Beschreibung
Künstliche Intelligenz im Vorfeld des Ersten Weltkriegs: Im Jahr 1907 veröffentlichte der Wiener Wissenschaftsjournalist Leo Silberstein-Gilbert einen "phantastisch-satirischen Roman", der heute als eines der ersten Science-Fiction-Werke gelten kann und von den Nazis aus allen Bibliotheken entfernt wurde. Der Protagonist des Romans, der geniale Physiker Frithjof Andersen, konstruiert einen vollkommenen Androiden. Dessen Körperbau, seine Gesichtszüge, Pulsieren der Adern und selbst Gefühlsregungen imitieren den Menschen auf so natürliche Weise, dass die perfekte Täuschung gelingt. Doch das Geschöpf emanzipiert sich von seinem Schöpfer - der Android macht als Großindustrieller Karriere und wird vom König zum Minister ernannt. Als der Android schließlich einen Krieg vorzubereiten beginnt und das Volk seine Misere in Hurrapatriotismus ertränkt, sieht sich Andersen in der Pflicht, sein eigenes Geschöpf zu zerstören. Mitten in der Belle Époque, auch als Fin de Siècle bezeichnet, markiert Leo Silberstein-Gilbert mit prophetischem Blick den Untergang der mitteleuropäischen Monarchien und die politischen Katastrophen der folgenden Dekaden. Sein geradezu heinescher Witz macht den Roman zu einem besonderen Lesevergnügen. Nach 1933 geriet er in die Zensur, wurde aus den Bibliotheken im Herrschaftsbereich des NS-Regimes aussortiert, sodass heute nur noch drei Exemplare in europäischen Bibliotheken verzeichnet sind. Die von Nathanael Riemer unter dem Titel "Seine Exzellenz, der Android" herausgegebene Neuauflage will das eliminierte Buch und die Erinnerung an seinen Autor neu beleben. Nathanael Riemer stieß auf diesen Schatz während der Vorbereitungen für ein Seminar über Videospiele und Künstliche Intelligenzen unter den Trümmerschichten, die eine NS-Literaturwissenschaftlerin hinterließ.
Autorenportrait
Leo Silberstein-Gilbert, geboren 1861 im rumänischen Galati, absolvierte ein Ingenieurstudium in Zürich und Berlin. Danach übersiedelte er nach Wien, arbeitete als Redakteur und Journalist für viele Zeitungen seiner Zeit, u.a. die Frankfurter Zeitung und die New York Times. Silberstein-Gilbert starb 1932 in Wien.