Beschreibung
Das Mittelalter kannte keine Scham: Rülpsende, furzende und promiske Zeitgenossen bevölkern populäre Filme und Bücher und prägen das moderne Mittelalterbild. Im Hintergrund dieser Vorstellungen stehen historisch-soziologische Theorien, die davon ausgehen, dass der Zivilisationsprozess seit der frühen Neuzeit zu einem signifikanten Ansteigen der Schamschwellen geführt hat. Katharina Behrens' emotions- und mentalitätsgeschichtliche Studie setzt an diesem Punkt an und untersucht die soziale Bedeutung der Scham am Beispiel des ricardischen England. Sie beobachtet sowohl aus sprachlich-diskursiver als auch aus performativ-institutioneller Perspektive: Die sozialen Semantiken der Scham werden zum einen begriffsgeschichtlich auf der Ebene der Texte, zum anderen sozialgeschichtlich auf der Ebene gesellschaftlich-kultureller Praktiken und Institutionen in den Blick genommen. Dabei zeigt sich, dass das Mittelalter keineswegs schamlos war, sondern dass Scham in der englischen Kultur und Gesellschaft des späten 14. Jahrhunderts im Bereich der Schaffung und Aufrechterhaltung sozialer Ordnung eine zentrale Rolle spielte.
Autorenportrait
Dr. phil. Katharina Behrens (*1978) studierte Anglistik und Geschichte. Sie war Stipendiatin der International Max Planck Research School "Werte und Wertewandel in Mittelalter und Neuzeit" am Max-Planck-Institut für Geschichte, hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Georg-August-Universität Göttingen gearbeitet und ist nun im niedersächsischen Schuldienst tätig. Sie ist Mitglied im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands und im Geschichtslehrerverband.
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