Hermann Langbein

Ein Auschwitz-Überlebender in den erinnerungspolitischen Konflikten der Nachkriegszeit, Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts 21

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593397887
Sprache: Deutsch
Umfang: 641 S.
Format (T/L/B): 4.3 x 22 x 15.2 cm
Auflage: 1. Auflage 2012
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

InhaltsangabeInhalt 1.Einführung 9 2.Wien Spanien Auschwitz und zurück29 2.1.Kindheit und Jugend in Wien 29 2.2.Internationale Brigaden in Spanien und französische Internierungslager 34 2.3.KZ Dachau 41 2.4.Schreiben über Auschwitz I 46 2.5.Österreich nach Ende des Krieges 66 2.6.Schreiben über Auschwitz II 74 2.7.Parteifunktionär in der KPÖ102 3.NSVerfolgte und ihre Organisationen in der frühen Nachkriegszeit 108 3.1.Anfänge der Organisierung 108 3.2.Narrative von Widerstand und Verfolgung 110 3.3.Die NSVerfolgten in Osteuropa 118 3.4.Die Verfolgtenverbände im Kalten Krieg 125 3.5.Die Lagergemeinschaften und der "Geist der Lagerstraße" 130 3.6.Internationale Lagerkomitees, KZ-Gedenkstätten und Lagergeschichtsschreibung 137 4.Die ersten Jahre des Internationalen Auschwitz-Komitees 143 4.1."Nie wieder Auschwitz" 143 4.2.Exkurs: Das Staatliche Museum Auschwitz149 4.3.Die "Hauptverantwortlichen" für Auschwitz157 4.4.Carl Clauberg 160 4.5."12 Jahre sind vergangen" - Die erste Generalversammlung in Auschwitz 164 4.6.Frühe Kontakte und Aktivitäten in Westdeutschland 173 4.7.Die Ereignisse vom Herbst 1956 und die "Verantwortung der Widerstandskämpfer" 184 4.8.Erste Kontroversen - Die zweite Generalversammlung in Auschwitz 195 4.9.Das IAK und die Internationalisierung des Staatlichen Museums Auschwitz 200 4.10.Die Finanzierung des Komitees 215 4.11.Der Konflikt um das Vorwort zu Die Todesfabrik 218 5.Entschädigung für Auschwitz-Häftlinge223 5.1.Das Wollheim-Abkommen225 5.2.Verhandlungen mit anderen Firmen wegen Entschädigung der Zwangsarbeiter 258 5.3.Entschädigung für die Opfer medizinischer Versuche 265 5.4.Entschädigung für die in Auschwitz entzogene "Habe" der Häftlinge 268 5.5.Resümee 275 6.Auschwitz zwischen West und Ost - Das Komitee 1958/59 280 6.1."Keine großen Worte - konkrete Arbeit" 280 6.2.Die "Memoiren" des Lagerkommandanten Rudolf Höß 284 6.3.Die DDR und die internationalen Lagerkomitees 295 6.4.Der Parteiausschluss 300 6.5.Das IAK zwischen Wien und Warschau 307 6.6.Das Internationale Denkmal in Birkenau 313 6.7.Die Suche nach Kompromissen im Komitee 325 6.8.Das Deutsche Auschwitz-Komitee 331 7.Die ehemaligen Häftlinge und die juristische Ahndung der Verbrechen in Auschwitz 343 7.1.Öffentlichkeit und NS-Verbrechen in der Bundesrepublik 1958 346 7.2.Voraussetzungen 356 7.3.Die SSÄrzte 374 7.4.Die Organisatoren der Deportationen nach Auschwitz 386 7.5.Die Zusammenarbeit mit der Zentralen Stelle in Ludwigsburg 402 7.6. Fritz Bauer und die Ermittlungen zum Auschwitz-Prozess 417 8.Bruch und Neuorientierung 443 8.1.Wen repräsentiert das Komitee 1960? 443 8.2.Die Generalversammlung in Warschau und ihre Folgen 449 8.3.Die Suche nach neuen Zusammenschlüssen 456 8.4.Der Bruch 460 8.5.Der Sammelband Auschwitz - Zeugnisse und Berichte 468 8.6.Eichmann und seine Niederschriften 478 8.7.Der Abschied vom organisierten Antifaschismus 485 9.Der Auschwitz-Prozess und seine Folgen 491 9.1.Gerichtliche Voruntersuchung und Nebenklage 492 9.2.Zeugen in Frankfurt 498 9.3.Langbein als Zeuge und Prozessbeobachter 509 9.4.Angriffe der Verteidigung 517 9.5.Die publizistische Begleitung des Auschwitz-Prozesses 519 9.6.Die Bilanz des Prozesses 529 9.7.Auschwitz in den Nachfolgestaaten des "Dritten Reichs": Die Prozesse in der DDR und in Österreich 538 9.8.Zeugen und Überlebende 548 9.9.Schreiben über Auschwitz III - Zwischen Zeugenschaft und Geschichtsschreibung 555 10.Resümee 562 Abkürzungen 588 Quellen und Literaturverzeichnis 592 Personenregister 634 Danksagung 640

Autorenportrait

Katharina Stengel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fritz Bauer Institut, Frankfurt. Zusammen mit Werner Konitzer hat sie zuletzt 'Opfer als Akteure. Interventionen ehemaliger NS-Verfolgter in der Nachkriegszeit' (2009) herausgegeben.

Leseprobe

Sie forschten und publizierten zur Geschichte der Konzentrationslager, sammelten Berichte, Dokumente und Fotos, entwickelten Formen des Gedenkens und schufen Orte dafür, versuchten die Öffentlichkeit über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären, kämpften für die Entschädigung der Opfer und für die Strafverfolgung der Täter: Es waren fast ausschließlich ehemalige KZ-Häftlinge und andere Verfolgte des Nationalsozialismus, die sich zwischen den späten 1940er und den frühen 1960er Jahren für all diese Tätigkeiten zuständig fühlten. Eine Gruppe ehemaliger Häftlinge des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz schuf sich dafür eine feste organisatorische Struktur - das Internationale Auschwitz-Komitee (IAK). In der Hochphase des Kalten Krieges war dieses Komitee mit seinen grenzüberschreitenden Netzwerken und Aktivitäten und der proklamierten Überparteilichkeit ein fast einzigartiges Experiment; als Brücke zwischen West- und Osteuropa standen ihm Möglichkeiten offen, die den meisten Verbänden und Institutionen dieser Zeit versperrt blieben. Zugleich prallten im Auschwitz-Komitee unterschiedliche Interpretationen und Erzählweisen der Lagergeschichte auf­einan­der. Trotz der Dominanz antifaschistischer Häftlinge sollten mit der Arbeit des Komitees gleichermaßen politische wie jüdische KZ-Häftlinge repräsentiert werden, und für eine kurze Zeitspanne kamen hier tatsächlich Positionen zusammen, die sich wenig später unversöhnlich gegenüberstanden: Kommunistische Funktionäre und Angehörige des polnischen Widerstands suchten eine gemeinsame Sprache und Handlungsbasis mit Verfolgten, die explizit als Juden sprachen. Das Verbindende war das politische Ziel: der Versuch, die Nachkriegsgesellschaften, vor allem die bundesdeutsche, zu einer Wahrnehmung der Verbrechen von Auschwitz zu nötigen. Die sich ausdifferenzierenden und widersprechenden Darstellungen und Deutungen von Auschwitz seitens verschiedener Gruppen ehemaliger Häftlinge sowie die politischen Konflikte des Kalten Kriegs ließen ein dauerhaftes Bündnis jedoch nicht zu. Der Österreicher Hermann Langbein war ein bedeutender Protagonist dieser frühen erinnerungspolitischen Aktivitäten. Er hat die Erfahrungen seiner zweijährigen Haft im KZ Auschwitz zum Mittelpunkt seines Lebens gemacht. In der gemeinsamen Anstrengung der ehemaligen Häftlinge, Auschwitz im Gedächtnis der Nachkriegsgesellschaften zu verankern, sah er jahrelang sein wichtigstes Betätigungsfeld. Von der Gründung 1954 bis zum Jahr 1960 war er Generalsekretär des Internationalen Auschwitz-Komitees, anschließend noch für einige Zeit "Beauftragter für SS- und Entschädigungsfragen", bevor er das Komitee verließ. Ab den 1970er Jahren wurde er vor allem als Autor und "Zeitzeuge" bekannt. Biographie, Verbandsgeschichte, Geschichte der europäischen Nachkriegszeit In der vorliegenden Arbeit wird die Biographie Langbeins, genauer: bestimmte Aspekte und Ausschnitte seiner Biographie, verknüpft mit der Geschichte der ersten internationalen Organisation von Auschwitz-Überlebenden, mit ihren Tätigkeiten und ihrem politischen Umfeld. Ob es sich hierbei um eine "wahre Biographie" im Sinne Jacques LeGoffs handelt, also um eine "Präsentation und Deutung eines individuellen Lebens innerhalb der Ge­schichte", kann bezweifelt werden. Den politischen Konstellationen der frühen Nachkriegszeit, den Organisationsbemühungen, Konflikten und Tätigkeiten der ehemaligen Häftlinge und ihres Umfelds wird ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie der individuellen Lebensgeschichte des Protagonisten. Zudem nimmt die Arbeit nicht das ganze Leben Langbeins in den Blick, sondern konzentriert sich auf eine recht kurze Zeitspanne und deren Vorgeschichte. Im Zentrum stehen die Jahre zwischen der Gründung des Internationalen Auschwitz-Komitees 1954 und dem Ende des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses 1965, der lebensgeschichtlich für Langbein von großer Bedeutung war, aber auch als Zäsur in der öffentlichen Wahrnehmung der Verbrechen von Auschwitz und ihrer Opfer gelten kann. In ihren biographischen Teilen geht die Arbeit über diese Zeitspanne hinaus. Hermann Langbein in den Mittelpunkt dieser Arbeit zu stellen, birgt eine Gefahr, die mit dem Genre der Biographie generell einhergeht: Geschichte wird als die Geschichte "großer Männer" geschrieben, deren Wirken und Denken damit zum entscheidenden Faktor historischer Ereignisse und Entwicklungen werden. Mit der Konzentration auf ökonomische und gesellschaftliche Strukturen und auf Entwicklungen größerer Zeiträume in den Geschichtswissenschaften war die Biographie für viele Jahrzehnte in die Defensive geraten. Den Vertretern der theorieorientierten Sozial- und Strukturgeschichte galt sie als Relikt des Historismus, mehr literarische Erzählform als Wissenschaft, mit einer starken Neigung zur Heroisierung und Mystifizierung der "großen Persönlichkeiten". Dazu kam eine zunehmende Skepsis gegenüber der Vorstellung einer kohärenten und konstanten "Lebensgeschichte" - von Pierre Bourdieu, vielzitiert, als "biographische Illu­sion" bezeichnet - und einem dem biographischen Schreiben oft unausgesprochen zugrunde liegenden Konzept des Individuums als einer homogenen, autonomen Einheit, das in Widerspruch steht zu allen modernen Subjekttheorien. Seit etwa zwei Jahrzehnten kann jedoch in den Kultur-, Sozial- und Geschichtswissenschaften eine "Renaissance der Biographie" beobachtet werden, in der sich eine Skepsis gegenüber der Tragweite und dem Determinismus abstrakter und strukturorientierter Forschung ausdrückt sowie eine Hinwendung zum Subjektiven, Kontingenten, zu Detailstudien oder, mit LeGoff gesprochen, "eine Lust auf das Konkrete". Die Vorstellungen vom Gegenstandsbereich biographischen Schreibens haben sich dabei erheblich verändert. Der "große Mann" als Solitär in Gesellschaft und Geschichte ist in der "neuen Biographik" längst abgelöst worden von einer Auffassung des Individuums als Teil der Gesellschaft, gleichermaßen Effekt und Akteur sozialer Strukturen. Das Individuum wird dabei selbst historisiert; es geht nicht um die Abbildung der jeweiligen Selbstentwürfe und Sinnstiftungen, sondern um eine Analyse ihrer historischen und gesellschaftlichen Grundlagen. Die enge Verknüpfung von Langbeins Lebensgeschichte mit der Organisationsgeschichte der Auschwitz-Häftlinge, die hier vorgenommen wird, soll zunächst sowohl eine Konkretisierung ansonsten eher abstrakt erscheinender (erinnerungs)politischer Prozesse ermöglichen als auch eine historische Kontextualisierung der Tätigkeiten eines für die hier aufgeworfenen Fragestellungen bedeutenden Akteurs. Hierfür werden die besonderen Möglichkeiten eines biographischen Zugriffs genutzt: der mikrologische Blick, der Zugang zu den konkreten Verarbeitungsweisen historischer Erfahrungen, die Wahrnehmung eines individuellen Lebens als Kreuzungspunkt unterschiedlicher historischer und politischer Entwicklungen, Diskurse und sozialer Zusammenhänge, schließlich die Funktion der Lebensgeschichte als roter Faden für eine Erzählung, mit der auch disparat erscheinende Fragestellungen zusammengeführt werden können. Es gibt jedoch auch spezifische, in der Biographie Langbeins liegende Gründe, die eine so enge Verknüpfung seiner persönlichen Geschichte mit der einer Organisation nahelegen: Man kann - zumindest für die frühen Jahre des Verbandes - keine Geschichte des IAK schreiben, ohne eine Geschichte Langbeins zu schreiben, umgekehrt ist aber auch eine Biographie Langbeins undenkbar ohne die Geschichte der Organisationen, für die er tätig war. Teil einer Organisation, eines Kollektivs, eines "Wir" zu sein, die individuelle Geschichte unmittelbar mit der Geschichte einer Organisation oder Partei zu verknüpfen, war ein wesentliches Merkmal seines Selbstverständnisses. In dieser Hinsicht blieb Langbein länger Kommunist, als er Partei­mitglied war. Wo immer er sich bewegte, im Österreich des "Ständestaates", in Spanien während des Bürgerkriegs, in den verschiedenen Internie...

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