Beschreibung
Im Jahre 1492 hat die Inquisition Spanien fest im Griff. Per Edikt wird verkündet, dass alle Juden das Land zu verlassen hätten, und ein großer Exodus beginnt. Jona, der dreizehnjährige Sohn des jüdischen Silberschmiedes Helkias Toledano, steht nach der Ermordung seines Bruders Meir und dem Tod seines Vaters durch einen aufgebrachten Mob völlig allein da. Doch statt sich zum Christentum zu bekehren oder zu fliehen, beschließt er, zu seinem Glauben zu stehen und sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Für ihn beginnt eine abenteuerliche Odyssee kreuz und quer durch Spanien. Drei Jahre und zahllose Abenteuer später, im Sommer 1495, ist Jona zu einem kräftigen jungen Mann herangewachsen, der gelernt hat zu überleben und sich dennoch nichts sehnlicher wünscht, als zur Ruhe zu kommen. In Granada begegnet er endlich wieder Glaubensgenossen: der Familie des Seidenhändlers Saadi, die immer noch heimlich ihre Religion praktiziert. Jonas Liebe zu Inés, Saadis schöner Tochter, muss dennoch unerfüllt bleiben. Ein Schiff bringt Jona nach Gibraltar, wo er als Lehrling bei dem Waffenschmied Fierro unterkommt. Fierro muss schließlich selbst vor der Inquisition fliehen und bittet den jungen Mann, ihn zu seinem Bruder Nuno, einem alten Medicus, nach Saragossa zu begleiten. Als der Waffenschmied heimtückisch ermordet wird, beschließt Jona, dennoch seinen Weg nach Norden fortzusetzen. In Saragossa angekommen, entscheidet die Begegnung mit Nuno Jonas Schicksal, denn er spürt sofort, dass in der Heilkunst seine wahre Berufung liegt.
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DER ERSTE SOHN TOLEDO 23. AUGUST 1489 1. KAPITEL DER SOHN DES SILBERSCHMIEDS Für Bernardo Espina begannen die schlechten Zeiten an einem h Tag, an dem die Luft schwer war wie Eisen und der hochmütige Sonnenschein ein Fluch. An diesem Morgen hatte sich die überfüllte Krankenstation schon fast geleert, als im Wartezimmer bei einer Schwangeren die Fruchtblase platzte und er die beiden noch verbliebenen Patienten aus dem Raum scheuchen mußte. Die Frau war nicht einmal eine Patientin, sondern hatte ihren betagten Vater wegen eines Hustens, der nicht vergehen wollte, zum Arzt gebracht. Das Baby war ihr fünftes und kam ohne Zögern auf die Welt. Espina empfing den glitschigen, rosigen Knaben mit beiden Händen, und als er ihm auf die winzigen Pobacken klatschte, wurde das dünne Schreien des stämmigen kleinen peön von denen, die draußen warteten, mit Hochrufen und Gelächter begrüßt. Die Entbindung stimmte Espina heiter, doch diese Verheißung eines glücklichen Tages sollte sich als falsch erweisen. Für den Nachmittag hatte er keine Verpflichtungen mehr, und er überlegte, ob er einen Korb mit Süßigkeiten und einer Flasche tinto packen und mit seiner Familie an den Fluß gehen sollte, wo die Kinder planschen konnten, während er und Estrella im Schatten eines Baums saßen und tranken und plauderten. Er behandelte eben seinen letzten Patienten, als ein Mann auf einem Esel, den er in der Hitze offenbar zu scharf geritten hatte, auf den Hof getrottet kam. Der Mann trug die braune Kutte eines Novizen. Aufgeregt und ein wenig wichtigtuerisch stammelte der Mann, daß das Erscheinen des Herrn Arztes in der Abtei zur Himmelfahrt Mariä gewünscht werde, von Padre Sebastián Alvarez höchstpersönlich. »Der Prior möchte, daß Ihr auf der Stelle kommt. « Der Mann wußte, daß Espina ein converso, ein Konvertit, war, das merkte der Arzt sofort. Zwar erwies er ihm die Ehrerbietung, die Espina dank seines Berufes zustand, aber in seinem Ton schwang auch jene Anmaßung mit, die er einem gewöhnlichen Juden gegenüber an den Tag gelegt hätte. Espina nickte. Er kümmerte sich darum, daß der Esel Wasser und auch der Mann eine kleine Stärkung erhielt. Er selbst pinkelte vorsichtshalber noch einmal, wusch sich Gesicht und Hände und verzehrte ein Stück Brot. Der Novize war noch beim Essen, als Espina vom Hof ritt. Espinas Konversion lag elf Jahre zurück. Seit dieser Zeit war er ein inbrünstiger Anhänger seines gewählten Glaubens, ein Mann, der jeden Feiertag achtete, täglich mit seiner Frau zur Messe ging und sich darum bemühte, seiner Kirche treu zu dienen. Jetzt machte er sich unverzüglich auf, um der Forderung des Priesters nachzukommen, allerdings in einem Tempo, das sein Tier in der Hitze der kupfernen Sonne schonte. Als er in der Hieronymiten-Abtei ankam, läuteten gerade die Glocken, deren schmelzender Klang die Gläubigen zum Angelus der Menschwerdung rief, und vier verschwitzte Laienbrüder schleppten einen Korb mit hartem Brot und einen Kessel mit sopa boba herbei, der dünnen Mönchsbrühe, die für die Bedürftigen, welche sich vor dem Tor des Klosters versammelt hatten, die einzige Mahlzeit des Tages sein würde. Padre Sebastián befand sich zusammen mit Fray Julio Pérez, dem Mesner der Kapelle, im Kreuzgang des Klosters, wo die beiden, ins Gespräch vertieft, auf und ab schritten. Verwundert sah Espina den Ernst in ihren Gesichtern. Er wirkt verstört, kam es dem Arzt in den Sinn, als der Prior den Mesner fortschickte und Bernardo Espina mit düsterer Stimme in Christi Namen begrüßte. »In unserem Olivenhain wurde die Leiche eines Jungen gefunden.« »Der Junge wurde ermordet«, sagte der Priester. Er war ein Mann mittleren Alters mit beständig besorgter Miene, als ängstige er sich, daß Gott nicht zufrieden sei mit seiner Arbeit. Konvertiten gegenüber hatte er sich immer sehr anständig verhalten. Espina nickte langsam, aber ihm schwante Übles. Es war eine gewalttätige Zeit. Mit leidvoller Regelmäßigkeit wurde jemand tot aufgefunden, doch ist Leseprobe