Beschreibung
Oskar Duschinger Sagenhafte Weihnachtszeit 39 Geschichten rund um Weihnachten aus einer längst vergangenen Zeit. Wie schön war es, wenn Mutter in der Adventszeit mit dem Backen begann und das ganze Haus mit dem Duft von Zimt und Vanille erfüllt war. Wenn Vater seine wundervolle Krippenwelt aus Moos, Tannenzweigen und kleinen Ästchen bastelte. Es ringt uns noch heute ein Staunen ab, mit welcher Hingabe unsere Eltern und Großeltern das Weihnachtsfest vorbereiteten. Draußen lag an Heiligabend noch Schnee, während im Holzofen die glühenden Holzscheite knisterten und knackten. Wenn Vater zur abendlichen Sitzweilzeit seine Geschichten erzählte, schauderte uns bei dem Gedanken an die nach Pech und Schwefel stinkenden Hoimänner, an das wilde Goich oder die kreischenden Hexen. Da alte Weihnachtstraditionen und Weihnachtsgeschichten immer mehr in Vergessenheit geraten, ist es wichtig, sich an sie zu erinnern. Mit Zeichnungen von Ludwig Mailli, Siegfried Schöberl und Otto Rohleder.
Autorenportrait
Über den Autor Oskar Duschinger geb. 1959 in Münchshofen, Bayern Studium für das Lehramt an Grundschulen mit Schwerpunktfach Geschichte Freier Mitarbeiter für die Zeitschrift lokal Grundschullehrer / Schulleiter Autor von acht Büchern: von politischen Büchern (unbestechlich - ein Leben gegen die WAA) oder Im Fadenkreuz des Krieges, über wirtschaftspolitische Bücher Glanz und Elend der Maxhütte bis hin zu heimatgeschichtlichen Werken (Tatzenstock und Lausbubenstreiche (Schulgeschichten aus den 1930er Jahren).
Leseprobe
Recht gesegnete Weihnachten! Die ersten Jahre unserer Kinderzeit verbrachten wir drei Buben mit unseren Eltern im landwirtschaftlichen Anwesen des Großvaters. Oben im Dachgeschoss bewohnten wir zwei Zimmer und einen Abstellraum, in dem auch Heu und Stroh für die zwei Ziegen gelagert wurden. Vier Wochen vor dem Weihnachtsfest ereignete sich ein schlimmer Zwischenfall. Vater und Großvater hatten sich an einer wüsten Rauferei im Wirtshaus beteiligt. Ohne ersichtlichen Grund hatte der Wolf dem Kindl den Maßkrug auf den Kopf geschlagen, worauf der regungslos unter dem Tisch lag. Da Vater und Großvater Freunde vom Kindl waren, waren sie sogleich mit den Fäusten auf den Wolf losgegangen und verprügelten ihn nach Strich und Faden. Das Nachspiel fand im Gerichtssaal statt, wo Vater und Großvater zu saftigen Geldstrafen verurteilt wurden. Zwischen Mutter und Vater löste die Strafe angesichts der chronischen Geldnot im Hause eine heftige Streiterei aus. Es war wohl kurz vor dem Heiligen Abend, als Mutter wieder einlenkte: Ich wünsche mir, dass wenigstens zu Weihnachten ein wenig Frieden herrscht in der Familie. Ich werde morgen früh mit den Kindern nach Holzheim marschieren und von Großmutter dringend notwendige Sachen zum Backen holen. Vielleicht ist ja sogar noch etwas übrig von der Hausschlachtung. Vater war froh darüber und stimmte Mutter zu. Die Landschaft ringsum erschien uns wie aus einem Wintermärchen, als wir zur Oma nach Holzheim aufbrachen. Da die Waldwege tief verschneit waren, brachte Mutter den schwerfälligen Kinderwagen nur mit größter Anstrengung vorwärts. Wir zwei älteren Buben durften uns abwechselnd auf die Vergitterung unterhalb des Kinderwagens legen. Obwohl es unbequem war dort zu kauern, so war es uns doch allemal lieber als durch den tiefen Schnee stapfen zu müssen. Zum Glück kamen zwischendurch einige Schlittengespanne des Weges, so dass das Gehen in ihrer Spur leichter fiel. Nach etwa der Hälfte des Weges, in Höhe des Schönleutener Schachtes, machten wir eine kurze Rast. Mutter nahm aus dem Zegerer eine Tüte Münzenkugeln, die wir mit Genuss lutschten. Während wir uns von den Strapazen erholten, meinte Mutter geheimnisvoll: Hier an dieser Wegkreuzung sollen in den Raunächten Hoimänner, Hexen, Druden und das Wilde Goich ihr Unwesen treiben. Zum Glück habe ich einige Kupferpfennige in der Manteltasche, falls uns ein verhexter Hoimann über den Weg laufen sollte. In so einem Fall hilft es nur, dem Hoimann das Kupfergeld vor die Füße zu werfen, damit er wieder verschwindet. Ängstlich fragte ich die Mutter: Aber wie sieht denn der Hoimann aus? Kann er uns wie der Nikolaus in den Sack stecken? Ohne die Antwort abzuwarten, forderte ich sie mit einer Handbewegung gleich darauf auf: Komm Mama, wir wollen schnell weitergehen, damit uns der böse Hoimann nicht erwischt! Mutter beruhigte uns mit ihrem Lächeln und meinte: Keine Sorge! Tagsüber verstecken sich diese Unholde im dichten Wald, nur nachts treiben sie sich auf den verlassenen Wegen herum. Wir hatten unseren Marsch kaum fortgesetzt, da entbrannte ein heftiges Gerangel zwischen uns Buben, wer sich unter den Kinderwagen legen dürfe. Ich war nach Mutters Ansicht der Zähere und so musste ich Mutter hinterhertrippeln. Bei der Hirschtränke legten wir nochmals eine kurze Rast ein. Mutter munterte uns auf, indem sie erklärte, es sei nun nicht mehr weit bis zu Großmutters Haus. Dort werde es bestimmt feine Hefenudeln zu essen, vielleicht sogar Presssack oder Leber- und Blutwürste mit Kraut von der letzten Hausschlachtung. Beim Gedanken an die saftigen Würste vergaß ich sogar kurz meine bleischweren Beine. Endlich lag das Waldgebiet hinter uns. Vor uns öffnete sich ein weitläufiges Tal, aus dem die kleine, aber prächtige Dorfkirche herausragte. Das Dorf Holzheim lag noch verborgen im Nebelschleier. Während ein leichter Wind die Schneeflocken vor sich hertrieb, schlug die Turmuhr der Dorfkirche die neunte Stunde. Mutter deutete auf das Gotteshaus und ermunterte uns: Gleich hinter der Kirche, inmitten dieser herrlichen Landschaft befindet sich Großmutters Haus. Haltet noch ein wenig durch, Kinder! Obwohl die schneebedeckte Landschaft traumhaft aussah, hatten wir Kinder keinen Blick für diese Schönheit der Natur. Wir dachten nur an Omas warme Stube, um dort unseren unbändigen Hunger zu stillen. Als wir endlich vor dem alten Bauernhaus der Großmutter standen, stieg mir sofort ein betörender Geruch in die Nase, wie er nur einem Backofen entströmen konnte. Tante Nandl stand mit feuerroten Wangen vor dem Ofen. Ihr Kopftuch hatte sie tief in die Stirn gezogen. Die Tante holte gerade frisch gebackene Brotlaibe heraus. Natürlich gab es eine stürmische Begrüßung, als sie uns entdeckte. Den bissigen, rotzottigen Hund Harro brachte die Tante schnell in die Hütte, damit wir ins Haus konnten. Als uns Großmutter zur Stube hereinkommen sah, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen: Um Gottes Willen, was hat euch denn hierhergeführt? Bei diesem Winterwetter jagt man doch nicht einmal den Hund aus der Hütte. Kommt schnell zum Ofen und wärmt euch auf! Ich mache euch gleich etwas Warmes zu essen. Während Oma am Herd stand, erzählte ihr Mutter von unserer Notlage, die nicht zuletzt Vaters Rauferei im Wirtshaus geschuldet war. Großmutter bereitete uns eine dicke Brotsuppe zu, in der sich kleine Stücke geräucherter Bratwürste befanden. Auch einen Teller mit knusprigen Hefenudeln stellte sie auf den Tisch. Nach dieser stärkenden Brotzeit liefen wir Kinder übermütig in den Kuhstall, denn wir wollten unbedingt die niedlichen Kälber sehen. Der Onkel hatte bereits den Stall ausgemistet und so durften wir Kinder überall hin. Wir konnten die lieblichen Tiere gar nicht genug liebkosen und streicheln, obwohl sie uns mit ihrem triefenden Speichel andauernd bekleckerten. Auch der Hasenstall im Strohschuppen übte einen ungeheuren Reiz auf uns aus. Als Großmutter nochmals zum Essen rief, kehrten wir flugs in die Stube zurück. Mutter war wenig erfreut, als sie sah, wie wir aussahen. Zum Glück hatte Großmutter mehr Verständnis und bürstete uns Schmutzfinken wieder weitgehend sauber. Die herzhaften Blut- und Leberwürste, das würzige Sauerkraut und das frische Ofenbrot schmeckten göttlich. Bei Oma fühlten wir uns wie im Paradies und so vergingen die Stunden bei ihr wie im Flug. Wenn ich allerdings an den beschwerlichen Rückweg durch den unheimlichen, gruseligen Wald dachte, graute mir und so hoffte ich einfach, wir würden länger bleiben, doch Mutter drängte zum Aufbruch. Großmutter hatte längst ein Paket für uns gepackt mit allerlei guten Sachen drin. Die abendliche Wintersonne war bereits hinter dem Kallmünzer Berg verschwunden, als der Bartlbauer, Großmutters Nachbar, an das Stubenfenster klopfte. Was er sagte, klang wie Engelgeläut in meinen Ohren. Wenn ihr wollt, könnt Ihr auf meinem Schlittengespann mit nach Burglengenfeld fahren. Ich habe die beiden Rappen schon eingespannt. Wir Kinder stießen einen Jubelschrei aus. Aber auch Mama freute sich: Kinder, heute ist wirklich unser Glückstag! Da müsst ihr zu Hause aber ein andächtiges ,Jesu Kindlein´ beten, weil uns das Christkind gar so wohlgesonnen ist. Mutter war ein Stein vom Herzen gefallen, denn Großmutters Christtagsfreuden, zwei große Laibe Brot, dazu Mehl, Butter, Eier, Fleisch, Würste und ein bratfertiger Gockel wogen schwer. Staunend standen wir vor dem mächtigen Schlittengespann, auf das uns der Bartlbauer hinaufhalf. Wir hatten kaum Platz genommen, da ging die Fahrt auch schon los. Der Bartlbauer nahm die Zügel in die Hand und mit einem Ruck setzte sich der Schlitten in Bewegung. In Höhe der Dorfkirche entschwand Großmutters Haus unseren Blicken. Der Bartlbauer war nicht besonders gesprächig und beantwortete unsere vielen neugierigen Fragen meist nur mit einem Kopfnicken oder einem unverständlichen Gebrummel. Stattdessen drückte er uns einige Walnüsse in die Hand. Die bezaubernde Winterlandschaft zog wie im Film an uns vorbei, während wir uns in de...