Beschreibung
Die erste Autobiographie aus der Feder einer Frau stammt von Jeanne-Marie Roland. Im März 2024 jährt sich ihr Geburtstag zum 270. Mal. Madame Roland hinterließ zudem eine große Anzahl von Briefen, die aus ihrem ereignisreichen Leben berichten. In diesem Leben spiegelt sich eine Ära, in der vieles im Umbruch war, spürbar nicht nur in Frankreich sondern in ganz Europa, das auf das große Vorbild Frankreich, die Grande Nation, blickte. Christiane Landgrebe gelingt es mühelos, das bedeutsame und an Dramatik überreiche Leben der Madame Roland sowie die Ereignisse einer ganzen Epoche verständlich zu machen. Nicht nur Fakten spielen hierbei eine Rolle, sondern auch Empathie für das Schicksal einer wahrhaft ungewöhnlichen Frau. »Wie sah das Leben jener Frau aus, die so selbstbewusst und überzeugt, so gelassen und beinahe heiter in den Tod gegangen ist?«
Autorenportrait
CHRISTIANE LANDGREBE studierte Romanistik, Theologie und Philosophie, war Lektorin in verschiedenen Verlagen sowie Übersetzerin von Romanen und Sachbüchern aus dem Französischen und Italienischen. Sie ist Autorin diverser Bücher zu historischen und zeitgeschichtlichen Themen, darunter auch einer Biografie von Jean-Jacques Rousseau, dem Mentor der Madame Roland.
Leseprobe
Am 4. Oktober 1781 wird Jeanne-Maries Tochter Eudora geboren. Der Vorname geht auf Rolands Vorliebe für das antike Griechenland zurück. Die Tochter soll ein rousseausches Modellkind werden. Ernsthaft befolgt Jeanne-Marie alle Anweisungen des Émile, vor allem, das Kind selbst zu stillen und es keiner Amme zu überlassen. Sehr erfolgreich ist sie dabei nicht, zuerst hat sie zu viel Milch, dann zu wenig, sie wird krank, das Kind ebenfalls, doch sie weigert sich, eine Amme zu nehmen. Mit Hilfe von Chinin, Bier, Sauerampfersuppe, Mandelsirup und enormer Willensstärke gelingt ihr Vorhaben schließlich doch. In der damaligen Zeit ist dies im bürgerlichen Milieu fast ein Einzelfall und kaum jemand hat Ver-ständnis für Jeanne-Maries Bemühungen. 1784 fünf Jahre vor der Revolution bemühen sich Monsieur und Madame de la Platière um einen Adelsbrief. Das Anwesen Le Clos de la Platière soll zum Lehen erhoben werden. JeanneMarie hat Papiere gesammelt und ein Schreiben verfasst, damit die Familie Roland de la Platière in den Adelsstand treten kann. Die Grundlagen hierzu sind eher dürftig, da die Familie keine alte adelige Herkunft nachweisen kann. Roland schreibt einen Brief und führt seine Verdienste für den Staat ins Feld. Adelig zu werden würde finanzielle Vorteile bedeuten, das Ansehen der Familie stärken, die Heiratschancen für Eudora verbessern. Madame Roland reist nach Versailles, um ihr Ansinnen bei den zuständigen Ministern vorzutragen. Offenbar vertraut Roland der persönlichen Ausstrahlung und Intelligenz seiner Frau. Sie allerdings macht sich mit einiger Skepsis auf den Weg. In Paris bleibt sie zwei Monate und wohnt im Hôtel de Lyon. Hier begegnet sie François Lanthenas und Louis Bosc wieder, die sich eifrig um die junge Frau kümmern. Gemeinsam unternehmen sie abends Ausflüge in den Bois de Boulogne, den Jardin du Roi oder besuchen Jeanne-Maries Onkel Bimont in Vincennes. Sie gehen ins Theater und die Oper und manchmal spielt Jeanne-Marie abends für die Freunde auf dem Cembalo. Sie genießt das Zusammensein mit den beiden gleichaltrigen Verehrern. Lanthenas ist loyal gegenüber Roland, dem Ehemann, Bosc hingegen lässt deutlich erkennen, wie viel ihm an Jeanne-Marie liegt. Er hätte nichts gegen eine kleine Affäre, und er macht daraus gegenüber Roland keinen Hehl. So erregt er, wen würde dies wundern, Rolands Eifersucht, der nun Jeanne-Marie verbietet, Ausflüge mit Bosc zu unternehmen. Deshalb fährt sie gehorsam allein zum Grab von Rousseau nach Ermenonville. Madame Roland de la Platière geht bei ihren Demarchen in Versailles nach den üblichen höfischen Regeln vor. Zunächst fertigt sie verschiedene Abschriften von Rolands Antrag. Dann trifft sie sich mit einer Expertin in Hofintrigen. Damit der Antrag dem König vorgelegt wird, muss sich der Vorsitzende des Finanzrats Vergennes dafür einsetzen, dies aber ist nur möglich, wenn vorher der Generalkontrolleur der Finanzen ebenfalls dafür votiert hat. Dies wiederum geschieht nur, wenn sich auch die Hierarchie der Inspektoren der Manufakturen dafür einsetzt, die vier Handelsintendanten, die jedoch alle nur wenig Sympathie für Rolands reformerische Ideen haben.