Das Versunkene Theater

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783947239924
Sprache: Deutsch
Umfang: 372 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 21.5 x 15 cm
Lesealter: 12-99 J.
Einband: Leinen

Beschreibung

Als Edgar Fett seiner neugierigen Katze durch eine geheimnisvolle Tür folgt, ahnt er nicht, dass sie ihn in das größte Abenteuer seines grauen Lebensabends führen wird. Hinter der Tür verbirgt sich der Theaterhafen: ein Ort voller Magie, Theaterluft und Bühnenflair - geschaffen, um Menschen auf fantastische Art zu verzaubern. Doch nicht alles ist, wie es sein sollte: Der Theaterhafen versinkt, die Aufführungen bleiben stecken, Künstler und Zuschauer sind in großer Not. Kann Edgar, nur bewaffnet mit Bademantel und Schlappen, das Theater retten? (hochverehrtes publikum heut bieten wir euch dar schimmerspiegelaugen flimmerfadenlächeln doppelbodenherzen rotweinlippentäuschung erst barfußgang durchs feuer dann kuss wie schall und rauch ein kleines abenteuer im rampenlicht für euch) " Das Versunkene Theater ist eine Geschichte, wie ich sie selbst gern lesen würde. Vor allem ist es aber eine Geschichte, in der ich versuche, die Magie der Theater einzufangen. Falls die Theatertüren irgendwann wieder einmal geschlossen bleiben müssen, oder wenn der Tag kommt, an dem ich selbst nicht mehr auf der Bühne stehen kann, dann möchte ich dir dieses Buch in die Hand drücken können und sagen: So war das damals. So war das, zwischen Zauberern und Jongleurinnen, umringt von Musikerinnen und Tänzern, unterwegs mit Schauspielenden und Technikern. Vielleicht erwiderst du dann: So soll das gewesen sein? Aber das ist doch völlig unrealistisch! Und vermutlich hättest du recht. Aber kneif doch mal ein Auge zu: Dann übersieht man nämlich den Zauber nicht so schnell. Und weißt du was? Der Zauber - der ist wirklich da." Timon Krause, Mentalist

Leseprobe

Szene 26: Castingplatz. Schaustellende auf improvisierten Bühnen. Publikum mit leeren Augen. Toni, Edgar. Das ist doch das Phantom der Oper." Ja." Und Faustus." Mhm." Und Lady Mac." Toni legt ihre Hand über Edgars Mund. Nicht ihren Namen sagen. Das bringt Unglück." Oh." Sie hält Edgar am Ärmel seines Bademantels fest und schlängelt sich mit ihm durch die Menschenmenge. Zu allen Seiten präsentieren sich bunt kostümierte Menschen auf improvisierten Bühnen: auf umgedrehten Getränkekisten, auf einem rostenden Autodach, auf einer zwischen zwei Dächern liegenden Planke. Schauspieler deklamieren Theatermonologe, Hochseiltänzer und Schlangenmenschen stehlen einander die Show. Zwei Musiker spielen ohrenbetäubend laut Luft-Gitarre. Ein Bär von einem Mann singt mit der Stimme einer Nachtigall. Vor jeder noch so kleinen Bühne steht gebannt eine Traube Menschen. Publikum, das fasziniert zuschaut und an den richtigen Stellen applaudiert. Toni rümpft die Nase. Gaffer. Die Magie des Theaterhafens erlaubt es Künstlern und Publikum, voll und ganz in ihre Rollen einzutauchen. Je länger der Aufenthalt im Theater, desto größer die Spuren an Körper und Seele. Dreiarmige Jongleure, zwölffingrige Pianistinnen und Feuerschlucker, die sich am Lagerfeuer sättigen sind keine Seltenheit; Schauspielerinnen, die mit ihrer Rolle verschmelzen gehören zum Alltag. Spielen sie die Rolle?, denkt Toni, oder spielt die Rolle sie? Am schlimmsten trifft die Magie des Theaters das Publikum. Der Theaterhafen wandelt sie zu Gaffern: wässrige Telleraugen, tiefseeschwarze Pupillen, offene Münder. Ewiges, fasziniertes Gaffen. Die perfekten Zuschauer. Toni läuft ein Schauer über den Rücken. Und eine Rolle brauche ich, damit ich so nicht ende?", flüstert Edgar und zeigt auf eine leer vor sich hin stierende Frau. Mhm. Und damit du das Foyer verlassen kannst. Der Theaterwald ist nur für Künstler zugänglich, genau wie Backstage und Bühne. Da wären wir." Toni hält an und weist auf einen runden Platz, gespickt mit Zelten unterschiedlicher Größe. In der Mitte befindet sich ein Podium: die einzig unbesetzte Bühne weit und breit. Davor liegen, einsam und vergessen, ein paar Plastikklappstühle. Zeit für dein Casting." * Als die ersten Theatergruppen merkten, dass sie festsitzen, haben sie angefangen, Castings abzuhalten", erklärt Toni, während sie Edgar über den verlassenen Zeltplatz führt. Sie haben Künstlerinnen und Künstler ausgetauscht, neue Shows entwickelt, getreu dem Motto: Stillstand ist der Tod der Kunst." Sie kickt mit dem Fuß gegen einen leeren Pappbecher. Hat aber nicht lange gehalten. Die meisten von ihnen haben irgendwann aufgegeben und stattdessen angefangen, zu trinken." Vor den Zelten sitzen vereinzelt gelangweilte Menschen. Castings habe ich mir anders vorgestellt", sagt Edgar. Glamouröser." Toni zuckt mit den Schultern. Sag Bescheid, wenn du was siehst, was dich interessiert. Dann fragen wir nach einer Rolle." Etwas ratlos blickt Edgar sich um. Vor einem heruntergekommenen Zelt offenbart ein, offensichtlich von Hand gemaltes Holzschild die darin befindliche Produktion als Von Arschlöchern und Ratten. Zwei Jungs, die nicht älter als zehn sein können, sitzen in Schaukelstühlen vor dem halb zurückgeschlagenen Zelteingang. Beide rauchen Pfeife. Sie schauen Toni und Edgar kampfeslustig an, bis Edgar den Blick abwendet. La Rêve. Das schwarz-weiß gestreifte Zelt läuft nach oben spitz zu. Ein halbmondförmiges Poster verkündet: Träumende Realisten und Sachliche Träumer Gesucht. Mind. 5 Sprachen Fließend. Das könnte schon eher passen. Edgar streckt seine Hand nach der Zeltbahn des Eingangs aus, da dringt ein gepeinigter Schrei nach draußen. Oh weh, oh weh!", weint eine schrille Frauenstimme. Edgar zieht seine Hand zurück. Die Wondershow. Ein mit Glühbirnen gespicktes, ausgestopftes Gorillakostüm steht vor einem von Neonlichtern beleuchteten Eingang und liest ein bunt gedrucktes Magazin. Als Edgar und Toni daran vorbeilaufen, setzt der Gorilla plötzlich einen Schritt nach vorn. Edgar fährt erschrocken zusammen, bevor er erleichtert grinst. Toni schnauft verärgert und muss dann ebenfalls lachen. Käptn Veryberrys Theaterpiraten. An der Spitze des Zeltes weht eine schwarze, mit einem weißen Totenkopf bedruckte Flagge. Die Lippen des Totenkopfes sind mit einem rosa Kussmund bemalt, darunter kreuzen sich zwei Knochen. Aus dem Innern des Zelts klingen Geschrei und Gelächter, eine Brise Meeresluft mit einem Hauch Schießpulver steigt Edgar in die Nase. Er zupft Toni am Ärmel und zeigt auf das Piratenzelt. Das hier." Toni zieht überrascht eine Augenbraue nach oben, bevor sie nickt. Na, dann mal Hals- und Beinbruch." * Edgar Fett hätte sich keine klischeehaftere Piratenbande ausdenken können. Dicke Bärte und lange Narben, Holzbeine und Augenklappen, Dreieckshüte und Säbel, sogar zwei pinke Papageien. Eine heftige Rauferei ist in vollem Gange. Stühle werden geschmissen, Tische zerschmettert, Klingen gekreuzt, Bierkrüge an Köpfen zerschlagen. Das rote Haar einer besonders wüst kämpfenden Piratin steht buchstäblich in Flammen. Edgar starrt einen Moment perplex auf das Geschehen, bevor er sich auf der Stelle umdreht, um das Zelt wieder zu verlassen. Landratten!" Einer der Papageien hat Toni und Edgar entdeckt. Aufgeregt flatternd dreht er hektische Kreise an der Decke. Laaand! Raaaa! Teeeen!", kreischt der Vogel. Die Piraten schenken ihm keine Aufmerksamkeit. Doch während Erdgar und Toni sich mit leisen Schritten aus dem Zelt schleichen, lässt der Papagei sich im Sturzflug direkt in das brennende Haar der wilden Piratin fallen. Käptn! Landratten! Käptn! Landratten! Käptn!" Genug!", schreit die Kapitänin und streckt ihren Säbel in die Luft. Genug!" Ihre raue Stimme donnert durch den Raum und stoppt die Piratenbande ebenso wie das fliehende Paar. Schluss, ihr Rüpel! Wir sind nicht mehr allein." Edgar und Toni spüren die bohrenden Blicke der versammelten Besatzung in ihrem Rücken. Langsam drehen sie sich um. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein dümmlich grinsender, mit zwei Augenklappen versehener Pirat seine Armbrust hebt und blind auf die Kapitänin schießt. In einer fließenden Bewegung weicht sie dem Bolzen aus und zieht eine Donnerbüchse aus ihrem Gürtel. Ihr flammendes Haar weht dabei wie ein dramatisches Cape um ihre Schultern. Genug!", sagt sie noch einmal. Der Pirat grinst weiter, lallt Sorry, Käptn Veryberry" und fällt schlaff hintenüber. Edgar steht völlig paralysiert vor einem der Zeltposten. Der für die Kapitänin bestimmte Bolzen ist eine Haaresbreite über Edgars Kopf mit voller Wucht in das Holz des Pfostens eingeschlagen. Toni steht ratlos neben ihm. Den Revolver immer noch in der Hand, nähert sich die Kapitänin. Schritt. Tok. Schritt. Tok. Schritt. Tok. Ihr linkes Bein ist vom Knie abwärts durch ein Holzbein ersetzt. Über ihre linke Wange zieht sich eine silbrige Narbe. Rot geschminkte Lippen passen perfekt zu den mit ihrem roten Haar verwobenen, brennenden Lunten. Am Kragen ihrer Weste hängt eine Totenschädel-Brosche mit rosa Kussmund. Ihr linkes Auge ziert eine Augenklappe mit demselben Motiv. Was glotzt du so, Landratte?" Die Piratin pikst ihn scharf mit ihrem Finger in die Brust. Kein Finger, realisiert Edgar, ein Haken. Ihre Pistole hält sie nonchalant auf Toni gerichtet. Es ist nur. wir wollten. deine Augenklappe -" Edgar weiß nicht, was er sagen will. Die Nasenflügel der Piratin beben gefährlich, während sich kalter Schweiß unter Edgars Armen sammelt. Als sie spricht, erinnert ihre Stimme an das Magenknurren eines ausgehungerten Wolfs. Was ist mit meiner Augenklappe?" Edgar sucht stammelnd nach Worten. Ich dachte nur, Piraten tragen kein Rosa -" Kapitänin Veryberry fletscht die Zähne. Habt ihr das gehört?", fragt sie ihre Crew. Piraten tragen kein Rosa!" Sie fängt an zu lachen, erst leise, dann immer lauter werdend, bis sie in regelrechtes Brüllen ausbricht. Die Theaterpiraten tun es ihr gleich. Sogar die rosa Papageien kreischen mi...