Autorenportrait
Die Autorin: Judith Frege arbeitet nach einer 25jährigen Bühnenkarriere als Ballettänzerin beim Hamburger und Stuttgarter Ballett sowie der Deutschen Oper Berlin heute als Diplomtanzpädagogin, Choreografin und Yogalehrerin. Die Pina Bausch-Schülerin wurde zunächst von John Neumeier nach Hamburg geholt. In ihrem Jahr an der berühmten Opéra de Monte-Carlo traf sie Kindheitsidole wie Rudolf Nureyew oder Eva Evdokimova und bereiste anschließend mit der Stuttgarter Ballettkompanie die halbe Welt. Bis zum Ende ihrer aktiven Bühnenkarriere war sie dann beim Ballett der Deutschen Oper Berlin engagiert. Während ihrer Bühnenlaufbahn tanzte sie alle großen Klassiker und arbeitete von John Neumeier bis Maurice Béjart mit den wichtigsten Choreografen unserer Zeit zusammen. Judith Frege ist mit CAMPINO von den Toten Hosen und weiteren vier Geschwistern als Tochter einer englischen Mutter und eines deutschen Vaters aufgewachsen. Neben dem vorliegenden Romandebüt hat sie bereits einen Wellnessratgeber veröffentlicht. In Ihrem Romandebüt "Ist denn nicht zufällig Sonntag?" schöpft Judith Frege aus dem vollen. Ihre eigene fachliche Erfahrung von über 25 Jahren Tanz sowie ihr Insiderblick für die menschlichen Stärken und Schwächen ihrer "Zunft" erheben den spannenden Liebesroman auch zu einem echten Tanz- und Ballettroman.
Leseprobe
"Keine Angst, ich halte dich, ich werde dich niemals fallen lassen, das verspreche ich dir." "Okay, also noch einmal", sagte sie all ihren Mut zusammennehmend. Dieses Mal hatte sie zuviel Schwung und sie fanden sich auf dem harten Bühnenboden wieder. Lachend rollten sie übereinander weg, quer über die ganze Bühne und hörten nicht auf mit dem Lachen bis sie gefährlich nah am Rand des Orchestergrabens zum Stillstand kamen. Unbeschwert und frei fühlte sich Zoe in seiner Gegenwart und sie vertraute ihm blind. Ohne Angst ließ sie sich in riskante Bewegungen fallen, seine großen Hände waren immer im richtigen Moment da, um sie zu halten, zu heben, zu drehen oder auf den Boden gleiten zu lassen. In ihrer Zusammenarbeit entwickelte sich eine einzigartige Nähe, eine Art Seelenverwandtschaft, und sie wussten, dass es etwas Besonderes war. Die totale Konzentration und Hingabe auf ihren Tanz und die Musik gerichtet ließ die Welt um sie herum in den Hintergrund treten, verblassen und schließlich verschwinden wie hinter einer Nebelwand. Ihre tanzenden Körper bewegten sich losgelöst wie in einem Rausch. Ein Rausch ohne Drogen. Der Tanz war die Droge. (.) Vom ersten Augenblick an konnten sie ihre gegenseitige Abneigung kaum verbergen. Randolf Schmidt zeigte seine Antipathie durch arrogant überzogene Höflichkeit. Offene Feindseligkeit hätte er sich nie getraut, denn Mahnstein besaß zuviel Macht und Ansehen. Er entwickelte verdeckte Methoden und operierte aus dem Hinterhalt, um sich für die Erniedrigungen zu rächen, die Mahnstein ihm regelmäßig zufügte. Dieser hingegen zeigte ohne Rücksicht auf Verluste wen er mochte und wer sein Feind war. Am Schlimmsten traf es diejenigen, die er schlichtweg verachtete. Zu dieser Gruppe gehörte Schmidt, der mit verschränkten Armen auf dem Treppenabsatz stehen geblieben war und ihn aus feindseligen Augen ansah. Die beiden Männer staunten nicht schlecht, als die zierliche Gestalt, verhüllt in eine olivgrüne Öljacke und einen tropfenden Regenschirm in der Hand, an ihnen vorbeihastete, immer zwei Stufen auf einmal. "Tschuldigung!" stieß Zoe hervor und schoss eng am Intendanten vorbei die Treppe rauf, sodass er um ein Haar die Balance verlor, und Randolf Schmidt erschrocken zur Seite sprang. "Donnerwetter, wie der Blitz", entfuhr es Mahnstein, und er starrte den roten Haaren nach, die hinter ihr herwehten, als sie um die Ecke bog und verschwunden war wie verschluckt und man nur noch eilige Schritte hörte. "Na, die muss sich aber beeilen. Drei Minuten hat sie noch", kommentierte Schmidt nach einem Blick auf seine Uhr. "Ich lasse sie rufen", sagte Mahnstein mit einer extra Portion Unfreundlichkeit in der Stimme. Er biss die Zähne zusammen, sodass seine Lippen kaum noch zu sehen waren, und ohne einen Laut von sich zu geben, quälte er sich weiter die Treppe hinauf, niedergedrückt durch das Gewicht seines fetten Leibes und durch die Last seines Amts. Mit federndem Turnschuhschritt eilte Schmidt die Treppen hinunter. Griesgrämiges Scheusal, dachte er und strich selbstzufrieden über das blondierte Haar, das an den Schläfen bedenklich spärlich wuchs. Kein Wunder, sagte sich der gut erhaltene Fünfzigjährige, dass die Ehefrau dieses Tyrannen ihr Glück bei anderen sucht. Er pfiff eine lustige Melodie, obwohl man im Theater nicht pfeifen sollte. Abergläubische Opernmitglieder behaupteten, es bringe Unglück, wenn in der Oper gepfiffen wurde. Nun, er pfiff drauf, schließlich musste er sich nach der Begegnung mit dem Chef wieder in gute Stimmung versetzen. "Sie übernehmen keine leichte Aufgabe, Schmidt", hatte ihm der Senator vertraulich ans ehrgeizige Herz gelegt, "Intendant Mahnstein ist ein ziemlich harter Brocken. Ein großer Künstler, selbstherrlich, größenwahnsinnig, wie das so ist bei erfolgreichen Theatermenschen. Außerdem ist er ein rücksichtsloser Verschwender von Steuergeldern. Er herrscht wie ein Patriarch und ist der Meinung, das sei sein gutes Recht. Der Mann ist nicht ungefährlich, er unterhält weitverzw