Belichtungen

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783952462669
Sprache: Deutsch
Umfang: 164 S.
Format (T/L/B): 1.9 x 21.6 x 15.8 cm
Einband: Englische Broschur

Beschreibung

Wie findet man sich zurecht in der Welt? Im Leben? Sich zu orten und Beobachtetes und Erlebtes zu verorten, ist eine eigene Art von Navigationstätigkeit. Sie basiert auf unseren Sinneseindrücken, allen voran auf dem Gesehenen. Was wir sehen, wird durch die vergangene Zeit, durch Gesehenes und Erlebtes, das sich im Bildarchiv des Gedächtnis befindet, eingefärbt, verzerrt oder auch geschärft. Wir sehen die Welt in Ausschnitten, erkennen zugrundeliegende Muster, vergleichen das neu Entdeckte mit dem bereits Existierenden, machen Ähnlichkeiten und Unterschiede aus. Seit knapp zwanzig Jahren legt Nadine Olonetzky gefundene Gegenstände auf Seiten in ihrem Notizbuch und lässt die Sonne darauf scheinen. Das Papier vergilbt mit der Zeit, vom Gegenstand ist nur noch der Schattenriss übrig. Die Blätter haben das Licht und die vergangene Zeit gespeichert. Nur vier bis fünf dieser Belichtungen sind pro Jahr möglich. Die 55 Texte und 25 Belichtungsbilder eröffnen dem Leser einen Blick auf die Zeit.

Autorenportrait

Nadine Olonetzky, 1962 in Zürich geboren, studierte an den Schulen für Gestaltung Basel und Zürich. Nach einem Volontariat auf der Redaktion der Kulturzeitschrift du folgten Assistenzen an der Kunsthalle Wien und am Fotomuseum Winterthur. Sie war mehrere Jahre in der Kulturstiftung des Kantons Thurgau für Projekte der bildenden Kunst zuständig und Redaktorin des Kunst-Inserts der Literaturzeitschrift entwürfe. Olonetzky ist Autorin, Herausgeberin und schreibt u.a. für die NZZ am Sonntag zu Themen aus Fotografie, Kunst und Kulturgeschichte. Sie ist Mitglied von kontrast (www.kontrast.ch) und seit 2008 Projektleiterin/Lektorin im Verlag Scheidegger & Spiess.

Leseprobe

Konstellation Tuscheln unsere Augen manchmal über den Nasenrücken hinweg über das, was sie entdecken? Und das vielleicht überhaupt nicht das Gleiche ist? Ein Auge sieht einen Baum, eine Frau mit Hund, ein Auto. Das andere entdeckt ein Schiff, junge Männer und das Ufer des Sees. Und welche Schlüsse würden unsere Augen aus dieser Konstellation ziehen? Dauer I Ich habe Aufzeichnungen im Gesicht, immer mehr, immer tiefere. Eingegrabene Zeilen. Schürflinien, Risse. Die Sommersprossen bleiben jetzt auch im Winter. In Zeitlupe haben sich die Tage ins Kindheitsgesicht eingegraben. Klarer in der Tiefe ist es jetzt und gleichzeitig in seinen Konturen verschwommener, aufgeweichter. Es ist eine Zuspitzung bei gleichzeitiger Auflösung. Orientierung Weiss ich, wo ich bin? Dort geht die Sonne auf. Dort der Mond unter. Weiss ich, wo ich stehe? Im Gestrüpp der Möglichkeiten. Ich stehe auf meinen Füssen, ich liege auf meinem Bauch. Die Orientierung beginnt im Orient, dort, wo die Sonne aufgeht. Wenn sie über den Horizont steigt, fängt ein neuer Tag an, ich bin geostet, ich setze einen Fuss vor den anderen. Wo orte ich den nächsten Fixpunkt, der die Richtung vorgibt? Im Westen des Betts? Und dann wohin? Ist es eine Idee, die mich antreibt, ein Zwang, ein Kuss? Ich kann sehen, was rund um mich vorhanden ist: Kleider, ein Tisch, ein Zimmer, ein Haus, Strassen, die Stadt. Es ist die Erdoberfläche, das steht fest, und Linien, eine Idee. Jeden Tag.