Im Sarg nach Prag

Erlebnisse eines Schwarzfahr-Profis, Piper Taschenbuch 7441, Piper Taschenbuch 27441

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492274418
Sprache: Deutsch
Umfang: 186 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 19.2 x 12.3 cm
Einband: kartoniertes Buch

Leseprobe

'. Niemals dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.' Erich Kästner   'Der gute Spieler hat immer Glück. ' José Rául Capablanca, ehemaliger Schachweltmeister   ROBIN HOOD DER BAHNFAHRER   ' Danke ', sagte sie und nippte an ihrem Piccolo. ' Ich bin dir ja so dankbar.' Wir lehnten an einem Stehtisch im ICE-Bistro, und vom Teller dampfte mir Apfelstrudel entgegen. 'Ohne dich wäre das alles nicht möglich gewesen.' Ich lächelte, während sie ihre Gabel im Gebäck versenkte. Als ich sie das erste Mal gesehen hatte, vor drei Monaten, bei der Leseprobe eines Hamburger Privattheaters, an dem man uns engagiert hatte, war sie mir nicht besonders aufgefallen. Hannelore, ein Hausmütterchen über 60 mit Dauerwelle, weichen Gesichtszügen, falschem Schmuck und grau kariertem Rock. In der Pause war das Ensemble beim Italiener eingekehrt, und ich hatte mich neben sie gesetzt. Bei der Bestellung blieb sie die Einzige, die nichts essen wollte. 'Haben Sie keinen Hunger?', erkundigte ich mich. 'Doch', lachte sie mich an. 'Aber ich fahr heut noch Zug. Nach Berlin. Wenn ich hier esse, kann ich mir kein Ticket mehr leisten.' Die Marktlage für eine alternde Schauspielerin, erzählte sie, sei in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden. Und auch in Hamburg bekam sie ein Gehalt, das nur knapp über dem Hartz-IV-Satz lag. Außerdem war das Theater weder in der Lage, eine Gastwohnung zu bezahlen, noch, alternativ Fahrtkosten zu erstatten. 'Eigentlich können die nur Leute aus der Umgebung engagieren', sagte sie. 'Aber 16 Uhr 50 ab Paddington und die Miss Marple sind mir auf den Leib geschrieben! Darum habe ich zugesagt.' Berlin ihre und meine Wahlheimat war gut an Hamburg angebunden, zwei Stunden bis zur Elbestadt. Eine Monatskarte kostete allerdings weit über 600 Euro eine Gastwohnung kaum weniger. Ich kann mich noch gut an ihren Blick erinnern, als ich ihr daraufhin sagte, dass ich für diese Produktion ebenfalls pendelte und meine Gage auch nicht höher sei als ihre. Das Theater hatte wenig Geld, das wusste ich. Durch unglückliche Mietverträge stand es permanent vor der Schließung. Doch in Hamburg genoss diese Bühne Kultcharakter, die Menschen strömten hinein. Und der Direktor hatte mich beim Vorsprechen davon überzeugt, eine 'Traumrolle' bei ihm spielen zu können. 'Nur das Geld', hatte er gedruckst, 'Das ist so eine Sache. ' Ich klopfte ihm auf die Schulter. 'Lass das mal meine Sorge sein'. 'Daran soll das Ganze nicht scheitern.' Als ich Hannelore damals im Restaurant von meinem ' Einstellungsgespräch ' berichtete und sie auf eine Pizza einlud, sah sie mich mit großen Augen an. 'Wie machst du das? Wie kannst du dir das leisten?' Ich musterte sie. Würde sie stark genug sein, die Wahrheit zu verkraften? 'Ich', wagte ich mich nach einer Weile vor, senkte dabei aber meine Stimme, damit die Kollegen nicht auf uns aufmerksam wurden, 'ich fahre schwarz.' Sie runzelte die Stirn. 'Schwarz?' Diese Reaktion war ich gewohnt. Und deshalb begann ich zu erzählen, wie ich durch Schwarzfahren meine kleine Familie und meine Beziehung gerettet hatte, weil ich über die langen Zeiten, die ich in der Ferne engagiert war, finanziell nicht in der Lage gewesen wäre, meine Liebsten regelmäßig in Berlin zu besuchen. Ich berichtete, wie ich mir als Selbstständiger nicht die Teilnahme an Hunderten von inoffiziellen Vorsprechen oder Castings leisten könnte, an Workshops, Treffen mit Regisseuren, Intendanten, mit potenziellen Veranstaltern, um weiter in meinem Beruf arbeiten zu können. Damit dem Finanzamt auf der Tasche zu liegen, das mir ohnehin nur einen Bruchteil erstattet hätte - dazu war ich dem Staat gegenüber zu loyal. Das erstattete ich mir lieber selber. All das erzählte ich ihr, und sie nickte immer schneller und heftiger. Dann sagte sie es. Mit fester Stimme: 'Das will ich auch probieren.' Und nun stand sie bei unserer allerletzten Fahrt neben mir, nach einer d

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