Genozid und Geschlecht

Jüdische Frauen im nationalsozialistischen Lagersystem

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593377308
Sprache: Deutsch
Umfang: 276 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 20.9 x 14.7 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Erstmals wird hier in einem deutschsprachigen Band das Leben, Sterben und Überleben jüdischer Frauen in den Lagern des NS-Regimes untersucht: von frühen Konzentrationslagern wie Moringen über Stammlager (Ravensbrück) und Außenlager bis zum Vernichtungslager Auschwitz. Dabei geraten auch andere Gruppen in den Blick: nichtjüdische inhaftierte Frauen, männliche Häftlinge ( jüdische wie nichtjüdische) und das weibliche wie männliche SS-Lagerpersonal. Die Autorinnen und Autoren rekonstruieren aus mündlichen und schriftlichen Zeugnissen die Lagerhierarchie, die Erfahrungen und Wahrnehmungen der Häftlinge sowie die spezifische Erfahrung der Frauen von Sexualität und Gewalt und thematisieren auch das Weiterleben der Betroffenen nach dem Holocaust.

Autorenportrait

Gisela Bock ist Professorin für Neuere Geschichte am Institut für Geschichte der Freien Universität Berlin.

Leseprobe

Das Lagersystem war komplex und wandelte sich während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft; in zahlreichen Lagern wurden Frauen gefangengehalten (Schwarz 1990). Die Beiträge arbeiten zum einen die Unterschiedlichkeit von Lagern heraus, in denen jüdische Frauen inhaftiert waren, und zum anderen den Wandel des KZ-Systems im Lauf der Jahre des NS-Regimes: in bezug auf Einweisung, Leben, Überleben und Sterben jüdischer Frauen. Sie reichen von dem frühen Frauen-Konzentrationslager Moringen, zu dessen Zeit das künftige Grauen noch nicht absehbar war (Jane Caplan), über das 1939 errichtete Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, das in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs für jüdische Frauen eine Art Durchgangslager war, von dem aus sie weitertransportiert wurden (Linde Apel), das Ghetto Theresienstadt mit seinen lagerähnlichen Zügen (Anna Hájková) bis hin zum Vernichtungslager Auschwitz (Na'ama Shik, Constanze Jaiser). Hinzu kommen Beispiele für die - an Zahl weit über die der "Stammlager" hinausgehenden - Außenlager (Irmgard Seidel für die von Buchenwald, Hans Ellger für die von Neuengamme und Irith Dublon-Knebel für eines von Ravensbrück). Ein Beitrag zu den mörderischen Lagern im rumänischen Transnistrien (Ronit Lentin) ergänzt den Schwerpunkt des Bandes auf Ostmittel- und Südosteuropa bzw. auf Menschen aus dieser Region. Einen Beitrag zu den reinen Todeslagern, wo sämtliche Deportierte sofort nach ihrer Ankunft umgebracht wurden, gibt es nicht; in den Todeslagern gab es - abgesehen vom Transport - keinen "Weg zur Vernichtung" (Hilberg), der - so scheint es derzeit jedenfalls - auf seine geschlechterspezifische Bedeutung hin untersucht werden kann, zumal fast niemand sie überlebte (und keine Frau). Abschließend geht es um das "Weiterleben" (Klüger 1992) von Überlebenden nach 1945 (Christa Schikorra am Beispiel der Tschechoslowakei, Sabine Kittel an dem der Vereinigten Staaten). Für alle Beiträge gilt, was im Kontext des Lageruniversums selbstverständlich ist: Von jüdischen Frauen handeln heißt, daß es auch um nichtjüdische Häftlinge (Frauen wie Männer) geht, außerdem um Frauen (wie Männer) des KZ-Aufsichtspersonals (letzteres vor allem im Beitrag von Irith Dublon-Knebel). Zeigt sich anhand dieser Lagersituationen eine große Bandbreite unterschiedlicher und sich wandelnder Stationen von Leben und Leiden, Sterben und Überleben, die vorschnell verallgemeinernde Aussagen über jüdische Frauen im KZ-System verbietet, so werden auch weitere Dimensionen der Differenzierung unter den Opfern sichtbar gemacht. Hanna Herzogs und Adi Efrats soziologische Analyse griechisch- jüdischer Frauen in Auschwitz und Ravensbrück demonstriert, wie wenig ethnisch einheitlich - nach Herkunft, Sprache und Verhaltensmustern im Lager - die Gruppe der verfolgten Jüdinnen war. Constanze Jaiser analysiert anhand von frühen Zeugnissen jüdischer Überlebender im Vergleich mit solchen von nichtjüdischen die Repräsentationen von Gewalt und Sexualität und vermag zu zeigen, daß es bedeutsame Unterschiede zwischen den Zeugnissen von "Funktionshäftlingen" oder Kapos (hauptsächlich nichtjüdischen, aber auch einigen jüdischen) und "normalen" Häftlingen gab und daß Gewalt zwar vor allem von SS-Aufseherinnen ausgeübt wurde, aber nicht auf sie beschränkt war. Das führt zu zwei schwierigen Fragen. Zum einen ist das die Problematik der Hierarchien unter den Häftlingen, neben den offensichtlichen zwischen Häftlingen und SS-Personal. Zum anderen ist es die (bisher gänzlich unterbelichtete) Frage von sexueller Gewalt in den Lagern. Lange Zeit hatte man angenommen, daß Vergewaltigung keinen Platz im konzentrationären Universum gehabt habe, da die nationalsozialistische Rassenideologie sexuelle Beziehungen - freiwilliger oder unfreiwilliger Art - zwischen Männern der "Herrenrasse" und jüdischen Frauen tabuisierte. Zwar bleibt richtig, daß sich das neuere genozidale Geschehen im einstigen Jugoslawien, bei dem geplante und politisch motivierte Massenvergewaltigung an der Tagesordnung war, drastisch vom nationalsozialistischen Genozid an den Juden unterscheidet (mehrfach wurden sie im Rahmen der vergleichenden Genozidforschung in dieser Hinsicht verglichen). Gleichwohl wachsen die begründeten Zweifel daran, daß im Kontext des Holocaust jenes nationalsozialistische Tabu wahrhaft wirksam war.

Inhalt

Einführung Gisela Bock Gabriele Herz: "Schutzhaft" im Frauen-Konzentrationslager Moringen 1936-1937 Jane Caplan Judenverfolgung und KZ-System: Jüdische Frauen in Ravensbrück Linde Apel "Erinnern kann ich mich nur an eine Frau Danz..." Die Aufseherin Luise Danz in der Erinnerung ihrer Opfer Irith Dublon-Knebel "Wir Griechinnen wurden klepsi klepsi genannt" Jüdisch-griechische Frauen im Konzentrationslager Ravensbrück Hanna Herzog und Adi Efrat Weibliche Erfahrung in Auschwitz-Birkenau Na''ama Shik Repräsentationen von Sexualität und Gewalt in Zeugnissen jüdischer und nichtjüdischer Überlebender Constanze Jaiser Jüdische Frauen in den Außenkommandos des Konzentrationslagers Buchenwald Irmgard Seidel Die Frauen-Außenlager des KZ Neuengamme: Lebensbedingungen und Überlebensstrategien Hans Ellger Erinnertes Chaos: Zeugnisse weiblicher Überlebender aus Transnistrien Ronit Lentin Strukturen weiblichen Verhaltens in Theresienstadt Anna Hajkova Rückkehr in eine neue Gesellschaft: Jüdische Remigrantinnen in der Tschechoslowakei 1945-1948 Christa Schikorra Weiterleben in der Neuen Welt: Jüdische KZ-Überlebende in den USA Sabine Kittel Anhang Gedruckte Zeugnisse Sonstige Quellen und Forschungen Autorinnen und Autoren

Schlagzeile

Leben, Sterben und Überleben im Konzentrationslager>

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