Lennings Reise

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783962581084
Sprache: Deutsch
Umfang: 380 S.
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Lenning, ein Mann in mittleren Jahren, klagt darüber, dass ihm die Welt auseinanderfällt. Er kehrt seinem bisherigen Leben scheinbar grundlos den Rücken und begibt sich mit seiner Freundin Anna auf eine längere Reise. Schließlich trennen sich die beiden: Während Anna auf die Traumstrände der Karibik flieht, reist Lenning allein nach Grönland und Island weiter, von wo Anna schließlich Monate später ein gewichtiges Paket mit Lennings Unterlagen und Aufzeichnungen erhält. Als Anna versucht, aus diesen Notizen seinen Weg zu rekonstruieren, wird ihr klar, dass sie vom ersten Augenblick an betrogen wurde. "Lennings Reise" führt den Leser von Berlin über Paris, Madrid und Lissabon auf die Azoren - und von dort aus weiter nach Grönland und Island. Die Geschichte aus dem Jahre 1981 ist eine breit angelegte Reiseerzählung mit opulenten Landschaftsbildern; sie ist gleichzeitig ein Entwicklungsroman, die Erzählung von einer großen Liebe, die scheitert, und ein Beitrag zur Zeitgeschichte der 1980er Jahre, also ein durchaus hybrides Werk, in dem die Textsorten zwischen Erzählung und Tagebuch, Essay und Anekdote, Fabel und Legende changieren.

Autorenportrait

Axel Barner, in Hannover geboren, studierte Germanistik, Geschichtswissenschaften, Philosophie und Pädagogik an der TU Berlin. Nach langjährigen Aufenthalten in Istanbul, Bukarest, Saint Germain-en-Laye und Addis Abeba, wo er als Lehrer und Dozent für deutsche Sprache, Literatur und Geschichte tätig war, lebt er seit 2015 wieder in Berlin. Barner veröffentlicht kulturhistorische, literaturwissenschaftliche und literarische Texte, wobei sein literarisches Schaffen die Begegnung mit dem Fremden sowie interkulturelle Erfahrungen umkreist. Zuletzt erschienen "Der Weg nach Timbuktu" (2014), "Frau Meier lügt! - eine Inspektion" (2019) und "Äthiopisches Album" (2021); in der Reihe Einblattdrucke erschienen bei PalmArtPress "Ankunft in Addis Abeba" (Einblattdruck Nr. 131, gemeinsam mit Hélène Verger) und "Temeswar, Blicke" (Einblattdruck Nr. 165, gemeinsam mit Annette Beisenherz).

Leseprobe

Jetzt, jetzt, jetzt! Jetzt: Endlich! Jetzt ist der Augenblick gekommen. Jetzt würde die Ungewissheit ein Ende haben. Jetzt wird sie mehr erfahren. Anna zögert einen kurzen Augenblick, bevor sie das Paket öffnet. Das Paket, das sie gerade von der Post geholt hat. Sie nimmt es, legt es auf den Boden und hockt sich auf den weißen Flokati-Teppich davor. Die Adressangabe ist mit Druckbuchstaben geschrieben, akribisch, beinahe wie von Kinderhand erscheint ihr Name auf dem braunen Packpapier. Dann die exotisch-bunten Briefmarken, die verschiedene Entenarten zeigen, farbige fremde Vögel, die sie noch nie gesehen hatte. Unter den Bildchen steht "lslandspóstur", daneben der Stempel: Reykjavik, 27. September 1981. Anna wendet das Paket, der Absender fehlt. Sie steht auf, geht hinüber zu ihrem Schreibtisch, um eine Schere zu holen, hockt sich wieder auf den Boden, durchschneidet die Schnur, die das Paket zusammenhält, und entfernt vorsichtig das grobe Packpapier. Mit dem Papier ist ein Karton eingeschlagen, dessen vier Klappen sie langsam öffnet. Zuoberst liegt eine topografische Karte - Ísland Ferðakort yfir Suðurland, 1:250000, Gefið ut af Landmaelingum Íslands 1977. Sie nimmt sie heraus und entfaltet sie. Die Karte zeigt den Südteil der Insel Island, blau das Meer, grün das Kulturland, rot die Straßen und die Ortschaften, braun die Gebirge, weiß mit hellblauen Höhenlinien die Gletscher. Die Karte ist ungeschickt gefaltet, der Rand zum Teil eingerissen und an einer Ecke findet sich ein Schmutzfleck. Anna faltet die Karte wieder zusammen, legt sie beiseite und fasst wieder in den Karton. Unter der Karte liegt ein großer brauner Briefumschlag, der nicht verklebt ist. Sie öffnet ihn und zieht vier Filmrollen heraus. Anna nimmt sich vor, die Filme zum Entwickeln zu bringen. Sie steckt die Filme zurück in den Briefumschlag, legt ihn neben die Karte und nimmt als nächstes einen weiteren großen Umschlag aus dem Karton, der ein Sammelsurium von Ansichtskarten, Reiseprospekten, Busfahrplänen, Flugtickets und Rechnungen von Campingplätzen und Pensionen enthält. Auch diesen Umschlag legt sie beiseite. Darunter, ganz unten im Karton, liegen vier Hefte. Anna nimmt das Heft heraus, welches zuoberst gelegen hatte, und setzt sich in den Sessel, der in der Zimmerecke steht. Auf dem unlinierten Deckblatt steht in großen Druckbuchstaben ERSTES HEFT: BERLIN - LISSABON. Als sie weiter blättert, erkennt sie sofort seine Handschrift. Ohne Zweifel ist er es, der diese Aufzeichnungen abgefasst hat, Notizen, die in kürzere und längere Abschnitte gegliedert sind, alle ohne Angaben von Ort und Datum.