universität passten schon rein zeitlich nicht in seine tatsächliche Lebenszeit um die Mitte des 11. Jahrhunderts. Die Legenden bestimmten fortan auch seine Ikonographie in der bildenden Kunst. Sebald blieb im Wesentlichen immer ein Lokalheiliger, doch wurde sein Name durch Reliquientransfer an mit der Stadt befreundete Kirchen und Klöster schon früh über Nürnberg hinaus bekannt. 1425 erreichten Rat und die Führungsschicht der Stadt die Bestätigung der Heiligkeit Sebalds durch Papst Martin V. Als Einsiedler und Pilger wurde Sebald gemäß den Legenden zu ihrer Galionsfigur, mit der sie demonstrativ ihre Unabhängigkeit von den umliegenden Bischofsstädten Bamberg, Eichstätt, Regensburg und Würzburg bekundeten. Mit ihrem Heiligen schufen sie ein eigenes Markenzeichen für Nürnberg, das sie als Repräsentanten der freien Reichsstadt auf ihren Handelswegen verbreiteten und das trotz der Einführung der Reformation durch die Jahrhunderte beibehalten wurde. In dem vorliegenden Band wird erstmals die Bedeutung sowie die Rezeption des Nürnberger Stadtpatrons interdisziplinär, transepochal und umfassend untersucht. Die kirchen-, kultur-, kunst- und stadthistorischen Beiträge reichen von den frühen Wundertaten Sebalds über sein legendäres Eremiten- und Pilgerdasein sowie die Reformationszeit bis hin in das Jahr 2019, in dem die Gebeine visitiert und restauratorischen Maßnahmen unterzogen wurden.
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