Beschreibung
Kleinplastik als begehrtes Kaufobjekt ist keine Randerscheinung im französischen Kunstbetrieb des 19. Jahrhunderts. Die Bildhauerei sah sich einem rasch wachsenden industrialisierten Markt für Kleinplastiken und kunstgewerbliche Objekte gegenüber. Der Fortschritt in der Mechanisierung erfaßte die Bildenden Künste, und besonders auch die Bildhauer wußten bald, den kunstgewerblichen Charakter ihrer Kunstgattung zu nutzen. Technischer Fortschritt, Wachstum privaten Kapitals als auch die Protegierung durch die Regierung begünstigten die Expansion des Marktes für serielle Skulptur bzw. Plastik. Um die Situation der kommerzialisierten Skulptur zu erfassen, lenkt Isabel Hufschmidt in ihrer Studie den Blick auf den Bildhauer James Pradier (1790 - 1852). Dieser war im Paris der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der prominentesten, produktivsten und erfolgreichsten Künstler, die sich der Kleinplastik zuwandten, um sie in Kooperation mit Gießern seriell herstellen zu lassen und einem breiten Publikum sowohl über Kataloge anzubieten als auch in Verkaufsräumen von Gießerunternehmen zu präsentieren. Mit Themenvielfalt und guten Kontakten zu den Gießern mischte Pradier in den oberen Rängen der industriellen Bildhauerei mit, ist quasi das Exempel eines Künstlers, der sich uns als selbstbewußter "Industrieller" und "Unternehmer" im saint-simonistischen Sinn präsentiert. Die Betrachtung der kommerziellen Ambitionen Pradiers wird dahingehend in Relation zum Werkkonzept untersucht, wobei Arbeiten, die Eingang in die Kommerzialisierung fanden, ikonographisch wie ikonologisch analysiert werden, verbunden mit Fragestellungen zum Verhältnis von Kommerz und Ästhetik. In dieser Studie wird deutlich, wie Pradier für eine Entwicklung im Bereich der kommerziellen Plastik einsteht, wie sie sich seit den 1830ern immer stärker etablierte. Dies durch Künstler, die ihre Chance zur Popularisierung ihrer Werke und finanziellen Absicherung sahen; durch Gießer, die - den Fortschritt im Blick - das kommerzielle Potential der Bildhauerei erkannten; durch Erfinder, die die Verbesserungen im Bereich des Herstellungsprozesses beitrugen; und letztlich durch ein Publikum, das durch seine Nachfrage und sein Kapital die Produktion sicherte. Ein breit gefächertes Themenangebot hielt für jeden Geschmack etwas bereit. Größen- und Materialunterschiede versprachen zudem ein Angebot für jeden Geldbeutel. Das Kunstobjekt aus der seriellen Herstellung stand einer Masse von Konsumenten zur Verfügung. Es handelt sich geradezu um eine Demokratisierung des Kunstgenusses und -besitzes. Das "industrielle Jahrhundert" konnte nicht ohne Folgen für die Bildhauerei als auch für das Selbstverständnis des Künstlers bleiben, womit die kunsthistorische Betrachtung dieses Phänomens herausgefordert wird. Die Studie von Isabel Hufschmidt komplettiert das Puzzle um die Bildhauerei des 19. Jahrhunderts dahingehend um ein weiteres Stück durch eine breitgefächerte Analyse.
Autorenportrait
Isabel Hufschmidt studierte Kunstgeschichte, französische und italienische Romanistik an der Universität zu Köln, wo sie 2009 promovierte. Sie arbeitet in einer Galerie für zeitgenössische Kunst in Köln.