Beschreibung
1958 wird Jean-Paul Sartre von John Huston gebeten, ein Drehbuch zu schreiben, genauer, über jenen aufregenden Abschnitt in Freuds Leben, als dieser die Hypnose aufgibt und unter Qualen die Psychoanalyse entwickelt - über die heroische Zeit der Entdeckung also. Aus der ursprünglich durch Geldmangel motivierten Arbeit wird unter Sartres Händen ein Werk, das nicht nur den im Bau von spannenden Szenen und Dialogen erfahrenen Theaterautor erkennen läßt, sondern das schließlich sowohl in seinem Oeuvre als auch in der Geschichte der Psychoanalyse einen wichtigen Platz einnimmt. " Dieser postum veröffentlichte Text befreit den wahren Freud vom Korsett der offiziellen Geschichte", schreibt Elisabeth Roudinesco, Autorin einer Geschichte der Psychoanalyse in Frankreich. Allerding zeigt Sartre keinerlei Bemühen um ein dem Film angemessenes Maß. Wenn das Drehbuch angenommen worden wäre, hätte es einen Film von ungefähr sieben Stunden ergeben. Sartre machte sich keine Illusionen: ". man kann zwar einen vierstündigen Film über Ben Hur drehen, aber das Publikum von Texas würde keine vier Stunden über Komplexe aushalten." Huston machte Einwände, Sartre streicht zwar zahlreiche Sequenzen, aber er fügt neuen Szenen, neue Figuren hinzu und weitet die theoretischen und didaktischen Darlegungen aus. Als der erheblich gekürzte und umgeschriebene Film aufgeführt wird, ist auf Sartres Verlangen sein Name aus dem Vorspann verschwunden. Sartre sieht Freud als einen widersprüchlichen, ungestümen und zugleich beherrschten, starrköpfigen und zerrissenen Mann im ständiger, Kampf mit selbst und der Umgebung: die Psychoanalyse ist das Ergebnis einer langen Arbeit Feuds an sich und vor allem gegen sich selbst, mit Durchbrüchen ,Sackgassen, Kehrtwendungen. Seine Unnachgiebigkeit, seine Kompromißlosigkeit, seine hartnäckige Opposition gegen die herrschende Medizin und Psychiatrie, seine Selbstbehauptung als Jude gegen den Wiener Antisemitismus, all diese Züge mußten Sartre zur Darstellung reizen. Der Freud, der sich Sartre in diesem Jahr offenbart, kündigt den "Idiot der Familie" an: Neurose und Schöpfung sind eng miteinander verbunden. Die deutsche Ausgabe des ,Scenario Freud" folgt der Auswahl des französischen Psychoanalytikers und Sartre- Freundes Jean-Bernard Pontalis, der in seinem Vorwort die Umstände der Entstehung, die Manuskriptlage, Sartres Quellen, den Bezug zu anderen Werken Sartres und das Problem der bildlichen Darstellbarkeit der Psychoanalyse behandelt.
Autorenportrait
Geboren am 21.06.1905, wuchs er nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahre 1906 bis zur Wiederheirat seiner Mutter im Jahre 1917 bei seinen Großeltern Schweitzer in Paris auf. 1929, vor seiner Agrégation in Philosophie, lernte er seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir kennen, mit der er eine unkonventionelle Bindung einging, die für viele zu einem emanzipatorischen Vorbild wurde. 1931-1937 war er Gymnasiallehrer in Philosophie in Le Havre und Laon und 1937-1944 in Paris. 1933 Stipendiat des Institut Français in Berlin, wo er sich mit der Philosophie Husserls auseinandersetzte.Am 02.09.1939 wurde er eingezogen und geriet 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der er 1941 mit gefälschten Entlassungspapieren entkam. Noch 1943 wurde unter deutscher Besatzung sein erstes Theaterstück 'Die Fliegen' aufgeführt; im selben Jahr erschien sein philosophisches Hauptwerk 'Das Sein und das Nichts'. Unmittelbar nach dem Krieg wurde Sartres Philosophie unter dem journalistischen Schlagwort 'Existenzialismus'zu einem modischen Bezugspunkt der Revolte gegen bürgerliche Lebensformen. 1964 lehnte er die Annahme des Nobelpreises ab. Zahlreiche Reisen führten ihn in die USA, die UdSSR, nach China, Haiti, Kuba, Brasilien, Nordafrika, Schwarzafrika, Israel, Japan und in fast alle Länder Europas. Er traf sich mit Roosevelt, Chruschtschow, Mao Tse-tung, Castro, Che Guevara, Tito, Kubitschek, Nasser, Eschkol. Sartre starb am 15.4.1980 in Paris.Auszeichnungen: Prix du Roman populiste für 'Le mur' (1940); Nobelpreis für Literatur (1964, abgelehnt); Ehrendoktor der Universität Jerusalem (1976).
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