Beschreibung
Darren Flynn ist beliebt - die Mädchen finden ihn sexy, die Jungs halten ihn für einen guten Kumpel und die Lehrer glauben, er könne noch viel mehr als gut schwimmen. Nur er selbst weiß nicht so richtig, wer er ist und was er will. Doch bevor er das herausfindet, wird er zum Spielball fremder Interessen: Seine Freunde spinnen eine Intrige gegen den Englischlehrer Mr. Tracy, weil sie mit ihren Noten unzufrieden sind. Sie behaupten, der Lehrer belästige kleine Jungen. Darren könnte eine entlastende Aussage machen, aber er zögert. Und plötzlich ist es zu spät: Mr. Tracy kommt bei einem Autounfall ums Leben. Jetzt muss Darren Verantwortung übernehmen.
Autorenportrait
Joyce Carol Oates auf X
Leseprobe
Sobald er sechzehn war, zugenommen hatte und wegen seines guten Aussehens beachtet wurde, passierten seltsame Dinge. Als Mitglied des Schwimmteams seiner Schule, in das er am Ende der zehnten Klasse aufgerückt war, und zudem vielversprechender Turmspringer - 'eine unserer großen Hoffnungen', wie der Trainer sich ausdrückte - fand er noch zusätzlich Beachtung. Sein gutes Aussehen wurde Gesprächsthema. Auf der Straße drehten sich junge Frauen, selbst manche über zwanzig, nach ihm um. Sogar einige Lehrer sahen ihm nach und frotzelten: 'Darren Flynn könnte glatt als Brad Pitts jüngerer Bruder durchgehen.' Klar doch! Darren wurde rot, setzte eine finstere Miene auf und schob die Unterlippe vor, um möglichst hässlich auszusehen. Seine ungewöhnlichen, silbergoldenen Haare versteckte er unter einer angeschmuddelten Basecap der Red Sox, die er stets verkehrt herum aufsetzte. Weitere Requisiten waren ein an den Ärmeln ausgefranstes, angeschmuddeltes weinrotes Sweatshirt mit dem cremefarbenen Logo seiner Schule, der North Falls High. Und abgelatschte, alte Nikes mit Schneerändern, Größe 44. Wenn er sich aufregte, bekam er Bläschen am Haaransatz. Und oben am Rücken, wo sie sich entzündeten und wie Ausschlag juckten. Mädchen sagten gern über Darren Flynn, er sei sexy, aber schüchtern. Oder schüchtern, aber sexy. Darren war eindeutig ein Kumpeltyp. Ein Sportler, unverkennbar. Mit seinen Freunden war er entspannt, lachte viel, aber kaum war er mit Mädchen zusammen, trat dieses seltsame Leuchten in sein Gesicht, so als wäre sein Kopf absolut leer. Als könnte er sehen, wie die Mädchen sich zu ihm hingezogen fühlten wie diese armen kleinen Motten, die es zum Licht zieht, die mit ihren Flügeln schlagen, einander wegdrängen auf der verzweifelten Suche nach dem Licht und, wenn das Licht dann ausgeschaltet wird, völlig verwirrt wirken: Was? Was ist jetzt los? Wo ist -? Darren Flynn konnte Menschen von innen her erstrahlen lassen, nur durch die Art, wie er sie ansah. Konnte ihnen das Gefühl geben, jemand ganz Besonderes zu sein. Und dann wich er plötzlich zurück, wurde rot, murmelte irgendetwas vor sich hin und ging weg, und sein Gegenüber stand da und blinzelte, so als wäre das Licht auf einmal verschwunden - wohin? Dann dachten sie: Beim nächsten Mal falle ich nicht darauf rein! Soll er es ruhig versuchen! Aber beim nächsten Mal passierte ärgerlicherweise genau dasselbe. Darren Flynns Art, einem Mädchen den Kopf zu verdrehen. [ ... ] In diesem Jahr, als Darren Flynn in die elfte Klasse der North Falls High ging, zerfiel sein Leben in zwei Teile. Sechzehn war er, aber manchmal fühlte er sich jünger. Wie dreizehn, oder zwölf. Dann wiederum fühlte er sich älter. Hatte alles so satt, war wie ausgebrannt. So viele Leute, die ihn ansahen, etwas von ihm erwarteten - was eigentlich? Gut gemacht, Darren. Aber du kannst noch mehr. Mr.Ellroy sagte das immer, sein Trainer. Darren wusste, das sollte ein Lob sein. Der Trainer sagte das nicht zu jedem, wirklich nicht. Trotzdem hakte sich dieser Satz in seinem Kopf fest. Wenn er sich aus dem Schwimmbecken hochzog, wasserüberströmt, die triefenden Haare am Gesicht klebten, wenn er nach Luft schnappte, als wäre er fast ertrunken. ... noch mehr. Du kannst noch mehr. Darren wurde rot, wenn er die Worte hörte. Spürte einen Kloß im Hals, der sich nur schwer runterschlucken ließ. 'Okay, Mr.Ellroy. Danke. Ich streng mich an.' Darren war (noch) keiner der Stars der Mannschaft. Für den Trainer war er in einer Übergangsphase: Er wurde besser, beständig besser, aber wer vermochte jetzt schon zu sagen, wie weit sein 'Potential' reichen würde? Der schnellste Freistil-Schwimmer, einer der ganz großen Favoriten, war Jimmy Kovaks, ein Freund von Darren, der ebenfalls in der Elften war. Üben, üben! Dann passierte etwas. Es war beim letzten Wettkampf, als sie gegen das Team der Lebanon High School antraten, den Bezirkssieger des vergang ... Leseprobe