Beschreibung
Die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff raubt dem Märchensammler Wilhelm Grimm mit ihrer unverblümten Art den Schlaf. Ganz anders ihre Schwester Jenny, die mit ihm anbändelt. Vor Liebesintrigen ist aber auch der kokette Trotzkopf Annette nicht sicher. Vor allem für ihre größte Leidenschaft, die Dichtkunst, muss sie als adelige Frau im frühen 19. Jahrhundert lebenslang kämpfen.
Der biografische Roman erzählt unbekannte Seiten einer bekannten Dichterin und folgt ihrer Lebensreise vom Münsterland an den Rhein bis nach Meersburg am Bodensee. Er zeigt, dass die Dichterin der Biedermeierzeit alles andere als bieder war, sondern eine kluge Frau, die diplomatisch, humorvoll und durchaus unkonventionell ihrer Berufung folgte.
Autorenportrait
Die Germanistin und Diplom-Psychologin Esther Grau wuchs in der Nähe von Münster in Westfalen auf. Nach dem Studium siegte die Liebe zur Sprache - seitdem arbeitet Esther Grau als Autorin und Werbetexterin. Nach einer Station in Freiburg/Breisgau führte sie der Ruf der Kreativität mittlerweile nach Leipzig. Bislang sind von ihr ein Kinderbuch (Per E-Mail ins Traumland) sowie Gedichte und Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien erschienen. Mehr von der Autorin gibt es im Blog unter www.esthergrau.de.
Leseprobe
Januar 1797 Die Frau des Webers schrak zusammen, als die Tür des Kottens aufsprang. In einem Wirbel aus Schneeflocken stürzte eine vermummte Gestalt herein. Catharina riss ihren Säugling aus dem Körbchen neben dem Webstuhl, presste ihn schützend an die Brust und starrte zur Tür."Was willst du?"Die gebückte Gestalt murmelte unverständlich durch das Wolltuch, das sie sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Sorgsam sperrte sie den Winter aus, der draußen ein hartes Regiment führte. Trotzdem fraß sich die Kälte weiter durch die Ritzen im Ziegelwerk des Weberkottens. Die Ziege im Verschlag nebenan meckerte, als fürchtete sie um ihr karges Futter. Endlich wandte sich der Eindringling der Webersfrau zu und nestelte sich das Gesicht frei."Ach, du bist es", seufzte Catharina, als sie die Bückersche, eine Verwandte aus Schonebeck, erkannte. "Ist etwas passiert?""Und ob! Ich bin gekommen, um dich zu holen. Man braucht deine Hilfe."Die Bückersche klopfte sich auf der Deele den Schnee von den Kleidern. Wangen und Nase glühten ihr vor Kälte; die flachsfarbenen Haarsträhnen klebten durchnässt an den Ohren. Eilig folgte sie Catharina zu dem kleinen Ofen in den Webraum, der die staubgesättigte Luft spärlich wärmte. "Wem soll ich helfen?""Bei den Drostes auf Hülshoff ist das Kleine angekommen, aber sie fürchten, der arme Wurm überlebt es nicht.""Die gnädige Frau ist jetzt schon niedergekommen?""Ja, vor der Zeit. Gestürzt ist sie auf dem Eis der Gräfte und jetzt ist das Siebenmonatskind so zart, dass alle um sein Leben fürchten. Es trinkt wohl nicht.""Aber wie kommst du auf mich?""Na, sie suchen eine Amme. Der Pfarrer in Roxel hat es von der Kanzel verkündet und da habe ich gleich an dich gedacht. Du hast mir doch selbst gesagt, du hättest Milch für zwei. Deshalb bin ich gleich zu euch nach Altenberge aufgebrochen.""Wie stellst du dir das vor? Joan Bernard ist kaum sieben Wochen alt und mein Mann hustet sich die Seele aus dem Leib." Wie aufs Stichwort ertönte heiseres Husten aus der Upkammer, das gar nicht mehr aufhören wollte. "Er ist zu schwach zum Weben, also muss ich das Leinen fertigmachen.""Mit dem Kind an der Brust schaffst du die Arbeit doch nicht und wirst am Ende auch noch krank. Die Stelle als Amme ist ein Glücksfall für dich - sie werden dich gut entlohnen.""Ich mache es nur, wenn ich meinen Kleinen mitbringen kann.""Natürlich. In einer Stunde ist die Kutsche aus Hülshoff hier.""Du hast schon zugesagt?""Glaub mir, etwas Besseres kann euch gar nicht passieren."Catharina nickte zögerlich, legte ihren Sohn zurück ins Körbchen und stieg in die Upkammer hinauf. Ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes würde sie nicht gehen.Als sie nach wenigen Minuten zurückkehrte, trug Catharina bereits ein Wäschebündel unterm Arm. Sie brauchte nicht lange, um ihre wenige Habe zu packen. Zum Schluss wickelte sie ihren Säugling in zwei Wolldecken und umschlang das unförmige Bündel mit beiden Armen."Bekommt er noch Luft?""Besser nicht zu viel, eisig, wie sie draußen ist." Dass Catharina ihr Neugeborenes für ein anderes der winterlichen Kälte aussetzen musste, gefiel ihr ganz und gar nicht. Wenigstens stand die Familie von Droste auf Burg Hülshoff im Ruf, großzügig zu sein. Seit fast vierhundert Jahren lebte sie hier als Gut- und Grundbesitzer. Die Bauern zahlten ihnen Abgaben, luden sie aber auch - wie alle Nachbarn - zu ihren Hochzeiten ein. Solange Catharina auf Burg Hülshoff blieb, wären sie und ihr Kind gut versorgt. Ammen bekamen beste Nahrung, um bei Kräften zu bleiben, und sobald ihre Dienste nicht mehr vonnöten waren, kehrte sie mit mehr Geld heim, als sie in der Zwischenzeit am Webstuhl verdienen konnte. Catharina blieb keine Wahl: Sie musste gehen. "Hoffentlich...
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