Beschreibung
Niko Pirosmani, 1862 - 1918, in einer Bauernfamilie geboren, arbeitete als Eisenbahnschaffner und Milchhändler. Er brachte sich selbst das Malen bei und bestritt ab 1901 seinen Lebensunterhalt als Kneipenschildmaler und mit seinen Bildern, die er gegen Essen, Trinken und Unterkunft tauschte. 1912 entdeckten ihn die russischen Futuristen, in den 1920ern hatte er seinen posthumen Durchbruch in Paris, Picasso nannte ihn eine wichtige Inspirationsquelle. Bis heute gibt es stark beachtete Ausstellungen seiner Bilder, zuletzt in der Wiener Albertina, die Preise fur seine Werke stiegen ins Astronomische. Die Details seines Lebens liegen jedoch noch weitgehend im Dunkeln. Die Investigativjournalistin Shorena Lebanidze hat einen eigenwilligen Zugang zu diesem rätselhaften Maler gewählt.Aus Archivmaterialien, Befragungen von Zeitzeugen und Kunsthistorikern, dem Zusammensetzen einzelner Bruchstucke entwickelt sie in Romanform ein Mosaikbild eines ungewöhnlichen Lebens und Nachlebens, in dem nichts fehlt: dramatischen Szenen, Politik, Absturze, eine heimliche Liebe, Rache, brennende Leinwände, Kunstfälscher und das große Geld.
Autorenportrait
Shorena Lebanidze, 1965 im ostgeorgischen Televi geboren, studierte Journalistik und arbeitete als Investigativreporterin. Ab 1990 war sie Redakteurin der ersten unabhängigen Tageszeitung »7 Dghe«, schrieb uber den Burgerkrieg, uber Regierungsversagen, Auftragsmorde und politisch motivierten Terror. Ab 1997 leitete sie u.a. das Politikressort der Tageszeitung »Saqartvelos Gazeti«, arbeitete fur die Fernsehsender »Rustavi 2« und »24 Saati«, ab 2006 schrieb sie Scripte fur Fernsehdokumentationen und publizierte dokumentarische Kurzgeschichten fur Literaturmagazine. 2012 erschien ihr semifiktionaler Roman uber das Leben des Malers Niko Pirosmani.
Leseprobe
Dimitris Schutzling war ein merkwurdiger Mensch. Wenn er aus der Molkerei zuruckkehrte, nahm einen Imbiss zu sich, zog sich dann in die fur ihn bereitete Kammer zuruck und kein Mensch wusste, was er da tat. Das zum Garten hinausgehende Fenster war bis zum Morgen geöffnet. Hinter dem Vorhang rauchte eine Petroleumlampe und ihr Qualm war durchsetzt von Alkoholdunst, zusammen mit dem stechenden Geruch von Farben, die in Blechdosen sich mischten. Des Morgens, wenn Nikala und Dimitri sich auf den Weg zum Jahrmarkt gemacht hatten, betrat Sabedo auf Zehenspitzen die winzige Kammer des Schutzlings, machte sein Bett, sammelte die Zigarettenkippen vom Boden, leere Flaschen, Weingläser, kleine und große Pinsel mit angetrockneter Farbe, und warf einen Blick auf die an der Wand lehnenden schwarzen Wachstucher. Sie sah einen blauen Himmel mit weißen Wolken, eine grune Wiese, einen Tisch voll verschiedenster Delikatessen, vornehme Herren mit gezwirbelten Schnurrbärten und Trinkhörnern in der Hand, Tiere, Alltagsszenen, Dorflandschaften, und sogar - Gott, vergib mir - vollbusige, schamlos entblößte Frauen die Peinlichkeit trieb Sabedo das Blut in die Wangen. Sie wandte ihren Blick von den Wachstuchern. Zuckte mit den Schultern, bekreuzigte sich. Fur sie, nicht nur fur ihre Familie, sondern auch fur das Sioni-Viertel, fur die Stadt zu beiden Seiten des Mtkvari, fur die ganze Welt breitete sich hier die vorerst noch fremde, unenthullte, unberuhrbare, unfassbare Welt von Nikala aus. Sabedo hatte keinen Ahnung von Nikalas Welt. Sie hatte keinen Schimmer, wann der vormalige Viehhirt, Hausdiener, Eisenbahner und angehende »Anstreicher« zum ersten Mal einen Bleistift, später den Pinsel in die Hand genommen hatte. Woher und warum er unentwegt eingerolltes, unter dem Arm geklemmtes Wachstuch, Linoleumstucken, Glasscherben, Blechstreifen, manchmal auch Karton und Leinwand, Tuben mit französischen und holländischen Farben, Gläser, Wassereimer zusammensammelte, rußende Kohlen aus dem Kamin, vom Dach herabgefallenen Mörtel, Kalk - alles, worauf und womit man etwas malen konnte. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sich der Geschäftspartner und Teilhaber, der Anverwandte und Schutzling von Dimitri, in einen täglichen Gast der Papajanzer Färberei verwandelt hatte, in einen Stammkunden des Verkäufers Mischa Patschua. Wie er unheilbar an der Malkunst, leidenschaftlich und bis zur Raserei erkrankte. Wie in seinen großen, traurigen Augen ein merkwurdiges Leuchten, ein Feuer, Rastlosigkeit saßen sie hatte keine Ahnung. Sie konnte es nicht begreifen. Niemanden interessierte es. Nicht einmal sie. Dimitri nicht, nicht das ganze Sioni-Viertel, selbst die Stadt zu beiden Seiten des Mtkvari nicht. Keine einzige Menschenseele auf dieser Erde außer den Verkäufer Patschua in der Färberei von Papajanz.
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