Beschreibung
Wir haben es doch immer geahnt: Beamte sind faule, dumme Schleimer, die die Arbeit scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Zoé Shepard hat es erlebt - und aufgeschrieben. Ihr Tagebuch löste einen Skandal aus und wurde zum Bestseller. Nachdem die wahre Identität der Autorin aufgedeckt war, wurde sie vom Dienst suspendiert. Ihre Kollegen hatten sich wiedererkannt.
Autorenportrait
Trotz ihres Pseudonyms wird Zoé Shepard alias Aurélie Boullet bald nach Erscheinen des Buches in Frankreich demaskiert - ihre Kollegen in der Regionalregierung von Aquitaine im französischen Südwesten hatten sich im Buch wiedererkannt und gaben zu, dass wenig des Geschilderten übertrieben ist. Im Sommer 2010 wurde die 32-Jährige für zwei Jahre vom Dienst suspendiert.
Leseprobe
Vorgeschichte Wer in Frankreich die Aufnahmeprüfungen für die höhere Beamtenlaufbahn bestehen möchte, sollte sich genauso vorbereiten wie jemand, der beim Poker zum Jackpot-König von Las Vegas aufsteigen will. Unterm Strich kommt es nämlich nur darauf an, wie gut man blufft. Ein Pokerspieler, der aus dem Spielverlauf Rückschlüsse auf die Karten seiner Gegner ziehen und sie entsprechend beeinflussen kann, hat schon so gut wie gewonnen. Und ein Prüfungskandidat, der sich auf die Kunst des cleveren Scheins versteht, wird am Ende immer zum Kreis der Auserwählten gehören. In beiden Fällen geht es einzig und allein um eine möglichst präzise Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die schriftlichen Prüfungen der Vorrunde sind sterbenslangweilig. Man muss nur ein bisschen Zeitgeist und ein paar tagesaktuelle Skandälchen mit einigen Thesen der großen Intellektuellen von gestern und heute kombinieren, verschnürt das Ganze zu einem schicken Geschenkpaket - und fertig. Was die ganze Sache so berechenbar macht, ist das Auswahlprinzip: Es sind Beamte, die über die Auswahl zukünftiger Beamter entscheiden. Die Arbeit dieses Auswahlgremiums darf live miterleben, wer die Vorauswahl überstanden hat und zur zweiten Runde zugelassen wird, den mündlichen Prüfungen. Darunter auch die Königsdisziplin, von deren Beherrschung es letztlich abhängt, ob man in den exklusiven Club des höheren französischen Beamtentums aufgenommen wird oder nicht: die große Disputation. Sie ist vergleichbar mit einem ersten Rendezvous: Man möchte sich von seiner besten Seite präsentieren und gemeinsame Werte und Interessen so deutlich wie möglich herausstreichen. Genauer gesagt, handelt es sich um ein dreiviertelstündiges Blind Date mit neun Personen, für das man üblicherweise ein Kostüm wählt, das so wirkt, als hätte man es von Mama ausgeliehen. Um trotz dieser Verkleidung einen blendenden Eindruck zu hinterlassen, bleibt dem Kandidaten keine andere Wahl: Er muss geradezu zwangsläufig zur Notlüge greifen. Die paar Wochen zwischen der Zulassung zur zweiten Runde und der großen Disputation vergehen schnell - Einstein hatte recht, Zeit ist wirklich ein sehr relativer Begriff -, und als ich vor dem Prüfungszentrum stehe, habe ich das Gefühl, nicht einmal ein Viertel des erforderlichen Lernpensums zu beherrschen. Ich betrete also die Eingangshalle und befinde mich plötzlich in der Vierten Dimension. In einem Paralleluniversum voller Anti-Ichs. Ich hatte eigentlich mit lauter gestressten Kandidaten gerechnet, die hektisch wechselweise im Handbuch für öffentliches Finanzwesen und dem Handbuch der Allgemeinbildung blättern. Stattdessen finde ich Prüflinge vor, die es sich in Sesseln bequem gemacht haben und bei einem Kaffee anscheinend völlig entspannt die Zeitung lesen. Eine ValiumReklame. Eine Versammlung von Buddhas in Anzügen. Ich wäre wirklich nicht weiter erstaunt, wenn einer von ihnen anfinge zu schweben. Doch bevor ich sie fragen kann, wie sie es geschafft haben, so unglaublich zenmäßig draufzusein, ruft ein Amtsdiener mich zu sich, damit ich aus einer Reihe vorbereiteter Umschläge eine Prüfungsaufgabe ziehe. Die ersten 30 Sekunden sind schrecklich. Ich weiß plötzlich gar nichts mehr. Die Buchstaben tanzen vor meinen Augen. Trotzdem muss ich jetzt zwischen Vortrag und Erörterung wählen. Ich entscheide mich gegen den Vortrag - das Thema 'Anzahl und Entwicklung der Postämter in Frankreich' ist einfach zu spannend - und für die Erörterung. Hier lautet das Thema 'Wissenschaftler im Dienste des Weltuntergangs?'. Und dann geschieht eine Art Wunder. Die Stunden und Tage, die ich damit verbracht habe, Allgemeinwissen in mich hineinzustopfen, waren offenbar doch nicht völlig vergebens. Mir fallen ein paar gute Gedanken zum Thema ein und auch ein paar passende Beispiele. 20 Minuten später, mein Kopf ist leer und mein Notizblock vollgekritzelt, betrete ich dann die Arena. Vor mir sitzen die neun Weisen, dem ernsten Anlass entsprechend gekleidet und
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