Beschreibung
Frank verteidigt in seinen politisch-philosophischen Aufsätzen vor dem Ersten Weltkrieg die unverletzlichen Rechte des Individuums gegen die staatliche Autokratie. Als 1909 die - später berühmt gewordene - Aufsatzsammlung Wegzeichen (Vechi) als Warnruf vor dem Wertezerfall in der russischen Gesellschaft erscheint, ist Frank der jüngste der Autoren. In Auseinandersetzung mit dem Neukantianismus entwickelt er die Grundlagen seiner Philosophie. Nach der erzwungenen Emigration schreibt Frank in Berlin seine Sozialphilosophie Die geistigen Grundlagen der Gesellschaft (Paris 1930). Zur Zeit des Terrors in der Sowjetunion und des heraufziehenden Nationalsozialismus leistet sie einen Beitrag zur Neuordnung der europäischen Gesellschaft. In ihr integriert Frank die Erkenntnisse der Phänomenologie und der personalistischen Dialogphilosophie in die Ontologie des christlichen Neuplatonismus. Das Wir-sein, in dem Ich und Du ungeachtet ihrer bleibenden Sonderung eins sind, begreift er als den ontologischen Grund jeder Gesellschaft. Anders als Heideggers "Mitsein" bedeutet in Franks Sozialontologie das "Wir-sein" Teilhabe am absoluten Sein, das Leben ist. Auf diese Sozialontologie gründet Frank seine Gesellschaftstheorie und politische Ethik. Frank, der als der bedeutendste russische Philosoph des 20. Jahrhundert gilt, starb 1950 in London.
Autorenportrait
Simon L. Frank (1877-1950) wurde nach dem Studium in Moskau und Berlin 1912 Dozent in St. Petersburg. 1922 aus der Sowjetunion ausgewiesen, lehrte er einige Jahre an der Berliner Universität und musste 1938 wegen seiner jüdischen Herkunft nach Frankreich emigrieren. Simon L. Frank ist tief in der westeuropäischen, insbesondere der deutschen Philosophie verwurzelt; starke Anregungen verdankt er der cusanischen Erkenntnislehre. 1909 sorgt er mit seiner Edition des Ersten Bandes der Logischen Untersuchungen Edmund Husserls für die Rezeption der Phänomenologie in Rußland. Er gilt als der bedeutendste russische Philosoph des 20. Jahrhunderts.