Beschreibung
Haben Kinder erst einmal eine Wahrnehmungsstörung entwickelt, so fallen sie auf unterschiedlichste Weise auf: Sie zappeln und stolpern, sie gebärden sich reizbar und launisch, sie reagieren langsam und sind ungeschickt. Die reichhaltige Sammlung von Spielen und Übungen im Buch regt bei kleinen wie größeren Kindern alle Sinne an. Wahrnehmung mit allen Sinnen ist die grundlegende Voraussetzung für Bewegung, Denken, Handeln, Verhalten und Sprache. Der logische Schluß daraus: Wenn die Wahrnehmung gestört ist, äußert sich das durch Auffälligkeiten in der Bewegung, im sozialen Verhalten, in der Sprache, in den emotionalen Äußerungen. Mit Ungezogenheit, Bosheit oder Faulheit hat das ebenso wenig zu tun wie mit schlechter Erziehung. Dieses Buch will Eltern und Erziehern ein Gespür für solche Zusammenhänge geben. Sie erfahren, an welchen Anzeichen sie mögliche Wahrnehmungsstörungen bei Kindern erkennen. Anhand von einfachen Experimenten erleben sie hautnah, wie sich betroffene Kinder fühlen. Von da ist der Weg zu einer "sinnvollen" Förderung im Alltag nicht mehr weit. Nicht zuletzt stellt das Buch wichtige Hilfs- und Fördermöglichkeiten vor und führt eine Fülle von nützlichen Adressen an.
Autorenportrait
Rita Steininger hat Ethnologie (M.A.), Politikwissenschaft, Anthropologie und Humangenetik studiert und eine Journalistenausbildung absolviert, die ihr besonderes Interesse am Thema Kommunikation geweckt hat. Heute arbeitet sie hauptsächlich als freie Lektorin und Sachbuch- Autorin mit den Schwerpunkten Erziehung, Gesundheit und Entwicklungsförderung. Sie ist Mutter von zwei Kindern.
Leseprobe
4. Kapitel: Förderung beginnt im Alltag Die erste und wichtigste Möglichkeit, ein Kind mit Wahrnehmungsstörungen zu unterstützen, besteht natürlich darin, fachlich kompetente Hilfe in Anspruch zu nehmen. Leider sieht die Situation abseits der Ballungszentren nicht immer rosig aus. Es kann schwierig sein, geeignete Therapieangebote in erreichbarer Nähe zu finden (siehe Hinweise auf Seite 174-183). Oder es sind lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Doch ganz gleich, wie gut oder schlecht die Chancen für eine Therapie stehen, die Eltern sollten nicht tatenlos bleiben, sondern jede Möglichkeit nutzen, ihr Kind selber aktiv zu unterstützen. Weg mit den bequemen Haushaltsgeräten! So banal es klingen mag, gerade die alltäglichen Dinge im Haushalt spielen für die Wahrnehmungsförderung eine wichtige Rolle. Dazu gehören die Arbeiten, die wir, weil sie uns lästig sind, gern praktischen Geräten überlassen: der Küchenmaschine, dem Handmixer, der Spülmaschine, dem Staubsauger, der Waschmaschine. Keine Sorge, diese praktischen Helfer müssen Sie gewiss nicht aus Ihrem Haus verbannen. Versuchen Sie jedoch, so weit wie möglich auf sie zu verzichten, wenn Sie Ihr Kind zu kleinen häuslichen Aufgaben heranziehen. Teig rühren Wenn Sie das nächste Mal einen Teig rühren, zum Beispiel für Pfannkuchen, lassen Sie Ihr Kind mithelfen. Der Handmixer bleibt schön in der Schublade, denn mit dem Schneebesen geht es fast genauso gut. Beziehen Sie Ihr Kind schon in die Vorbereitung ein. Bitten Sie es, Rührschüssel, Schneebesen und alle Zutaten bereitzustellen. So lernt es, bei der Planung und Ausführung eines Vorhabens systematisch vorzugehen. Jetzt geht es an die Zubereitung: Das Mehl wird in die Schüssel geschüttet, dann kommen nach und nach Zucker, Eier und Milch hinzu. Beim Aufschlagen der Eier brauchen kleinere Kinder vielleicht Hilfe, weil sie den Krafteinsatz noch nicht richtig dosieren können. Aber viel kann ja nicht schief gehen! Nun muss der Teig gerührt werden. Am Anfang geht das schwer, denn die Milch darf nur portionsweise zugegeben werden, damit der Teig nicht klumpt. Das nimmt die Muskeln ordentlich in Anspruch und Ihr Sprössling braucht vermutlich erneut Unterstützung. Stellen Sie sich am besten hinter das Kind und legen Sie Ihre Arme um seine Schultern, sofern ihm das angenehm ist. Das vermittelt ihm Sicherheit und wichtige Spürerfahrung. Dann umschließt Ihre Hand die seine, und gemeinsam rühren Sie in kreisenden Bewegungen den zähen Teig. Falls das Kind zu einseitigem Arbeiten neigt, das heißt eine Körperhälfte dabei gern außen vor lässt, halten Sie es um die Taille, damit es nicht zur Seite ausweicht. Das Kind soll die Rührschüssel mit der einen Hand so festhalten, dass sie sich genau vor seiner Körpermitte befindet. So arbeitet es beidhändig und überkreuzt beim Rühren die Körpermittellinie (Seite 46-47). Teigrühren regt die Wahrnehmung in vielfältiger Weise an. Die Form und die Ausmaße der Rührschüssel vermitteln dem Kind eine räumliche Vorstellung. Der Krafteinsatz und die Bewegungen beim Eieraufschlagen und Umrühren üben die kinästhetische Wahrnehmung. Der koordinierte Einsatz der Arme (die Rührschüssel halten und gleichzeitig umrühren) trainiert die Körperkoordination und das Überkreuzen der Mittellinie. Die Berührungsreize beim Halten der Geräte und der Körperkontakt sprechen seine taktile Wahrnehmung an. Mit dem Sehsinn wird außerdem ständig die Konsistenz des Teiges überprüft. Und wetten, dass das Kind auch den Geschmackssinn nicht auslassen wird und mit dem Finger wenigstens einmal kosten möchte? Geschirr abtrocknen, den Fußboden kehren Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Abtrocknen von Geschirr. Sie brauchen dazu nicht einmal auf die Spülmaschine zu verzichten. Bitten Sie Ihr Kind einfach, die Gegenstände herauszusuchen, die noch nicht ganz trocken sind, und mit dem Geschirrtuch gründlich nachzuarbeiten. Auch bei dieser Aufgabe werden mehrere Wahrnehmungsbereiche angesprochen: die taktil-kinästhetische Wahrnehmung, die Körperkoordination und das Überkreuzen der Körpermittellinie beim Halten und Abtrocknen des Geschirrs; die visuelle Wahrnehmung beim Aussortieren und Aufräumen. Gut für das beidhändige Arbeiten und das Überkreuzen der Mittellinie ist auch die Aufgabe, den Fußboden zu kehren. Nachdem das Kind den Staub und die Krümel am Boden zu einem Häuflein zusammengekehrt hat, muss es gleichzeitig und koordiniert mit Kehrschaufel und Besen hantieren. Nebenbei wird die visuelle Aufmerksamkeit trainiert: Ist wirklich kein Schmutz liegen geblieben? Das hab ich ganz allein geschafft! Wer wie ich leider auch zu den Menschen gehört, die gern alles selber erledigen, damit es nur ja nach den eigenen Vorstellungen gelingt, dem möchte ich eine Empfehlung weitergeben, die ich als sehr nützlich kennen gelernt habe: Lassen Sie Ihr Kind sein Vorhaben ausführen und bieten Sie nur soweit nötig Hilfe an. Aber mischen Sie sich nicht weiter ein. Wenn Ihnen das schwer fällt verlassen Sie lieber den Raum! Diesen Rat erhielt ich, als unser Sohn Robert noch nicht ganz sechs Jahre alt war. Es war gerade Vorweihnachtszeit und Robert wollte zum ersten Mal allein Plätzchen backen. 8. Kapitel: Wahrnehmungsspiele im Freundeskreis Vom Kindergartenalter an bekommen persönliche Freundschaften unter Gleichaltrigen einen immer höheren Stellenwert. Mit gutem Grund, sind doch Freunde mit ähnlichem Wissen und Können die idealen Spielkameraden, um gemeinsam Neues zu entdecken und auszuprobieren und sich auf diese Weise weiterzuentwickeln. Die folgenden Spiele sind für Kinder verschiedener Altersstufen ausgewählt. Einige eignen sich schon für Kinder im Kindergartenalter, andere setzen Fähigkeiten voraus, die man erst von Kindern ab dem Schulalter erwarten kann. Alte Kinderspiele neu aufgelegt Versetzen wir uns einmal für einen Augenblick in unsere Kindheit zurück. Welche Spiele sind uns aus dieser Zeit am besten in Erinnerung geblieben? Wahrscheinlich diejenigen, die wir auf der Wiese, auf der Straße oder im Hof zusammen mit den Kameraden aus der Nachbarschaft gespielt haben. "Wie schön wäre es", denkt man seufzend, "wenn es diese Möglichkeit heute noch gäbe." Die gute Nachricht: Es gibt sie noch - besser gesagt, wieder! Bewegungs- und Gemeinschaftsspiele, wie wir sie aus unserer Kindheit kennen, erleben heutzutage eine regelrechte Renaissance. Immer mehr der alten, längst vergessen geglaubten Spiele werden aus der Versenkung hervorgeholt - und mit ihnen die vielfältigen Möglichkeiten zu Bewegung, Körpererfahrung, Kreativität, Kommunikation und Gemeinschaftserleben. Abzählverse Gruppenspiele sind oft so angelegt, dass einer der Teilnehmer darin eine besondere Rolle spielt, zum Beispiel als Fänger oder Rater. In diesem Fall muss zuvor vereinbart werden, welcher von den Teilnehmern als erster in diese Rolle schlüpft. Das lässt sich ganz einfach und ohne Streit mit Abzählversen bestimmen. Die Spieler bilden einen Kreis und einer sagt ein Sprüchlein auf, wobei er bei jeder Silbe des Verses von einem Teilnehmer zum nächsten deutet. Bei wem das letzte Wort fällt, der ist dran. Ich und du, Müllers Kuh, Müllers Esel, der bist du. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, eine alte Frau kocht Rüben, eine alte Frau kocht Speck, und du bist weg. Solche Reime sprechen die auditive Wahrnehmung (insbesondere das Rhythmisieren) sowie sprachliche und koordinative Fähigkeiten an. Klatschspiele Einen ähnlichen Sinn wie Abzählverse haben Klatschspiele. Hier stehen sich zwei Spieler gegenüber und klatschen zu einem Vers in einer festgelegten Bewegungsabfolge (mal über Kreuz, mal parallel) ihre Hände gegeneinander. Beim nachfolgenden Vers etwa geht das Klatschen in jeder Zeile nach diesem Muster: (1) (2) (1) (3) (1) (4) (4) (4) Beim Müller hat's gebrannt-brannt-brannt, da bin ich hingerannt-rannt-rannt, da kam ein Polizist-zist-zist, der schrieb mich auf die List-List-List. Die List' fie... Leseprobe
Inhalt
Verkürztes Inhaltsverzeichnis Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Die sieben Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Von den Sinnen zur Wahrnehmung . . . . . . . . . 26 Wie sich Wahrnehmung entwickelt . . . . . . . . . 35 Die besondere Bedeutung der Grundsinne . . . . . 38 2. Wenn die Wahrnehmung gestört ist . . . . . . . . 40 Fehlentwicklungen der visuellen und auditiven Wahrnehmung . .. 40 Fehlentwicklungen der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung . . 41 Dyspraxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Verhaltensauffälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 48 Teilleistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . 49 ADS und ADHS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Woran man Wahrnehmungsstörungen erkennen kann . . 55 Worauf Eltern und Erzieher achten sollten . . . . 57 Ursachen von Wahrnehmungsstörungen . . . . . . 62 3. Die Perspektive wechseln . . . . . . . . . . . . . . 65 Versetzen Sie sich in die Lage des Kindes . . . . . 65 Von wegen schlecht erzogen
. . . . . . . . . . . 71 4. Förderung beginnt im Alltag . . . . . . . . . . . . 72 Weg mit den bequemen Haushaltsgeräten! . . . . . 72 Kleine Hände, große Hilfe . . . . . . . . . . . . . . 76 Experimente in der Badewanne . . . . . . . . . . . 79 Das Kinderzimmer richtig ausgestattet . . . . . . 80 Klare Grenzen setzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Nicht reden, sondern handeln . . . . . . . . . . . . 89 5. Komm, wir wollen spielen! . . . . . . . . . . . . . 90 Gute Voraussetzungen schaffen . . . . . . . . . . . 90 Wie oft, wie lange, wann? . . . . . . . . . . . . . . 91 Und wenn das Kind sich trotzdem sträubt? . . . . 91 Der Spaß soll nicht zu kurz kommen . . . . . . . . 92 6. Ich und du Förderspiele zu zweit . . . 94 Sehen und Hören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Riechen und Schmecken . . . . . . . . . . . . . . . 100 Tasten und Fühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Körperwahrnehmung und Bewegung . . . . . . . . 111 7. Die ganze Familie macht mit . . . . . . . . . . . . 122 Kein Grund zur Eifersucht: Geschwister sind einbezogen . . . 122 Wahrnehmungsspiele selbst gebastelt . . . . . . . 130 8. Wahrnehmungsspiele im Freundeskreis . . . . . . 136 Alte Kinderspiele neu aufgelegt . . . . . . . . . . . 136 Anregungen für den Kindergeburtstag . . . . . . . 144 Sinnvolle Geschenke . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 9. Mit allen Sinnen unterwegs . . . . . . . . . . . . . 158 Auf dem Spielplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Förderspiele im Wald . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Urlaub für die Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . 167 10. Wenn professionelle Hilfe nötig ist . . . . . . . . 172 Ärztliche Abklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Erziehungsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Therapie- und Fördermöglichkeiten . . . . . . . . 173 Motopädagogik und Mototherapie . . . . . . . 179 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Internet-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Verwendete Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Zur Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
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