Beschreibung
Wovon ernähren sich Riesen, zumal wenn sie Königssöhne sind? Der Verfasser dieser Historie, der das Leben des riesenhaften Königssohnes getreulich festhalten soll, der weiß auch das und noch mehr, was allerdings etwas drastisch beschrieben wird:Seitdem der Königssohn auf eigenen Füßen stand, wollte er aber nichts anderes als Thüringer Klöße essen. Diese, auch grüne oder rohe Klöße genannt, machten ihm jedoch, in solch gewaltigen Mengen gegessen, das Leben ordentlich schwer. Mit anderen Worten: Er musste sich öfter und in größeren Haufen als ein anderer Knabe seines Alters erleichtern. Königliches Klosettpapier war aber in dem erforderlichen Maße nicht zu beschaffen.So führte Plebejus einige Zeit ein beschissenes Leben.Aber auch für dieses Problem fand sich eine ebenfalls im 6. Kapitel mitgeteilte Lösung, die sehr viel mit der Qualität des Regierens seines ebenso riesenhaften wie königlichen Vaters zu tun hat denn je schlechter regiert würde, umso weichere Arschwische standen zur Verfügung:So trieb ihm ein königliches Schreiben, worin ein subalterner Beamter wegen einer wirklichen oder vermeintlichen Verfehlung gerügt wurde, die Tränen in die Augen, denn das Papier war recht kratzig und riss ihm die Haut vom Hintern. Ganz anders erging es ihm mit einem Briefe, in dem ein gleichfalls subalterner Beamter die schlechte Regierung des Königs kritisierte, denn dieser Brief war in einer unglaublich gewundenen, verschlüsselten, versteckten, vorsichtigen, lobhudelnden, unterwürfigen, nichtssagenden, zurückweichenden, einschmeichelnden, demütigen, ausweichenden, seidenweichen Sprache geschrieben, dass er die Haut kaum zu berühren schien. Plebejus raffte, sobald er diese Erfahrung gemacht hatte, die Hosen hoch, lief schnurstracks zum König und bat ihn, noch schlechter zu regieren.Aber weshalb?, fragte Prolius nichts ahnend. Damit ich recht viele seidenweiche Arschwische bekomme, entgegnete Plebejus.Im Anschluss wird Krieg gegen das Nachbarland geführt und auf gleichsam natürliche Weise gewonnen. Die folgenden Kapitel befassen sich mit der Erziehung des Königssohnes, mit einer langen Reise, mit der Liebeskunst und mit der Kochkunst, mit Höhenflügen und Drachen sowie mit merkwürdigen Erfindungen des menschlichen Geistes, mit Gefangenschaft und einer Jugendsünde, mit dem Mahlen von Mehl, viel Mehl, mit einem gebrochenen Bein eines Kaisers und fürchterlichen Hieben und mit zwei neuen Gefahren und der Erneuerung der Bekanntschaft mit dem Mehlmüller.
Autorenportrait
Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre.1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft.1949 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.).1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin.Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller.2008 in Berlin verstorben.
Leseprobe
Sicherlich hat der Leser die Klugheit des Königssohnes, das kitzligste, zarteste, zurückhaltendste, hinterhältigste und untertänigste aller Papiere als Arschwisch zu nehmen, gebührlich bewundert, ohne jedoch über den Umstand zu stolpern, dass ein solchermaßen kluges Kind in unserer Chronik bis jetzt noch nicht zu Worte gekommen ist. Mit notdürftiger Ausnahme eben der Stelle, wo es seinen Vater um eine reichlichere Versorgung mit dem genannten Papier bat. Ich erwähne diesen sprachlosen Umstand auch nur, weil der eine oder der andere ohnehin auf ihn gestoßen wäre. Und dem musste ich zuvorkommen. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Leser, der sich klüger dünkt, als der Autor es ist. Einmal dahin gelangt, misstraut er jedem Satz, zerlegt ihn in seine Teile und zerstört so die Seele des Ganzen. Den Verlust aber, den er damit dem Buche und sich selbst zufügt, kreidet er dem Autor an. Und eben das wollte ich vermeiden, weshalb ich den Leser bitte, auch nicht weiter nach dem Warum dieses sprachlosen Umstandes respektive der notdürftigen Ausnahme zu fragen, ich weiß es nämlich selber nichtDas soll mir nicht noch einmal vorkommen!, rief der König. Ein Prinz, und dazu einer aus dem Geschlechte der Riesen, darf sich nicht in die Hosen machen, auch wenn anders der Krieg verloren geht. Lieber in Ehren untergehen als solch einen beschissenen Sieg.Um dem König Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muss ich an dieser Stelle endlich einmal sagen, dass Prolius ein Mann von Ehre und darauf bedacht war, den Schild derselben durch nichts beschmutzen zu lassen, wie er überhaupt die edelsten Eigenschaften in seiner Person vereinigte. Jedenfalls war es auf den des Öfteren gepriesenen Arschwischen zu lesen. Nachdem wir so dem König Gerechtigkeit haben widerfahren lassen, wollen wir zur Wahrheit zurückkehren. Und die ist, dass König Prolius von Ehre und Tugend nicht einmal einen Begriff hatte, weshalb er sich in Wirklichkeit über den Sieg seiner Truppen riesig freute, aber nicht Größe genug besaß, über die Ursache desselben mit Gelassenheit hinwegzusehen. Wir brauchen einen Zuchtmeister, rief er, der diesem Schandfleck unseres Geschlechts beibringt, seine Angst für sich zu behalten und dem Feinde die Stirn, nicht den Hintern zu bieten! Und im ganzen Lande wurde bekanntgemacht, dass ein königlicher Zucht- und Fechtmeister gesucht werde. In kurzem liefen die Bewerber uns das Haus ein. Nach wenigen Tagen waren es mehr als sechshundert. Der König ließ jedoch noch einige Zeit verstreichen, denn er glaubte, die ersten würden nicht die besten sein. Endlich aber, als weit über zweitausendachthunderteinundvierzig Anwärter am Hofe versammelt waren, befahl Prolius, mit den Ausscheidungen zu beginnen. Jeder der Bewerber bekam eine Zahl und musste, wenn es eine ungerade war, gegen die nächsthöhere gerade, wenn es aber eine gerade war, gegen die nächstuntere Zahl den Degen ziehen. Der König befahl den Kampf auf Leben und Tod, so dass nach Ende der ersten Runde nur noch reichlich tausendvierhundertundzwanzig Kandidaten übrig waren. Jetzt wurden aufs neue Zahlen verteilt, und die zweite Runde ließ nur etwas mehr als siebenhundertzehn Kandidaten am Leben, während nach der dritten gerade gut dreihundertsechsundfünfzig Kandidaten neue Zahlen entgegennehmen konnten. Und so ging es fort, bis endlich nur noch zwei Bewerber übrigbliebcn. Der König hatte seine helle Freude am bisherigen Gang der Dinge und nannte sich einen klugen Kopf. Um aber am Ende nicht doch noch für einen Dummkopf zu gelten, ließ er die beiden letzten Bewerber statt mit dem Degen mit der Zunge gegeneinander kämpfen, denn es hätte ja leicht sein können, dass die beiden, eben weil sie die besten waren, sich gegenseitig auf den Tod verwundeten, und der König hätte am Ende nicht den besten, sondern überhaupt keinen der über zweitausendachthunderteinundvierzig Kandidaten mehr gefunden. Auch wusste er wohl, dass ein ordentlicher Zuchtmeister nicht nur eine geschickte Hand, sondern auch eine gewandte Zunge haben musste, um seinem Zögling die nötigen Unterweisungen geben zu können.Der König ließ den ersten der Bewerber vortreten und stellte die Prüfungsfrage.Worin, so fragte ihn Prolius und machte ein geheimnisvolles Gesicht, worin besteht der eigentliche, tiefere und hauptsächliche Sinn, Zweck und Inhalt eines Kampfes, und worauf kommt es dabei im Wesentlichen, Grundlegenden und Allgemeinen, im Besonderen und Einzelnen, im Konkreten und Abstrakten an?Der Mann war ein Vertreter der alten Schule: Schlank der Körper, elegant die Bewegungen, schwarz die Haare, schmal das Bärtchen, war ihm eine solche Frage die reine Lappalie. Er zog den Mund zu einem spöttischen Schnütchen zusammen, wippte kurz mit den Ohren und machte einen Ausfallschritt gegen den König, womit er den Beginn seiner Antwort ankündigen wollte. Prolius verstand diese Geste freilich verkehrt und zuckte erschrocken zusammen. Dann forderte er den Kandidaten ärgerlich auf, den Abstand zu wahren.Dieser trat artig einen Schritt zurück, machte eine gelungene Verbeugung, womit er andeutete, ein Mann von Welt zu sein, der sich auch von einem König nicht aus der Fassung bringen lässt, und begann seine Erwiderung. Ein Kampf, so führte er aus, ist eine körperliche Aktion, der ein moralischer Anlass in Gestalt einer Ehrabschneidung, Stolzbeleidigung und Rechtsvermeidung oder auch ein finanzieller Anlass in Gestalt einer Geldabtreibung, Landabschneidung und Erbhintertreibung vorausgeht. Außer diesen und anderen Gründen eines Kampfes gibt es auch den Kampf ohne Grund, den Kampf des Kampfes wegen. Soviel zum Zustandekommen eines Kampfes. Bevor ich jedoch den Kampf an und für sich spezifiziere und seine einzelnen Hin-, Her-, Winkel- und Rückzüge definiere, will ich noch einige Betrachtungen über die An dieser Stelle aber wachte der König wieder auf. Und da er annahm, schon sehr lange geschlafen zu haben, sagte er: Sehr schön, sehr schön. Und: Es genügt. Worauf er Raudolf, den anderen Bewerber, aufrief, die nämliche Frage zu beantworten. Raudolf aber trat neben den Rivalen und rief: Worauf es in einem Kampfe ankommt, ist, seinem Gegner den Garaus zu machen! Und damit fasste er seinen Degen statt am Griff am vorderen Teil der Klinge und hieb seinem Rivalen den Degenkorb über den Schädel, dass von diesem, nämlich dem Schädel, nicht mehr die Rede sein konnte. Der König aber lachte herzlich, den er hatte schon befürchtet, auch die Antwort dieses Kandidaten zu verschlafen, was ihn in die schwierige Lage versetzt hätte, von zwei verschlafenen Antworten die bessere herausfinden zu müssen.Damit war die Sache entschieden und Raudolf zum Königlichen Zuchtmeister und zum Lehrer des Königssohnes bestellt.
Inhalt
KindheitWorin ein Riese geboren und der Verfasser der Historie aus dem Fenster geworfen wirdIn welchem wir erfahren, dass die geplatzte Blase der Wabbeleia noch weiteren Schaden anrichtete, aber auch eine Schauspielgesellschaft ins Leben riefWorin der Königssohn getauft, sein Großvater aber sehr zornwütig wird, weshalb ich noch einmal das Notsignal betätigen mussWelches vier Jahre dauert, während welcher Zeit Plebejus gewaltige Mengen Milch säuft, ansonsten aber nichts Berichtenswertes geschiehtWelches ebenfalls vier Jahre dauert, während welcher Zeit Plebejus gewaltige Mengen Klöße vertilgt, ansonsten aber ebenfalls nichts Berichtenswertes geschiehtWorin eine Schlacht verlorengeht und Plebejus vor Angst einen großen Haufen scheißt, wodurch die Dinge eine unverhoffte Wendung nehmenJugendWorin für Plebejus ein Fechtmeister gesucht und am Ende auch gefunden wird. Vorher aber mussten alle übrigen Kandidaten aus dem Felde geschlagen werdenWorin Plebejus Berge versetzt, Flüsse verlegt, Seen austrocknet und noch manches andere tut, bis sich niemand mehr im Lande zurechtfindet und der König beschließt, seinen Sohn auf die Reise zu schickenWorin dem Königssohne ein Lehrmeister der Liebeskunst verschafft wird, womit die Reisegesellschaft vollzählig und der König seiner Vatersorgen ledig istIn welchem ein Schiff eigens für Plebejus hergerichtet, ansonsten aber nur notdürftig ausgerüstet wirdReiseWorin nichts von Bedeutung geschiehtWelches ganz und gar aus Barugge besteht, die unter großem Fluchen von Jeremias gebacken wirdWelches das ergreifende Beispiel eines menschlichen Höhenfluges enthält und auch ansonsten von traurigen Erfahrungen voll istIn welchem die Drachenbewohner weiterhin über den Dingen schweben und das Bodenpersonal es weiterhin nicht wagt, nach oben zu schauenWelches mit einer kräftigen Brise beginnt und mit einem schönen Spektakel endetWorin Scharbs gebacken wird. Danach aber wird er gegessenWelches ein böses Erwachen bereithältWorin merkwürdige Tischsitten und andere Erfindungen des menschlichen Geistes zur Kenntnis gebracht werdenWelches uns in ein missliches Verhältnis setzt, weshalb wir auch so schnell wie möglich aus ihm herauszukommen trachtenWorin uns nichts als Sonne und Wasser begegnen, weshalb wir es ohne weiteres hinter uns lassenWelches einen bösen Anfang, aber ein gutes Ende nimmt. Dazwischen liegen wir die meiste Zeit gefangen oder schlagen uns seitwärts in die Büsche
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